Wehrhahn-Prozess in Düsseldorf Alte Kameraden

Im Wehrhahn-Prozess haben am Montag ehemalige Skinheads und ein Nazi-Aktivist ausgesagt. Sie wollen sich nur an wenig erinnern.

 Sven S. sagte am Montag als Zeuge aus. In Koblenz sitzt der bekennende "nationale Aktivist" demnächst wieder auf der Anklagebank.

Sven S. sagte am Montag als Zeuge aus. In Koblenz sitzt der bekennende "nationale Aktivist" demnächst wieder auf der Anklagebank.

Foto: sg

Ein Typ mit einem "Unterhaltungsfaktor zwischen Alfred Tetzlaff und Frauentausch" - so erinnerte sich Sven S. an den Mann, den die Staatsanwaltschaft für den Wehrhahn-Bomber hält. "Er war unterhaltsam, weil so etwas in meinem Leben nicht vorkommt", sagte S., der zur Jahrtausendwende Führer einer Düsseldorfer Kameradschaft war und als Betreiber des "Nationalen Infotelefons" Gleichgesinnte auf dem Laufenden hielt.

Ralf S., der heute 51 Jahre alte Angeklagte, kam aber offenbar recht häufig im Leben des Kameradschaftsführers vor. Immerhin zwei Stunden lang plauderte der vor Gericht über den damaligen Besitzer eines Militaria-Ladens. Dem hätte "etwas Ordnung gutgetan", formulierte der Zeuge, der auch nächtliche Anrufe des Angeklagten nicht unüblich fand: "Er ist sehr impulsiv, wenn ihn etwas beschäftigt, will er es eben mitteilen."

Freunde seien sie nicht gewesen, aber "ich mochte ihn", sagte der Zeuge zur sichtlichen Freude des Angeklagten. Politisch allerdings hätten die beiden Welten getrennt, schon deshalb, weil der Angeklagte, der so gern Zeitsoldat gewesen sei, der Bundesrepublik positiv gegenüberstehe. Er selbst dagegen "begreife die Bundesrepublik nicht als etwas Positives". Ralf S. habe "keine eindeutige Haltung", einerseits habe er über Ausländer geklagt, andererseits seine Homepage von einem Inder einrichten lassen, den er als seinen "Computer-Inder" bezeichnet habe.

"Was ihm nützlich war, war gut, was ihm nicht nutzte, nervte ihn." In seiner Kameradschaft habe Sven S. den Angeklagten wegen seiner Grundhaltung zur Bundesrepublik nicht haben wollen, und auch, weil er "nur tut, was ihm gerade in den Kopf kommt". Dass der Angeklagte häufig Rudolf Heß' Schlusswort aus dem Nürnberger Prozess zitiert habe, war dem Zeugen vor allem deshalb in Erinnerung, weil er es auch dann nutzte, wenn es gar nicht passte.

Wehrhahn-Anschlag in Düsseldorf: Prozess gestartet
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Prozess zum Wehrhahn-Anschlag startet in Düsseldorf

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Die Staatsanwaltschaft hielt S. daraufhin vor, dass das Zitat in den mehrere 100 Seiten umfassenden Telefonprotokollen exakt zwei Mal und dann stets im Zusammenhang mit dem Wehrhahn-Anschlag gefallen war. Man habe auch andere Gespräche geführt, antwortete der Zeuge, der S. gleichwohl so verstanden haben will, als wolle er mit den Worten des Hitler-Stellvertreters seine Unschuld unterstreichen.

Der Zeuge, den demnächst die Fortsetzung eines Strafverfahrens unter anderem wegen Bildung einer kriminellen rechtsextremen Vereinigung erwartet, zeichnete das Bild eines sich selbst überschätzenden Chaoten, der "sehr extrem" sei und bei dem es "kein Normal" gebe. Den Anschlag traut Sven S. ihm aber nicht zu. "Wer das Leben von Ralf S. führt, kann so eine Tat nicht verheimlichen."

Der Zeuge, der auch zu den jeweiligen Lebensgefährtinnen des Angeklagten mehr oder minder lose Kontakte hatte, bestritt, von Ralf S. nach einem Alibi gefragt worden zu sein. Das soll eine der ehemaligen Freundinnen des Angeklagten behauptet haben.

Zuvor hatte das Gericht drei ehemalige Gefährten des Angeklagten befragt. Einer beteuerte, der Wehrhahn-Anschlag sei unter den Skinheads kein Thema gewesen ("Was interessiert mich, wenn einer irgendwo 'ne Bombe macht"), ein ehemaliger Mitarbeiter berichtete vom Hass des Angeklagten auf Schwule, Ausländer und Juden. "Das war bei uns allen so."

Ein dritter Zeuge warnte Ralf S. vor der Wiederaufnahme der Ermittlungen. Er sei vor 16 Jahren nicht befragt worden, dann werde er sich auch jetzt nicht erinnern, schrieb er in einer Textnachricht, nachdem die Polizei ihn aufgesucht hatte. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

Anklage im zweiten Anlauf

Verdacht Bereits wenige Stunden nach dem Anschlag im Juli 2000 war der als ausländerfeindlich bekannte Ralf S. in Verdacht geraten. Hinweise kamen auch aus der Neonaziszene. Weil sie sich nicht erhärten ließen, stellte die Polizei die Ermittlungen gegen S. nach zwei Jahren ein.

Wiederaufnahme 2014 soll S. während einer Haftstrafe mit der Tat geprahlt haben. Zwei Jahre ermittelte eine neue Soko. Im Januar 2017 wurde S. verhaftet.

(sg)
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