Düsseldorf Vier Stichproben aus dem Bücherschrank am Rheinufer

Düsseldorf · Öffentliche Bücherschränke sollen Lust aufs Lesen machen. Seit 2011 steht einer am Rheinufer in Düsseldorf. Aber gelingt das auch? Wer ins Innere blickt, findet oft nur angestaubte Belletristik. Vier Kurzrezensionen.

 RP-Mitarbeiterin Laura Ihme hat den Öffentlichen Bücherschrank am Rheinufer begutachtet. Ihr Urteil: Das meiste darin ist keine literarische Zauberkunst.

RP-Mitarbeiterin Laura Ihme hat den Öffentlichen Bücherschrank am Rheinufer begutachtet. Ihr Urteil: Das meiste darin ist keine literarische Zauberkunst.

Foto: Bretz, Andreas

Der Glasschrank neben dem KIT am Rheinufer ist gut gefüllt. In jeder Regalreihe lehnt Buch an Buch, nur die Kinderecke ganz unten ist ein wenig dürftig ausgestattet. Immer wieder mal halten Spaziergänger oder Radfahrer an dem Schrank, schauen hinein, nehmen ein Buch raus, stellen es wieder hinein, ziehen weiter. Das geht seit 2011 so. Damals hat das Literaturbüro NRW den Schrank als ersten Öffentlichen Bücherschrank in Düsseldorf dort aufgestellt, wollte Lust aufs Lesen, Lust aufs Tauschen machen. Aber gelingt das auch? Vier Kurzrezensionen.

Der Ratgeber

 Falls Sie weiblich und orientierungslos sind: Das gibt es am Rheinufer.

Falls Sie weiblich und orientierungslos sind: Das gibt es am Rheinufer.

Foto: Bretz Andreas

Sie sind eine Frau, Sie sind 40 und haben Sorge vor dem Alter? Brauchen Sie nicht! Denn den reifen Frauen gehört die Welt. Das hat die Journalistin und Schriftstellerin Susanna Kubelka bereits 1980 in "Endlich über vierzig" auf fast 300 sehr langen Seiten festgestellt. Im Bücherschrank gibt es eine Ausgabe des Bestsellers. Darin gibt Kubelka älteren Frauen (heute würde man bei 40 vermutlich nicht von einer reifen Frau sprechen) Tipps, wie sie selbstbewusst durchs Leben gehen können. Und zwar in allen Bereichen. So kommt der junge Liebhaber genauso zur Sprache wie die junge Rivalin, "die den Mann betört, ihn von der Gleichaltrigen weglockt, um bis an ihr Lebensende ein verwöhntes, verzärteltes Dasein zu führen. Und das alles nur, weil sie jünger ist". Das alles will man so im Jahr 2016 aber nicht mehr lesen.

Das Buch zum Film

 Das Buch zum mittelmäßigen Actionfilm ist kein Glücksgriff.

Das Buch zum mittelmäßigen Actionfilm ist kein Glücksgriff.

Foto: Bretz Andreas

Verfilmungen von Büchern haben es ja meist sehr schwer. Weil sie nie dem Geschriebenen gerecht werden. Wenn Bücher auf Filmen basieren, ist es ähnlich. Genau daran krankt auch "Auf die harte Tour", der Roman zum gleichnamigen Actionstreifen mit Michael J. Fox und James Woods aus dem Jahr 1991. Er hat es in Form einer Deutschen Erstveröffentlichung ins Regal am Rheinufer geschafft. Erzählt wird die Geschichte des Schauspielers Nick Lang, der zur Vorbereitung auf eine Rolle einen Polizisten in New York begleitet. Wegen dieser lahmen Story bekam schon der Film keine guten Kritiken. Dank fehlendem Wortwitz ist das Buch zum Film aber sogar noch eine Spur langweiliger. Das Richtige zum Einschlafen.

Die Gesellschaftskritik

 Dieses Buch ist das richtige für alle Fernseh-Hasser.

Dieses Buch ist das richtige für alle Fernseh-Hasser.

Foto: Bretz, Andreas

Wenn Marie Winn nur gewusst hätte, dass irgendwann das Internet unser Leben dominiert. Ob sie dann wohl auch das vergleichbar harmlose Fernsehen so verteufelt hätte wie in ihrem 1977 erschienenen Werk "Die Droge im Wohnzimmer"? Für die kindliche Psyche sei das Fernsehen Gift, stellt sie darin fest und rechnet auf 307 Seiten mit der Technik ab. Das Exemplar im Düsseldorfer Bücherschrank wurde sehr intensiv studiert. Das zeigen Markierungen und Anmerkungen am Rand. "Das Fernsehen infiltriert allmählich das Familienleben", ist beispielsweise dick unterstrichen. Gut, dass die damals Pokémon Go nicht kannten. Das wäre selbst für das düstere Weltbild von Frau Winn zu viel gewesen. Heute liest sich das Buch wie eine überholte Geschichte aus vergangenen Zeiten.

Der Klassiker

 "Die Säulen der Erde" gehört in die Kategorie "Sollte man gelesen haben".

"Die Säulen der Erde" gehört in die Kategorie "Sollte man gelesen haben".

Foto: Bretz Andreas

Wer dieses Buch vollständig lesen möchte, muss Durchhaltevermögen haben. Ken Follets "Die Säulen der Erde" ist ein dicker Schmöker, dessen Geschichte vom Kathedralenbau in Kingsbridge und dem Leben seiner Erbauer handelt. Ihr ganzes Leben und das Leben ihrer Kinder und Enkel wird erzählt und man verliert gefühlt auch ein gutes Stück Leben im Leseprozess. Zwischendurch ist das alles aber doch ganz schön spannend, und auch wenn "Die Säulen der Erde" kein Proust-Roman, keine Hochkultur ist, gehört es doch zu den Büchern, die man gelesen haben sollte. Insofern ist das Buch im Bücherschrank ein Glücksfall - weil seine Regalnachbarn meist leider vor allem eines sind: alte Schinken.

(RP)
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