Bluttat in Düsseldorf und Erkrath "Amoktäter stand unter enormem Druck"

Düsseldorf/Goch · Vier Tage nach dem Rachefeldzug eines 48-Jährigen im Rheinland arbeiten Psychologen an einem Täterprofil. Ein Experte meint, dass der Schütze nach einem Plan vorgegangen ist. Der Zustand eines der Opfer hat sich stabilisiert.

Amokläufer aus Düsseldorf in Gocher Pizzeria gefasst
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Amokläufer aus Düsseldorf in Gocher Pizzeria gefasst

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Das Blut an der Glastür der Pizzeria in Goch hat noch niemand abgewischt. Polizei und Staatsanwaltschaft haben den Tatort noch nicht wieder freigeben. Während im Inneren des Lokals die verwüstete Einrichtung noch vom Ende des Amoklaufs zeugt, ziehen gestern auf der Straße Karnevalisten feiernd und tanzend an der Pizzeria vorbei.

Den 21-jährigen Zwillingen, die ihre Mutter im Lokal vor dem Angriff ihres ehemaligen Mitarbeiters, dem gebürtigen Chinesen Yanquing T., beschützten, soll es den Umständen entsprechend gut gehen. Während eine der beiden trotz ihrer Verletzungen schon am Freitag das Krankenhaus wieder verlassen konnte, befand sich die andere das Wochenende über im Hospital.

Der 48 Jahre alte Familienvater Yanquing T. soll vor vier Tagen Anwaltskanzleien in Düsseldorf und Erkrath sowie die Pizzeria in Goch überfallen und drei Menschen durch Messerstiche und Schüsse getötet haben. Sein Motiv soll Rache gewesen sein. Wohl nur dem beherzten Eingreifen der Zwillinge ist es zu verdanken, dass ihre Mutter nicht das vierte Todesopfer wurde. Denn der Täter hatte es auf seine ehemalige Chefin abgesehen. Er hatte sie 2011 geohrfeigt und war deswegen zu einer Geldstrafe und Schmerzensgeld verurteilt worden. Weil er sich von seiner Anwältin schlecht beraten fühlte, tötete er diese am Freitag in Düsseldorf.

Für viele stellt sich vor allem eine Frage: Wie konnte aus einem Familienvater von zwei Kindern ein Mann werden, der innerhalb weniger Stunden drei Menschen umbringt und weitere schwer verletzt?

Das Protokoll des dreistündigen Rachefeldzugs
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Das Protokoll des dreistündigen Rachefeldzugs

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Foto: dpa, jps fdt

Für den Klever Diplom-Psychologen Michael Bay steht fest, dass der Täter schon über einen längeren Zeitraum hinweg wegen der Rechtsstreitigkeiten unter einem enormen inneren Druck gestanden haben muss, der sich schließlich in der Bluttat entlud. "Er hatte vermutlich aufgrund seiner Entwicklung keine andere Möglichkeit gesehen, die inneren Spannungen auf eine andere Art und Weise abzubauen", sagt Bay. "Normalerweise haben Menschen ihre Wut unter Kontrolle, sie können damit umgehen und schlagen nicht sofort auf andere ein. Menschen wie T. hingegen haben es nicht gelernt, ihre Wut zu kontrollieren." Der Täter habe wahrscheinlich in seinem ganzen Leben stets die Fehler bei anderen gesucht. "Menschen neigen dazu, alles, was sie sich nicht erklären können, schön zu reden oder die Schuld dafür Dritten zu geben", erklärt der Diplom-Psychologe. Yanquing T. habe sich schon damals im Recht gesehen, als er seine Chefin ins Gesicht schlug. Er habe nicht verstehen können, wieso er dafür vom Gericht verurteilt wurde. Die Schuld dafür habe er den Juristen gegeben. "Aus seiner Sicht hat er dann konsequent und logisch gehandelt: Zuerst attackiert er die Juristen und dann fährt er nach Goch, wo für ihn mit seiner ehemaligen Chefin die Wurzel seiner Probleme liegt", erläutert Bay. "Er ist nach Plan vorgegangen."

Dem im Rollstuhl sitzenden Anwalt, dem der Tatverdächtige in den Bauch schoss, geht es etwas besser. Sein Zustand sei "stabil", sagte eine Polizeisprecherin. Wie lange er noch im Krankenhaus bleiben muss, stand gestern noch nicht fest. "Wie es ihm danach seelisch geht, weiß niemand", sagt sein Kanzleipartner Guido Wacker. Der behinderte Jurist hatte neben der schweren Schussverletzung auch eine Rauchvergiftung erlitten, weil der Täter das Büro per Brandbeschleuniger in Flammen gesetzt hatte.

(RP)
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