Haftstrafe im Educon-Prozess "Angeklagte hatten an menschenunwürdigem Verhalten Spaß"

Mit Schuldsprüchen gegen drei frühere Educon-Erzieher und mit einer Haftstrafe hat das Landgericht am Dienstag den Prozess um den Misshandlungs-Skandal von behinderten Kindern beendet. Es ging um eine Fülle massiver Übergriffe.

 Der Prozess fand unter großem Interesse der Medien statt (Archivbild).

Der Prozess fand unter großem Interesse der Medien statt (Archivbild).

Foto: Wulf Kannegießer

Von 2006 bis 2008 waren autistische Kinder in der inzwischen aufgelösten Kinder- und Jugendeinrichtung laut Urteil systematisch von Betreuern gequält, gedemütigt, angespuckt und "mit roher Gesinnung traktiert" worden. Dafür wurde die Ex-Gruppenleiterin (44) nun zu 32 Monaten Haft verurteilt. Zwei weitere Mitarbeiter, darunter ihr Mann (55), bekamen mit Bewährungsstrafen von 20 und 15 Monaten.

Kniffe, Beleidigungen, Quälereien: Richter schildert nur ein Schicksal

Mit der Schilderung einer bewegenden Einzelszene erinnerte die Vorsitzende Richterin an das Martyrium der damals 9 bis 15 Jahre alten Kinder in jener Einrichtung. Ein autistisches Mädchen war damals, wie von den Erziehern auf rund 200 Videostunden auch noch feinsäuberlich dokumentiert, von den Angeklagten bespuckt, verhöhnt, "bis zur Erschöpfung gequält", provoziert und danach mit Wasserspritzen in die Augen, die Nasenlöcher und Ohren "mit voller Wucht" gequält worden.

Dazu gehörte nach dem Verständnis der Angeklagten auch, dass die Gruppenleiterin das Kind noch gekniffen und gezwickt hat und ihr Mann dem Mädchen den Arm schmerzhaft umdrehte. Und doch hat das geschundene Mädchen dann die Hauptangeklagte laut Urteil "ganz ruhig angesehen und gesagt: Hilf‘ mir bitte!" Nach kurzer Pause ergänzte die Vorsitzende Richterin: "Keiner half ihr."

Urteil wirft den Angeklagten Sadismus vor

Hatten sich die Angeklagten seit Prozessbeginn im Juni 2016 vielfach darauf berufen, sie hätten den Kindern doch helfen wollen, hätten sie vor Schlimmerem (wie geschlossener Psychiatrie) zu bewahren versucht, hielt das Gericht dem im Urteil entgegen: "Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Und Idealismus schließt Sadismus nicht aus."

Denn auch darin waren sich die Richter sicher: "Die Angeklagten hatten an ihrem menschenunwürdigen Verhalten Spaß und genossen es! Sie wollten Schmerz und Leid zufügen." Der Staatsanwalt hatte für die Hauptangeklagte deshalb sogar vier Jahre Haft beantragt, für ihren Mann eine Haftstrafe von zwei Jahren. Die Richter urteilten deutlich milder. Und wegen überlanger Verfahrensdauer, die von den Angeklagten nicht verschuldet war, gelten je sechs Monate bei allen drei Verurteilen bereits als verbüßt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

(wuk)
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