Menschenkette Düsseldorf schweigt für Paris

Düsseldorf · Ob Rathaus, Institut français oder Schulen: Am Montagmittag stand das Gedenken im Zentrum. Luisen-Gymnasiasten bildeten eine Menschenkette.

 Die Schüler des Luisen-Gymnasiums in der Stadtmitte gedachten der Opfer mit einer Menschenkette.

Die Schüler des Luisen-Gymnasiums in der Stadtmitte gedachten der Opfer mit einer Menschenkette.

Foto: Hans-Jürgen bauer

Als die Kirchenglocken um 12 Uhr zu läuten beginnen, nehmen 680 Luisenschüler einander bei den Händen und schließen eine Menschenkette um ihre Schule an der Bastionstraße. Das Gymnasium hat einen zweisprachigen Bildungsgang, bietet neben dem Abitur auch das französische Baccalauréat an und hat schon deshalb eine enge Verbindung zu dem Nachbarland.

Die 15-jährige Jasmin ist erst am Wochenende zurückgekehrt. Sie war in Paris. Und sie hat am Freitagabend im Block H des Stadions das Länderspiel gesehen. "Als die erste Explosion zu hören war, dachten wir noch, es war ein Böller. Beim zweiten Knall war das schon anders." Jasmin, ihr Vater und ihre Schwester flüchteten sich mit anderen Menschen aufs Spielfeld, als in ihrem Block eine Panik entstand. Sorgen machte sie sich da noch nicht. Erst als ihre Mutter am Telefon von den Bombenanschlägen berichtete, bekam sie Angst. Fast die ganze Nacht brauchten sie, um zu Fuß ins Hotel zu kommen, weil der Weg zum Bus abgesperrt war. Jasmin wird diese Nacht wohl nie vergessen. "Es ist furchtbar, was da geschehen ist, und wenn man selbst dabei war, ist es noch einmal anders."

 Vor dem Institut français wurden den ganzen Tag über Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet.

Vor dem Institut français wurden den ganzen Tag über Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet.

Foto: Schaller,Bernd (bs)

Zur selben Zeit haben sich im Foyer des Rathauses rund 200 Menschen für eine Schweigeminute versammelt (sehen Sie hier das Video): Oberbürgermeister Thomas Geisel, zwei Bürgermeister, seine Beigeordneten, Vorsitzende von Ratsfraktionen. In den kleinen Raum, in dem das Kondolenzbuch ausliegt, sind die Farben der Trikolore projiziert. "Wir sind fassungslos, schockiert und wütend", schreibt Geisel als Erster in das Buch. "Aber wir lassen uns nicht einschüchtern."

Im Publikum ist auch der Düsseldorfer IG-Metall-Chef Nihat Öztürk. Er hat Tränen in den Augen, die Terroranschläge sind ihm nahegegangen: Sein Bruder lebt mit seiner Familie in der Nähe von Paris, erst vor zehn Tagen sei er selbst dort gewesen, sagt Öztürk. Von den Anschlägen habe er erst Samstagmorgen erfahren, als seine Schwester aus der Türkei ihn weinend angerufen habe. Sie konnte den Bruder in Frankreich nicht erreichen. Erst am Sonntag stellte sich heraus, dass er in Sicherheit, die Sorge um ihn aber nicht ganz unberechtigt war: "Er war mit meinem elfjährigen Neffen im Fußballstadion", sagt Öztürk.

"In tiefer Trauer und Verbundenheit mit dem französischen Volk", schreibt Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstätte, in das Kondolenzbuch. Auch viele Bürger tragen sich ein. So wie Roswitha Müller-Krüger. "Für mich ist das ein erster Schritt aus dieser Ohnmacht zurück in die Aktivität", sagt sie.

Auf den Stufen vor dem Institut français legen seit Samstag immer wieder Menschen Blumen ab, bringen Kerzen. "Mein Herz schlägt in Paris", hat einer auf einen Zettel geschrieben. Seit gestern liegt hier auch das offizielle Kondolenzbuch aus, und schon am Morgen kamen viele, um dort ihrer Anteilnahme Ausdruck zu verleihen. Die Mitarbeiter des tschechischen und des spanischen Konsulats haben sich eingetragen. Für den deutsch-französischen Wirtschaftsclub beten Manfred Bolin und Fabienne Kutscher-Puis für ein Ende des Schreckens in der Welt. "Wir fühlen mit den Parisern und unseren europäischen Mitbürgern."

Mareike und Hans-Jürgen hatten am Freitag in der Jazzschmiede ein wunderschönes Konzert erlebt, "Vive le Jazz", eine deutsch-französische Gemeinschaftsproduktion des Vereins "Jazz am Rhein". Umso mehr hat sie danach die Nachricht vom Geschehen in Paris getroffen. Im Kondolenzbuch versichern sie nun: "Die Freude an der Musik lassen wir uns nicht nehmen." Botschaften, die Mut machen sollen, finden sich häufig: "Wir lassen uns die Lebensfreude nicht nehmen!"- "Paris und die freie Welt sind ins Herz getroffen. Wir trauern - und wir stehen auf!" Und gleich mehrere Schreiber betonen: "Wir haben keine Angst."

An der Französischen Schule waren die Terror-Anschläge gestern vor allem auch Thema im Unterricht. "Unsere Lehrer sind angehalten, Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. Wann immer die Jungen und Mädchen reden wollen, soll es dafür eine Gelegenheit geben", sagt eine Mitarbeiterin der Schule an der Graf-Recke-Straße. Ein Teil der Schüler hat Verwandte und Freunde in Paris. Ob jemand aus dem Umfeld der Kinder und Jugendlichen betroffen ist, sei nicht bekannt. Auch ein Kondolenzbuch gab es laut Mitarbeiterin - zumindest bis gestern - nicht. Die Schule möchte keine Öffentlichkeit - "auch aus Sicherheitsgründen".

Gedenken Unter dem Motto "Wir lassen uns nicht einschüchtern" ruft der Deutsche Gewerkschaftsbund für morgen, 17 Uhr, zum Gedenken mit Blumen und Kerzen auf dem Burgplatz auf.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort