Düsseldorf Attac: Krise verzweifelt gesucht

Düsseldorf · Griechenland, freier Handel, Finanzkrise und zwischendurch hartgekochte Eier, die eigentlich "medium" sein sollten: Beim Frühstückstreff der Ortsgruppe von Attac geht es um die ganz großen Themen. Ein Ortstermin im Zakk.

 Das Frühstück von Attac zum G7-Gipfel in Deutschland: Es gab Kaffee, Käse und Obstsalat. Und es gab Erklärungen für Missstände in der Welt, für die in den allermeisten Fällen der Kapitalismus westlicher Prägung verantwortlich sein soll.

Das Frühstück von Attac zum G7-Gipfel in Deutschland: Es gab Kaffee, Käse und Obstsalat. Und es gab Erklärungen für Missstände in der Welt, für die in den allermeisten Fällen der Kapitalismus westlicher Prägung verantwortlich sein soll.

Foto: Andreas Bretz

Es ist nicht die dümmste Idee der "Fiftyfifty"-Verkäuferin, sich an diesem Morgen vor dem Zakk aufzustellen, und tatsächlich kaufen die Leute auch die Obdachlosenzeitung, natürlich nicht ohne ein nettes Wort und ein Lächeln. Denn hier offenbart sie sich ja, die soziale Ungleichheit, die Not in der "Bundesrepublik" wie Deutschland noch von ihnen genannt wird. Jeder Mensch gibt gern 50 Cent, um sein Weltbild bestätigt zu bekommen. Und ist nicht diese Frau hier auch ein Opfer der Mächtigen, der Bosse und der Politiker?

Um die soll es in den nächsten Stunden gehen, die Attac-Ortsgruppe hat ein Frühstück zum Thema G 7-Gipfel angesetzt. Der wird in diesem Jahr in Deutschland stattfinden, genauer auf Schloss Elmau, einem Luxushotel in den bayrischen Alpen - für eine Teilnehmerin des Frühstücks ein Sinnbild, dass sich die Politiker immer mehr von ihren Bürgern entfernen.

Nun könnte natürlich jemand einhaken und sagen, dass sich die mächtigsten Menschen der Welt schlecht in einer Kneipe beim Frühstück für 6,50 Euro treffen können, stattdessen aber wird der Beitrag mit wissendem Lächeln und Kopfnicken gewürdigt, ein Ausdruck der Zustimmung der zwischen den Anwesenden obligatorisch zu sein scheint. Ebenso wie Empörung durch ein "irgendwie-amüsiert-tun" zum Ausdruck kommt. Etwa wenn der Referent Thomas Eberhardt-Köster berichtet, dass es in und um Schloss Elmau wohl keine Zeltplätze für Protestler geben wird, weil Horst Seehofer den Landwirten geraten hat, ihre Weiden nicht an die zu vermieten.

"Stattdessen sollen sie sogar noch Gülle auf die Felder fahren", sagt Eberhardt-Köster. Die Leute tun eben irgendwie amüsiert, ohne es wirklich zu sein, ein Hauch von Zynismus füllt den Raum, hartgekochte Eier, die eigentlich medium sein sollten, werden geköpft, gepellt. "Ich hab neuerdings Post von der NPD im Briefkasten, ich bin ratlos, das hat es früher nicht gegeben", sagt eine Frau.

Es geht um die Krise und das transatlantische Handelsabkommen TTIP, gegen das sie hier alle sind, oh und, wie sie dagegen sind, "Freihandelsregime", nennt der Referent das. Wolfgang Schöll ist Ökonom, der seinen Doktortitel gern betont und nur Kaffee trinkt. Ein Jahr ist er nun bei Attac wegen "demokratischer Erwägungen". Vor allem sei die Umwelt- und Sozialpolitik durch TTIP bedroht, meint der Rentner, die Krise eben, erklärt er.

Wer einwirft, dass es ja gar nicht so schlimm sei, dass es den Menschen ja eigentlich ganz gut gehe, wird mit irgendwie-amüsiert-sein bestraft und einem Blick, der für ein Kind reserviert ist, das einen schweinischen Witz erzählt, ihn aber nicht versteht. "Ich sehe nur, dass die großen Konzerne mehr Macht bekommen", sagt eine Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Seit drei Jahren ist sie Mitglied bei Attac, seit sie in Rente ist, früher spielte sie das Fagott bei den Essener Philharmonikern. Sie sieht "die Schere immer weiter auseinanderklaffen", Reiche werden reicher, immer mehr Menschen werden arm und die Mittelschicht bricht weg. "Es gibt keine Gaußsche Normalfunktion mehr", sagt ein Mann am Nebentisch. Leider kommt er nicht mehr dazu, seinen Einwurf zu erläutern, Eberhardt-Köster will weitermachen, der Obstsalat ist verteilt.

Elmau wird kein zweites Heiligendamm, meint er, die Protestbewegungen können sich in diesem Jahr nicht einigen, er mäkelt ziemlich an den regionalen Vertretern in Bayern herum, dennoch soll auch aus Düsseldorf ein Bus nach Garmisch fahren. Ob Protestler aus ganz Europa anreisen, ob das Militär wieder die Grundrechte beschneidet, es seien in der Nähe ja auch Gebirgsjäger stationiert, wird er gefragt. Nein und nein, antwortet er, "aber wenn man militärisches Sperrgebiet betritt, können die ganz schön ungemütlich werden", fügt er hinzu. Die Teilnehmer plänkeln noch ein bisschen, über Steueroasen und die Griechen, denen man unbedingt helfen muss, unbedingt auch den Spaniern, die bald eine linke Regierung wählen, doch ist die Luft jetzt raus. Morgen ist Stammtisch, 18.30 Uhr geht die Krise weiter. Und draußen scheint auch die Sonne.

(RP)
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