Düsseldorf Auschwitz-Überlebender rührt Schüler

Düsseldorf · In einem Film haben die Zwölftklässler des Lycée français die Eindrücke ihres Besuchs in dem Konzentrationslager festgehalten. Zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz sprachen sie mit dem Überlebenden Gilbert Salomon.

 Gilbert Salomon erzählte den Schülern des Lycée français von seiner Zeit im Konzentrationslager Auschwitz.

Gilbert Salomon erzählte den Schülern des Lycée français von seiner Zeit im Konzentrationslager Auschwitz.

Foto: Schaller

Die Grausamkeiten der Nationalsozialisten gehören seit Jahrzehnten zum Lehrplan an den Schulen in Deutschland. Das Lycée français bildet da keine Ausnahme. Doch statt mit Geschichtsbuch und TV-Dokumentationen beschäftigten sich die Schüler der zwölften Klasse jetzt auf eine ganz andere Art mit dem Thema: Mit ihrem Geschichtskurs besuchten sie das Konzentrationslager Auschwitz und drehten einen Film über ihre Eindrücke.

Zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz stellten sie ihn nun in der Mensa der Schule vor. Mit dabei war auch ein ganz besonderer Gast: Gilbert Salomon, Großvater von einem der Schüler des Lycée, gehört zu den wenigen Überlebenden von Auschwitz und hat die Befreiung des Lagers durch die Rote Armee miterlebt. Erstmals sprach er vor Publikum über die damaligen Ereignisse.

So wollten die Schüler zum Beispiel wissen, wie er die Zeit in dem Konzentrations- und Vernichtungslager überleben und überhaupt ertragen konnte. "Ich habe es nur geschafft, weil ich mir immer wieder gesagt habe, dass ich nicht in Auschwitz bin und dass ich es auf jeden Fall nach Frankreich zurückschaffen werde.

Der Gedanke war immer in meinem Kopf", sagte Salomon. Und tatsächlich gelang ihm als Einzigem der 11 000 inhaftierten Franzosen die Rückkehr in seine Heimat. Während Salomon sprach, herrschte absolute Stille im Saal. Gebannt verfolgten die Schüler und deren Eltern die Schilderungen des Zeitzeugen.

Außer ihm sprachen mit den Schülern auch der Autor Hermann Spix und Michael Szentei-Heise von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Sie und Salomon waren sich einig, dass ein Völkermord wie der der Nationalsozialisten an den Juden zwar nie wieder geschehen dürfe, aber trotzdem auch in der heutigen Zeit noch denkbar sei. "In Deutschland sehe ich die Gefahr derzeit nicht, denn es geht uns wirtschaftlich relativ gut. Aber das ist eben nicht überall so, und deshalb glaube ich, dass es möglich ist", sagte Szentei-Heise.

Durch ihren Besuch in Auschwitz und das abschließende Gespräch mit Gilbert Salomon hat sich auch der Blick der Schüler auf die Geschehnisse verändert: "Natürlich kannten wir Auschwitz schon aus dem Unterricht. Wir haben das schon mehrfach in Geschichte und in Deutsch durchgenommen. Aber dass dort so viele Menschen umgebracht wurden, ist schwer vorstellbar, wenn man diesen Ort nicht gesehen hat", erzählte der 17-jährige Frederic, einer der Schüler, die mit auf der Fahrt nach Polen waren. Besonders erschreckt habe ihn, wie perfekt organisiert und gleichzeitig grausam das Lager gewesen sei. "Als wir in Auschwitz waren, hat es sich nicht wirklich anders für mich angefühlt. Aber als wir zurück waren und ich erst einmal all das verarbeiten konnte, was ich dort gesehen hatte, wurde das Grauen viel spürbarer", sagte Frederics Mitschülerin Sabrina.

Nicht nur inhaltlich den Unterrichtsstoff vermitteln, sondern ihn erfahr- und begreifbar zu machen, war auch das Ziel von Geschichtslehrerin Annick Berthod. Das zweite Mal ist sie nun mit Schülern in das Konzentrationslager gefahren und sagt: "Das gehört für mich zu der Erziehung der Schüler als mündige Bürger hier in Europa dazu."

Auschwitz - Gedenkfeier zum 70. Jahrestag der Befreiung
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Auschwitz - Gedenkfeier zum 70. Jahrestag der Befreiung

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Auschwitz 70 Jahre nach der Befreiung
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Auschwitz: Bilder vom Ort des Verbrechens

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Foto: RP/Sebastian Fuhrmann

Wie viel Eindruck ihr Ausflug und die rund anderthalbjährige Vorbereitung auf die Schüler gemacht haben, wurde auch bei der Präsentation ihres Films deutlich: Er zeigt Bilder aus dem Stammlager von Auschwitz und aus dem Vernichtungslager Birkenau, unterlegt mit klassischer Musik. Der Film dauert etwa fünf Minuten. Nach der Vorführung herrschte Stille im Saal, anders als sonst bei Projektpräsentationen gab es keinen Applaus. Bei Auschwitz sagt das Schweigen alles.

(lai)
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