Ermittlungen gegen Ärztin Baby nach Stammzelltherapie tot

Düsseldorf · Seit knapp einem Jahr pilgern Menschen aus aller Welt nach Düsseldorf ins XCell-Center. Dort versprechen sie sich Heilung durch bis zu 18.500 Euro teure Stammzelltherapien. Nach fatalen Fehlbehandlungen wurde der erste Todesfall bekannt. Nun wird die Methode nicht mehr angewendet.

Stammzelle: Was ist das?
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Foto: ddp

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ermittelt gegen eine ehemalige Ärztin der Firma XCell wegen fahrlässiger Tötung. Der Frau wird vorgeworfen, für den Tod eines eineinhalbjährigen Jungen verantwortlich zu sein. Das Baby bekam bei einer Operation Stammzellen ins Gehirn gespitzt, kollabierte und starb Stunden später in der Kinderneurochirurgie der Helios-Klinik in Krefeld.

Darüber hinaus sollen noch bei zwei weiteren Kindern Komplikationen aufgetreten sein, als sie bei XCell der umstrittenen Stammzellentherapie unterzogen wurden. Ihre Räume hat die Firma im Dominikus-Krankenhaus in Heerdt. Die betroffene Ärztin, so sagte gestern der XCell-Anwalt Ralf Friedhofen der Rheinischen Post, arbeitet inzwischen nicht mehr für das Unternehmen.

Spritze ins Gehirn gesetzt

Für Michael Sabel, leitender Oberarzt der Neurochirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Düsseldorf, ist der Tod des kleinen Jungen eine Katastrophe. Ihm ist das Institut schon länger ein Dorn im Auge, denn vor dem Tod des Babys, das von seinen Eltern aus Italien nach Düsseldorf gebracht worden war, musste er bereits im Frühjahr und Sommer zwei weitere fehlgeschlagene Fälle von XCell übernehmen: "Es handelte sich um zwei Jungs aus Aserbaidschan beziehungsweise aus dem Irak", sagt der Mediziner.

Beide litten unter epileptischen Anfällen und waren in ihrer Entwicklung stark verzögert — für die Eltern sei XCell der hoffnungsvolle Strohhalm gewesen, so Sabel. Doch die Therapie brachte die Kinder — zehn und zwölf Jahre alt — beinahe ins Grab. Nur durch eine Notoperation in der Uniklinik konnten sie gerettet werden. Einer der beiden Jungen sitzt nun im Rollstuhl — die Eltern haben XCell verklagt.

Dass das verstorbene Baby nicht nach Düsseldorf, sondern nach Krefeld gebracht wurde, ist für Sabel unverantwortlich: "Die Firma wollte einen dritten Fehlschlag wohl vertuschen und hat deshalb lieber eine längere Anfahrt in die Nachbarschaft riskiert. Vielleicht hätten wir dem Jungen noch helfen können." XCell selbst machte hierzu gestern keine Aussagen. Anwalt Friedhofen verwies auf die "laufenden Ermittlungen".

Generell warnen aber seriöse Stammzellforscher wie Hans Robert Schöler vom Max-Planck-Institut in Münster vor diesen Behandlungen. Die Verfahren seien völlig experimentell, die Wirkung unbelegt und nicht ausreichend erforscht. Trotzdem hoffen Millionen von Schwerkranken auf neueste Errungenschaften aus der Stammzellforschung. Doch die Aussicht auf komplette Heilung ist laut Experten noch Zukunftsmusik. "Fragwürdige Institute wie XCell versuchen bereits jetzt, Kapital aus den Hoffnungen dieser Menschen zu schlagen", erklärt Sabel. Dahinter stecke reine Profitgier — so kosten Behandlungen in Düsseldorf rund 18 500 Euro.

Während bislang Unternehmen dieser Art in China, Russland oder Thailand vertreten waren, gesellte sich vor knapp einem Jahr XCell als einzige deutsche Anlaufstelle dazu, die neben Düsseldorf noch eine weitere Dependance in Köln unterhält.

Das Problem bislang: XCell bewegte sich in einer gesetzlichen Grauzone. Denn bisher waren Stammzelltherapien auch ohne Zulassung bei der europäischen Arzneimittelbehörde möglich. Bis 2012 besteht in Deutschland eine Übergangsregelung, um diese Zulassung zu beantragen. Eine Lücke, die XCell bislang für sich zu nutzen wusste.

Dort komme die umstrittene Methode derzeit nicht mehr zur Anwendung, sagte Rechtsanwalt Friedhofen. Bis zum Tod des Kindes, das schwer behindert war, wurden in Düsseldorf 100 vergleichbare Eingriffe vorgenommen.

(RP)
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