Robert Davis berät Hörgeschädigte Bankberatung ohne Worte

Düsseldorf (dto). Die Stimmen im Telefonhörer wurden immer leiser. Immer öfter musste Robert Davis nachfragen, ob der die Zahlen richtig verstanden hatte. Nachts schlief der damalige Börsenmakler schlecht, weil er sich nicht sicher war, ob er die Millionensummen richtig an die Börse durchgegeben hatte. Als sein Gehör immer schwächer wurde, ging der gebürtige Brite zum Arzt. Dort wurde vor rund zehn Jahren ein so genanntes Cholesteatom festgestellt. Die Sonderform der chronischen Mittelohrentzündung greift die Ohrknochen an und kann zu einem deutlichen Verlust des Hörvermögens führen. Davis wurde sieben Mal operiert, erlitt aber nach der letzten Operation einen Hörsturz. Seitdem ist er auf dem rechten Ohr taub, auf dem linken hat er nur noch 30 Prozent Hörvermögen - Tendenz fallend.

"Ich hatte Angst, meine Familie und meinen Arbeitgeber über meine Krankheit zu informieren", sagt der 47-Jährige rückblickend. Doch er begann seine Behinderung zu akzeptieren, lernte die Gebärdensprache und machte aus der Not eine Tugend. Er überzeugte seine Chefs bei der Dresdner Bank an der Düsseldorfer Königsallee, spezielle Kundenberatung für Hörgeschädigte anzubieten. Seit gut einem Jahr ist er nun Deutschlands einziger Bankberater, der Hörgeschädigte in Gebärdensprache berät.

"Hörgeschädigte sind sehr vorsichtig, vor allem im Umgang mit Geld und Versicherungen. Deshalb ist die Beratung vor allem Vertrauenssache", erklärt Davis. Bei Gesprächen mit hörenden Beratern müssen Hörgeschädigte immer einen Dolmetscher bestellen. Doch aus Mangel an Übersetzern kann das vier bis sechs Wochen dauern. "Bei mir brauchen sie keinen Dolmetscher, das macht die Kommunikation einfacher und bricht schneller das Eis", sagt er im breiten englischen Akzent. Inzwischen hat sich seine Tätigkeit bundesweit herumgesprochen - und Davis wird nun immer wieder zu anderen Filialen der Dresdner Bank zu Gesprächen mit Gehörlosen geholt. Zur Kommunikation mit seinen auswärtigen Kunden nutzt er daneben vor allem E-Mails, SMS oder sein Bildtelefon, an dem er sich auch per Gebärdensprache unterhalten kann.

Dabei ist die Verständigung nicht immer einfach. Denn zum einen müssen immer wieder Fachausdrücke wie "Riester-Rente" überhaupt erst in Gebärdensprache gebildet und anschließend den Kunden erklärt werden. Zum anderen benutzen die Betroffenen für manche Wörter unterschiedliche Zeichen und Gesten. Und schließlich "gebärden" Bayern anders als Berliner und selbst Kölner anders als Düsseldorfer. So heißt in der Landeshauptstadt das Zeichen für "Düsseldorf" in Köln "Donnerstag".

Davis kennt sich natürlich nicht in allen Fachbereichen der Bank aus. "Wenn es etwa um ein Bauspardarlehen geht, maile ich die Fragen des Kunden an meine Kollegen weiter oder hole sie zum Gespräch dazu und übersetze dann die Lautsprache in Gebärdensprache", erklärt er. Die Kollegen in der Filiale in der Königsallee passen dabei ihr Verhalten an seine Behinderung an. So lernen viele selbst einzelne "Gebärden", um für Hörgeschädigte etwa einen Termin bei Davis zu vereinbaren. Im direkten Gespräch mit Davis dürfen sie zudem nicht undeutlich sprechen oder die Hand vor den Mund halten. Sonst zeigt er ihnen eine gelbe und bei weiteren "Verstößen" die rote Karte: Er dreht sich um und geht.

Das Engagement des passionierten Sportlers und Anglers geht dabei oft über das Büro hinaus. So hilft er hörgeschädigten Kunden auch schon mal beim Autokauf oder bei Gesprächen mit Versicherungen. Außerdem wirbt er in Schulen und auf Seminaren und Vorträgen für mehr Akzeptanz der Hörgeschädigten in der Gesellschaft und bessere Jobchancen. So fährt er mit seiner Puppe "Willi" zu Grundschulklassen und bringt ihnen das Alphabet in Gebärdensprache bei. So könnten später Barrieren im Alltag für die Behinderten abgebaut werden, erklärt er.

(afp)
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