Jan Zocha kann's nicht lassen Bankräuber baut Bombe in Haft

Düsseldorf · Robert Dammann, der Chef der Justizvollzugsanstalt in Bielefeld, wirkt zerknirscht. "Vier Jahre haben wir supergut auf den aufgepasst", sagt der 58-Jährige. "Wir kannten ja seine Vorgeschichte. Und dann ist trotzdem so was passiert – uns kamen die Dosen in der Zelle unverdächtig vor."

 Am Mittwoch soll das Urteil gegen Jan Zocha fallen.

Am Mittwoch soll das Urteil gegen Jan Zocha fallen.

Foto: Polizei Düsseldorf

Robert Dammann, der Chef der Justizvollzugsanstalt in Bielefeld, wirkt zerknirscht. "Vier Jahre haben wir supergut auf den aufgepasst", sagt der 58-Jährige. "Wir kannten ja seine Vorgeschichte. Und dann ist trotzdem so was passiert — uns kamen die Dosen in der Zelle unverdächtig vor."

Dammann redet über den Häftling Jan Zocha. Der "König der Bankräuber" war wegen 14-fachen Banküberfalls zu zwölf Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Der Chef der "MP-Bande" saß im Haus sechs, dem Hochsicherheitstrakt der JVA Bielefeld, ein. Bis zum 8. Februar dieses Jahres.

Es ist kurz nach sechs, als zwei JVA-Bedienstete dem Häftling das Frühstück bringen. Zocha überrascht die beiden, schleudert ihnen kochendes Wasser ins Gesicht. Offenbar versucht der Bankräuber, sie als Geiseln zu nehmen. Doch der Plan schlägt fehl. Einer der Bediensteten wird nicht richtig getroffen. Zocha rutscht aus, zieht sich schließlich in seine Zelle zurück. Dort droht er: "Lasst mich raus. Sonst zünde ich eine Bombe!" Tatsächlich kommt es in der Zelle zu einer Verpuffung. Der Sprengsatz explodierte offenbar unbeabsichtigt in Zochas Hand. Der Häftling ist schwer verletzt und lässt sich ohne Gegenwehr überwältigen. Bei der Durchsuchung der Zelle finden Experten weitere Sprengsätze in Mehl- und Zuckerdosen, die die JVA-Mitarbeiter für harmlose Lebensmittelbehälter gehalten hatten. Ein Gutachten des Landeskriminalamts in Düsseldorf kommt jetzt zu dem Ergebnis, dass in den Bomben Nitrozellulose, ein Treibladungspulver, das auch in Schrotpatronen verwendet wird, enthalten war. Jetzt ermittelt die Bielefelder Staatsanwaltschaft. Wie konnte die Chemikalie in den Hochsicherheitstrakt gelangen?

Zocha war nach Bielefeld verlegt worden, nachdem ihm 2004 fast die Flucht aus dem Justizvollzugskrankenhaus im sauerländischen Fröndenberg geglückt wäre. Dort hatte er das Zellengitter mit Diamantfeilen zersägt und die meterhohe Außenmauer erklommen, auf der er in letzter Sekunde gestellt wurde. Bis heute ist ungeklärt, wie Zocha an die Feilen gelangte.

Fahnder spekulieren, dass Zocha auch bei seinem jüngsten Ausbruchsversuch Helfer hatte. In Bielefeld wurde der Serientäter von seinen Mithäftlingen isoliert, hatte nur Kontakt zu JVA-Mitabeitern. Privaten Besuch erhielt er nie. Lediglich seine Anwälte sprachen mit ihm in der JVA.

Weil Zocha als besonders gefährlich eingestuft wurde, wurden die Gespräche zwischen ihm und seinen Anwälten zunächst nur durch eine Trennscheibe erlaubt. Doch die Verteidiger legten dagegen Widerspruch ein und bekamen vom Oberlandesgericht Recht. "Ab 2006 fanden die Gespräche ohne Trennscheibe statt", sagt JVA-Leiter Dammanns. 2007 wurde Zocha für drei Monate nach Düsseldorf verlegt, weil seine Zelle in Bielefeld renoviert wurde.

Von der Beute aus den Bankrauben ist ein erheblicher Teil nie aufgetaucht. Möglich, dass Zocha potenziellen Helfern finanzielle Versprechungen macht. Der 41-Jährige gilt als hochintelligent und als extrem abgebrüht.

Ein Sprecher des Justizministeriums erklärte, man sei sehr daran interessiert, "genau aufzuklären, wie ein Straftäter im Gefängnis in den Besitz von Sprengstoff" gelangen kann. Monika Düker, Innen-Sprecherin der Grünen, verlangte gestern eine Stellungnahme des Ministeriums im Rechtsausschuss. "Der Fall ist hochbrisant", sagte Düker. "Die skandalösen Sicherheitslücken müssen geschlossen werden."

(RP)
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