Bombenentschärfung Bei der Bahn herrschte Chaos

Düsseldorf · Zwischen der Landeshauptstadt und dem Ruhrgebiet standen gestern für mehr als eine Stunde alle Züge still. Am Düsseldorfer Hauptbahnhof suchten die Reisenden verzweifelt nach Hinweisen, wann und wo sie einen neuen Anschluss finden.

 Rund um das Mörsenbroicher Ei bildeten sich wegen der Straßensperrung lange Autoschlangen.

Rund um das Mörsenbroicher Ei bildeten sich wegen der Straßensperrung lange Autoschlangen.

Foto: RP, Thomas Busskamp

Ausnahmezustand am Hauptbahnhof: Weil die Strecke Düsseldorf-Duisburg wegen einer Bombenentschärfung in Mörsenbroich gestern zwischen 10.50 Uhr und 12.08 Uhr gesperrt war, leitete die Bahn dutzende Züge um. Rund 20000Passagiere, so schätzt Bahnmanager Jörg Seelmeyer, waren von dem Ausfall der hoch frequentierten Verbindung betroffen.

Die umgeleiteten Bahnen hatten durchschnittlich 30 Minuten Verspätung und kamen auch teilweise auf anderen Gleisen an als ursprünglich vorgesehen. Doch weil auf den Anzeigen lediglich "Ansage beachten" stand, die nicht jeder verstand, herrschte weitgehend Verwirrung auf den Bahnsteigen. Besonders prekär: Wer vom Bahnhof zum Flughafen wollte, musste auf Bus oder Taxi umsteigen.

Auch im Straßenverkehr sorgte die Bombenentschärfung für erhebliche Verspätungen. Auf der A52, die ab dem Kreuz Düsseldorf-Nord gesperrt war, standen die Autos über drei Kilometer, in den Seitenstraßen des ebenfalls geräumten Mörsenbroicher Eis ging für eine Stunde nichts mehr. Fünf Buslinien umfuhren das Gebiet großräumig. Bis zum Nachmittag lösten sich die Staus wieder weitgehend auf.

Die Ursache für das Chaos im Verkehr wiegt 250 Kilogramm, stammt aus dem Zweiten Weltkrieg und lag 60 Zentimeter unter dem Gehweg eines Schrebergartens. Die Bewohnerin hatte die britische Fliegerbombe am Dienstag entdeckt, als sie eine Wasserleitung grub. Damit Sprengmeister Peter van Eck und sein Team den Sprengsatz gestern entschärfen konnten, evakuierte der Ordnungs- und Sicherheitsdienst die Kleingartensiedlung. Da in dieser Sicherheitszone nur rund 100 Menschen leben, fiel der Aufwand gering aus. Sanitäter fuhren lediglich zwei Anwohner in die Anlaufstelle außerhalb des Gefahrengebietes.

Das für den Entschärfer heikelste Teil der Bombe ist der Zünder, weil er auch nach mehr als 60Jahren den Sprengstoff zur Detonation bringen kann. Deshalb montierte der Sprengmeister einen Motor an den Zünder, der ihn gleichmäßig und ohne Ruckeln mit fünf Umdrehungen aus dem Gewinde holt. Das klappte gestern nur bedingt. Durch den Aufschlag hatte sich das Gewinde so verzogen, dass der Sprengemeister den Motor ein zweites Mal ansetzte, bevor er den Zünder von der Bombe trennte. "Eine harte Nuss", kommentierte van Eck.

Als seine Kollegen die Bombe auf einen Lkw verluden und dort festschnallten, um sie zur Zerlegestelle bei Detmold zu bringen, endete auch die Ruhe über der Kleingartensiedlung. Die ersten neugierigen Nachbarn tauchten auf, die ersten Autos rasten wieder über die A 52 und der erste Schnellzug rauschte Richtung Ruhrgebiet.

Die betroffenen Bahn-Reisenden hatten sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht beruhigt. "Das ist für viele natürlich ein Riesenproblem, aber wir können nichts dafür, dass die Engländer hier eine Bombe abgeworfen haben", sagte Bahnmanager Seelmeyer. Die Bahn tue alles, um die Passagiere schnell und umfassend darüber zu informieren, wann und ob ihre Züge über alternative Strecken fahren.

Genau das sahen viele Kunden anders. "Kein Mensch weiß, ob mein Zug fährt oder nicht. Über die Ansage erfahre ich auch nichts", schimpfte Wenke Ölbracht, nachdem sie den "Service Point" verlassen hatte, ohne schlauer zu sein. Der Bahn-Mitarbeiter hob entschuldigend die Arme. "Bei den vielen betroffenen Zügen dauert es, bis wir für jeden einzelnen wissen, wann und wo er fährt."

"Das ist das reinste Chaos", fasste Marita Opitz den Eindruck vieler Fahrgäste zusammen. Bahnsprecher Gerd Felser wies die Kritik zurück: "Wir haben die Kunden im Vorfeld ausführlich über die Änderungen der einzelnen Linien informiert. Dass es zwischen Düsseldorf und Duisburg zwischenzeitlich ein Loch gibt, war also hinreichend bekannt."

(RP)
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