Düsseldorf Besuch in den Hochburgen der Parteien

Düsseldorf · Die Volksparteien CDU und SPD haben auch in Düsseldorf viele Wähler verloren. Es gibt aber auch noch Stadtteile, in denen sie stark sind. Und die liegen fast nebeneinander: Kalkum und Lichtenbroich.

 Im bürgerlichen Kalkum im Norden der Stadt holte die CDU die meisten Zweitstimmen in Düsseldorf: 44,2 Prozent.

Im bürgerlichen Kalkum im Norden der Stadt holte die CDU die meisten Zweitstimmen in Düsseldorf: 44,2 Prozent.

Foto: Endermann Andreas

Es geht geschäftig zu am Freitagvormittag im Einkaufszentrum in Lichtenbroich: Eine Mutter mit Kinderwagen kommt gerade aus dem Supermarkt, zwei junge Männer laufen mit Brötchtentüte die Straße entlang und Kinder, die das Glück hatten, schon früh schulfrei zu haben, schlängeln sich an zu langsam Laufenden vorbei. Das hier, also Lichtenbroich, ist Hochburg der SPD: Bei der Bundestagswahl holte die Partei 29,5 Prozent der Zweitstimmen. Das ist Bestwert im gesamten Stadtgebiet. Woran liegt das?

 Das Einkaufszentrum von Lichtenbroich. Das Viertel ist eine der acht SPD-Hochburgen.

Das Einkaufszentrum von Lichtenbroich. Das Viertel ist eine der acht SPD-Hochburgen.

Foto: Andreas Endermann

Das sei hier eben eine alte Arbeitersiedlung, sagt ein älterer Herr, der gerade mit dem Fahrrad unterwegs ist. "Früher, als Lichtenbroich entstanden ist, haben hier nur Arbeiter mit ihren Familien gelebt. Die waren im Mercedes-Werk beschäftigt", sagt er. Und wer noch hier lebe, der sei auch noch SPD-Wähler. Aus Tradition. Der 75-Jährige lebt seit den 60ern in Lichtenbroich. Damals sah der Stadtteil im Norden ganz anders aus, ländlicher. "Als ich klein war, gab es nur ein paar Bauernhäuser hier, der Rest war Feld", sagt Gisela Jüttner. Sie lebt im benachbarten Unterrath, kennt Lichtenbroich aber gut. Dann seien die ersten Siedlungen entstanden, für Mitarbeiter von Mercedes oder von der Post, die im Stadtteil auch Häuser kaufte. Einige Alteingesessene aus dieser Zeit gebe es noch, "ein Großteil der Anwohner arbeitet heute am Flughafen", sagt Jüttner.

Der Flughafen - er ist meist mehr Fluch denn Segen für die Lichtenbroicher. Auf dem Weg in den Stadtteil reiht sich Parkfirma an Parkfirma, Urlauber stellen bei ihnen ihre Autos für die Zeit der Reise ab. Wer keinen Parkservice bezahlen möchte, steht im Stadtteil - ein Ärgernis für die Bürger. Außerdem haben sich unter anderem wegen der Nähe zum Airport viele Firmen dort niedergelassen, es gibt mehr Gewerbe- als Wohnfläche. Das engt das Viertel mit den rund 6000 Einwohnern ein.

Auf der anderen Seite des Flughafens liegt der Stadtteil Kalkum: Die dörflichen Straßen des nur knapp 2000 Einwohner zählenden Stadtteils sind am Vormittag verwaist, die Auffahrten der kleinen und großen Einfamilienhäuser leer, die Bewohner unterwegs, arbeiten oder einkaufen. Es ist ruhig, ordentlich, in einem der Gärten wird der Rasen gemäht. An einer Einfahrt ist ein Schild angebracht "Betteln und hausieren verboten", steht dort in verschnörkelter Schreibschrift. Es ist niemand da, um zu betteln oder zu hausieren.

Kalkum ist Hochburg der CDU. Hier gaben rund 44,2 Prozent der Wähler ihre Zweitstimme der Union, das ist Spitze in Düsseldorf. "Die Menschen hier leben in soliden Verhältnissen. Die wollen sie beibehalten, deshalb wählen sie die Partei, die für diesen Erhalt steht", sagt Elisabeth Brackmann. Sie lebt seit 35 Jahren in Kalkum und hat ihr Kreuz für die Union gemacht. "Obwohl ich finde, dass Angela Merkel langsam aufhören sollte", sagt sie.

Nicht ganz zufrieden mit der Politik ist auch der 75-Jährige in Lichtenbroich: "Natürlich habe ich mein Kreuz bei der SPD gemacht. Ich bin durch und durch ein SPD-Mann", sagt er. Aber die Sozialdemokraten hätten auch viel falsch gemacht in den vergangenen Jahren. Einige Defizite machten sich auch in seinem Stadtteil bemerkbar: "Die Mietpreisbremse hat doch überhaupt nicht funktioniert. Nicht einmal hier ist es noch günstig", sagt er. Altersarmut sei ebenso ein Thema, die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin habe ihn verärgert. Doch mit der Politik sei es eben wie mit Fortuna: Da höre man auch nicht auf, Fan zu sein, nur weil die Mannschaft etwas falsch mache.

Der Zuzug der Flüchtlinge ist in der Tat ein großes Thema in Lichtenbroich, gut 860 Asylbewerber leben in dem Stadtteil in drei Unterkünften. Die einzige Grundschule am Ort hat ihre Kapazitätsgrenze erreicht. Protest und Unmut waren vor allem zu Beginn der Flüchtlingskrise groß, inzwischen ist das etwas abgeebbt. Die Schere zwischen arm und reich, sie ist im Stadtteil kleiner als anderswo in Düsseldorf. "Hier leben auch viele Menschen, die Hartz IV beziehen", sagt Bezirksbürgermeister Ralf Thomas (SPD). Er glaubt, dass diese Sozialstruktur in Kombination mit Traditionswählern aus alten Zeiten zum Erfolg der SPD beitrage. "Früher waren wir aber mehr gefragt." Im Vergleich zu 2013 hat die SPD im Viertel rapide verloren: Damals erhielt sie noch 35,9 Prozent der Stimmen. Die AfD aber hat hinzugewonnen: von 4,2 auf 13,5 Prozent. In Kalkum hat die CDU ebenfalls früher besser abgeschnitten: Mehr als die Hälfte der Stimmen erhielt sie 2013. Die FDP legte dafür gewaltig zu. Insgesamt, so scheint es, sind die Menschen im gut situierten Kalkum (die Beschäftigungsrate ist hoch, das Einkommen ebenfalls) zufrieden.

Deshalb zieht es auch neue Nachbarn ins Viertel: An einer Straße steht ein Baukran, ein hübsches großes Haus entsteht. In Lichtenbroich baut die Genossenschaft. Zwei Viertel, zwei Geschichten.

(lai)
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