Düsseldorf Blinde fahren mit Sehenden Fahrrad

Düsseldorf · Der Verein Weiße Speiche organisiert Radtouren für Blinde. Mit dem Tandem geht es zusammen durch die Stadt und das Umland. Zwischen vielen Beteiligten sind enge Freundschaften entstanden.

 Die Tandemgruppe "Weiße Speiche" um Gerd Kozyk (2.v.l.) und Wolfgang Anft (rechts vorne) vor dem Start zu einer Radtour.

Die Tandemgruppe "Weiße Speiche" um Gerd Kozyk (2.v.l.) und Wolfgang Anft (rechts vorne) vor dem Start zu einer Radtour.

Foto: Dietrich Janicki

"Weiße Speiche" - die Bezeichnung soll die gedankliche Verbindung zum weißen Blindenstock herstellen - bedeutet gemeinsames Fahrradfahren blinder und sehbehinderter Menschen mit sehenden. Vorne auf dem Tandem sitzt der - gut sehende - Pilot, hinten tritt der Blinde oder Sehbehinderte in die Pedale.

Bundesweit gibt es den Verein "Weiße Speiche" bereits seit den 1980er Jahren, zunächst in Frankfurt, später in vielen weiteren deutschen Städten. In Düsseldorf entstand die Tandemgruppe vor zehn Jahren auf Initiative des Augenarztes Wolfgang Anft. "Ich bin immer schon sehr gern mit dem Fahrrad unterwegs gewesen und hatte damals gehört, dass es in Langenfeld bereits eine solche Gruppe gab", erzählt Anft. Da er in seiner Praxis von seinen blinden und sehbehinderten Patienten häufig auf die Weiße Speiche angesprochen wurde und viele sich auch in Düsseldorf eine Gruppe wünschten, entschloss er sich, die Initiative zu ergreifen. Beim Blinden- und Sehbehinderten-Verein Düsseldorf stieß er mit seiner Idee sofort auf großes Interesse. "Er rannte sozusagen offene Türen ein", berichtet Gerd Kozyk, damals noch Vorsitzender des Vereins und selbst seit vielen Jahren fast blind. "Unsere Mitglieder hatten mich schon häufig gefragt, ob wir nicht auch in Düsseldorf eine Tandemgruppe aufbauen könnten." Mit Unterstützung des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Düsseldorf und Erkrath sowie zahlreicher Spenden wurde die Gruppe dann 2006 gegründet.

Heute hat sie rund 30 Mitglieder, zur Hälfte blinde und sehbehinderte Menschen und zur Hälfte Piloten, Kurt Meyer ist seit fünf Jahren einer von ihnen. "Ich wollte mich schon lange sozial engagieren und habe dann zufällig einen Flyer der Weißen Speiche gesehen", antwortet er auf die Frage, wie er denn zu diesem Ehrenamt gekommen sei. Es geht ihm inzwischen aber längst nicht mehr nur um soziales Engagement. Die Tandemtouren machen ihm selbst mindestens genauso viel Spaß wie seinem blinden Mitfahrer Peter Jödecke. Die beiden sind seit rund zwei Jahren ein eingespieltes Team und verstehen sich sehr gut. Die Chemie zwischen den beiden Tandemfahrern sollte schon stimmen, so Jödecke, denn der Blinde müsse großes Vertrauen zu seinem Piloten haben. Und das klappe einfach besser, wenn man sich gut miteinander verstehe.

Von Mai bis Oktober startet die Gruppe alle vier Wochen samstags zu einer rund 40 Kilometer langen Tagestour mit unterschiedlichen Zielen. Mal geht es beispielsweise nach Zons, ein anderes Mal in den Südpark, wobei der Pilot auch immer ein wenig als "Fremdenführer" unterwegs ist und seinem blinden Begleiter die Landschaft beschreibt, durch die sie gerade gemeinsam radeln. Und weil der Spaß im Vordergrund stehen soll, werden während einer Tour immer mehrere Pausen eingelegt, gern kehren die Radler zum gemeinsamen Essen in der einen oder anderen gemütlichen Gaststätte ein. Die Gruppe verfügt übrigens über einige eigene Tandems, die von den Mitgliedern kostenlos genutzt werden können, manche haben sich inzwischen aber auch privat Räder angeschafft.

In den "radelfreien" Monaten, also von November bis April, trifft sich die Gruppe einmal im Monat samstags zum Stammtisch, dann sind oft Familienangehörige dabei. Wer Lust hat, kann an kleinen Wanderungen, beispielsweise durch den Grafenberger Wald, teilnehmen. Längst sind zwischen Piloten und Mitfahrern Freundschaften und einmal sogar eine Ehe entstanden.

(RP)
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