Unternehmensberaterin Judith Ries "Working Moms" - So klappt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Düsseldorf · Die Unternehmensberaterin und Vorsitzende des Netzwerks "Working Moms" Judith Ries spricht im Interview über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Wichtigkeit, das "Job-Sharing" zu fördern.

 Judith Ries ist Mutter von zwei Töchtern und arbeitet als Unternehmenberaterin für den Mittelstand.

Judith Ries ist Mutter von zwei Töchtern und arbeitet als Unternehmenberaterin für den Mittelstand.

Foto: Andreas Endermann

Als ich darüber sprach, dass ich ein Interview plane über Frauen, die Mütter sind und Karriere machen, da gab es direkt eine Diskussion zwischen zwei männlichen Kollegen, die schnell hitzig wurde. Erleben Sie das häufiger?

Ries Offen zumindest nicht. Es kann sein, dass Leute sich hinter unserem Rücken darüber mokieren, aber direkt damit konfrontiert werden wir nicht. Allerdings erlebt man es schon einmal, wenn man mit älteren Unternehmern im Mittelstand arbeitet, dass die ganz offen sagen: "Was machen Sie hier? Sie gehören doch zu den Kindern." Sie haben eben ein anderes Familienmodell. Solche Reaktionen kommen vor, aber sie nehmen ab. Wir haben gemerkt, dass die Akzeptanz zunimmt.

Mit heftiger Ablehnung von Karrierefrauen mit Kindern reagieren Menschen - ob selbst Eltern oder nicht -, weil sie denken, dass dabei die Bedürfnisse der Kinder auf der Strecke bleiben. Wie stehen Sie dazu?

Ries Das sehen wir nicht so. Keine von uns hat das Gefühl, die Kinder zu vernachlässigen. Wir sind eben tagsüber nicht nur bei den Kindern.

Die meiste Zeit nicht.

Ries Ja, aber die Kinder sind im Kindergarten, in der Schule, oft in der Ganztagsschule. Ich glaube nicht, dass die Zeit, die man mit seinem Kind verbringt, soviel mehr ist, wenn man Teilzeit arbeitet und nachmittags dann mit Hausarbeit beschäftigt ist.

Aber man hat mehr Spielräume.

Ries Je höher man die Karriereleiter klettert, umso mehr Freiheiten hat man auch zu sagen: "Ich nehme mir heute Nachmittag frei für die Musikaufführung meiner Tochter."

Sagen Sie das auch so offen?

Ries Das lernt man mit der Zeit. Am Anfang habe ich gedacht, wenn ich mal von zu Hause an einer Telefonkonferenz teilnehme, darf auf keinen Fall Kindergeschrei zu hören sein. Mein Gott, wie albern! Warum soll mein Kunde nicht wissen, dass ich auch mal zu Hause arbeite.

Wenn man zu sich steht, macht das meistens die Dinge leichter.

Ries Am Anfang denkt man, dass über Working Moms negativ geurteilt wird. Das ist aber nicht so. Über solche Lernprozesse tauschen wir uns aus, und das ist hilfreich, weil gerade junge Frauen, die vor der Entscheidung Kind und Karriere stehen, unsicher sind.

In welchen Positionen - beruflich und familiär - befinden sich Ihre Mitglieder?

Ries Die meisten arbeiten in der Industrie, sind Beraterinnen, Rechtsanwältinnen und Ärztinnen. Oftmals haben sie zwei Kinder. Sie arbeiten Vollzeit oder annähernd Vollzeit. Bei einer Hand voll ist der Mann selbstständig oder ein bisschen zurückgetreten, einen Hausmann gibt es aber gar nicht. Bei eigentlich allen ist es so, dass sie bald nach der Geburt wieder in den Job zurückgekehrt sind.

Wie ist es bei Ihnen?

Ries Ich bin nach drei Monaten wieder arbeiten gegangen. Meine beiden Töchter sind jetzt neun und sieben. Mein Mann arbeitet in Frankfurt, ich bin also in der Woche allein zuständig, habe aber eine ganz tolle Kinderfrau - die Nadel im Heuhaufen. Meine Kinder lieben sie und vertrauen ihr auch schon einmal Dinge an, die sie mir nicht sagen.

Schmerzt das nicht?

Ries Nein.

Wie viel arbeiten Sie, wann kommen Sie nach Hause?

Ries Das ist ganz unterschiedlich. Ich arbeite an Projekten. Mal muss ich um sechs Uhr früh aus dem Haus, um den Flieger zu bekommen und komme dann erst gegen 22 Uhr zurück. Aber ich bin auch häufig ab 19 Uhr zu Hause. Und es kann sein, dass ich, wenn die Kinder im Bett sind, noch einmal den Computer hochklappe.

Haben Sie dann abends mit Ihren Töchtern nicht nur das Pflichtprogramm? Dinge wie: Schauen, wo es in der Schule hakt und was dafür besorgt werden muss?

Ries Das passiert tagsüber mit der Kinderfrau. Wir erzählen uns abends vor allem: Erst spreche ich mit der jüngeren, dann mit der älteren.

Wenn die Kinder krank werden, aber der Kunde geht vor, dann finde ich das, sagen wir mal, grenzwertig.

Ries Ja. Das ist ein Konflikt, da muss man abwägen. Aber das hat nichts mit Karriere zu tun, das Problem haben alle berufstätigen Eltern.

Der Tag hat nur 24 Stunden. Wo stecken Sie zurück?

Ries Bei mir persönlich. Sport oder einfach mal ein Buch lesen und entspannen, das mache ich nur ganz wenig. Und es gibt Phasen, da denke ich, mir wächst alles über den Kopf. Dann frage ich mich: Wozu mache ich das denn überhaupt? Dann gibt es wieder Phasen, da läuft es wie am Schnürchen, und ich denke: Wow.

Wenn Sie schon wenig Freizeit haben, warum gehen Sie denn dann noch zu Netzwerktreffen?

Ries Als ich davon hörte, fragte ich mich, ob das etwas für mich sein könnte. Mein erster Gedanke war: Sind da nicht nur eiskalte Ziegen? Aber dann ging ich hin und traf da 20 Frauen, die auf einer Wellenlänge mit mir sind. Ich fühlte mich wie unter Freundinnen. Nein, das ist Spaß, und wir helfen uns gegenseitig.

Wobei?

Ries Es ist nicht so, dass wir uns in den Unternehmen unterdrückt fühlen oder gegen die gläserne Decke kämpfen. Wir alle wurden auch gefördert. Das ist nicht das Problem. Uns geht es mehr darum, wie wir diesen Spagat, den wir leisten müssen, schaffen. Außerdem unterstützen wir uns in beruflichen Dingen. Wenn ich beispielsweise eine Frage in Patentrecht habe, kann ich einfach eine Anwältin aus dem Netzwerk, zum Beispiel in München, anrufen. Dazu veranstalten wir Mentoringabende für junge Frauen, die sich Rat bei uns holen können.

Was ist Ihr wichtigster Tipp?

Ries Nie an der Betreuung sparen. Lieber einen Euro mehr bezahlen. Wenn man sich durchwurschtelt mit Babysitter, Nachbarn und ständig anderen Personen, dann schafft das nur Stress für das Kind und für einen selbst. Dann kann man auch nicht vernünftig arbeiten. Da kann man sagen, das ist eine finanzielle Frage. Stimmt, aber so ist es.

Muss man für eine verantwortungsvolle Position wirklich eine 50- bis 70-Stunden-Woche in Kauf nehmen? In Unternehmen wie 3M in Neuss gibt es beispielsweise auch Jobsharing für Führungspositionen, aber das ist eine Ausnahme.

Ries Ich kenne auch niemanden, der das macht, finde aber das Thema Job-Sharing müsste weitervorangetrieben werden. Ich glaube, dass das funktionieren kann. Allerdings hängt es auch von dem Bereich ab. In einer Führungsposition mit hoher Reisetätigkeit zum Beispiel wird es schwierig. Aber das hat ja nicht jede, auch bei uns nicht.

Wenn Sie sich etwas wünschen könnten, was wäre das?

Ries Sie stellen mir Fragen! Im Moment ist mein Leben so, wie ich es mir wünsche. Aber ich wünsche mir Gesundheit für mich und meine Familie. Und dass meine Kinder später in einer Welt leben, in der es sich lohnt, zu leben.

DAS GESPRÄCH FÜHRTE SONJA SCHMITZ.

(RP)
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