Lebenslange Haft für Bombenleger Marco G. suchte nach "Zünder, stabil und robust"

Düsseldorf · Er googelte nach Anleitungen zum Bombenbauen und bestellte Sprengstoff in rauen Mengen: Im Prozess um die Bombe am Bonner Hauptbahnhof ist der Hauptangeklagte Marco G. zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach Überzeugung des Gerichts ist NRW vor vier Jahren nur knapp zwei islamistischen Terroranschlägen entgangen.

 Der Angeklagte Marco G. im Gerichtssaal in Düsseldorf.

Der Angeklagte Marco G. im Gerichtssaal in Düsseldorf.

Foto: dpa, fg pil

Der Hauptangeklagte Marco G. nutzt am Tag der Urteilsverkündung die sich bietende Bühne. "Allahu akbar" ("Allah ist groß") ruft der Bonner Salafist laut und streckt den rechten Zeigefinger gen Richterbank, die aber noch verwaist ist. Auch die drei Mitangeklagten, Enea B. (46), Koray D. (28) und Tayfun S. (27) haben im Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf ihre Plätze eingenommen. Richter Frank Schreiber, Vorsitzender des fünften Strafsenats am OLG, beginnt mit der Urteilsverkündung. Reglos registriert Marco G., dass er als Urheber des gescheiterten Bombenanschlags vom Bonner Hauptbahnhof und als Rädelsführer im Mordkomplott gegen den Vorsitzenden der Partei Pro NRW lebenslänglich ins Gefängnis muss.

Wie in der Frühphase des Prozesses verweigert er dem Gericht durch das Tragen einer Mütze demonstrativ den Respekt und hat sich heute für ein schwarzes Kopftuch entschieden. Ausnahmsweise aber bringt ihm dies keine Ordnungshaft ein, von der der 30-Jährige längst 160 Tage kassiert hat, die nicht auf die Untersuchungshaft angerechnet werden. "Heute, Herr G.", sagt Richter Schreiber später mit Blick auf das Tuch, "ist alles inklusive." Auch einer vorzeitigen Entlassung nach 15 Jahren haben die Richter den Weg verstellt, indem sie die besondere Schwere der Schuld anerkannt haben. Beim Strafmaß für die drei Komplizen bleibt der Senat hinter den Forderungen der Anklagebehörde zurück: Enea B. und Koray D. müssen für zwölf, Tayfun S. muss für neuneinhalb Jahre hinter Gitter.

Nach Überzeugung des Gerichts hat Marco G., ein aus Oldenburg stammender Konvertit, am 10. Dezember 2012 versucht, im Bonner Hauptbahnhof eine selbst gebaute Rohrbombe zur Explosion zu bringen. Polizisten machten die Bombe mit einem Wassergewehr unschädlich. Weil kein Zünder an der mit Sprengstoff gefüllten Rohrbombe entdeckt wurde, handelte es sich aus Sicht der Verteidiger lediglich um eine Bombenattrappe.

Vier Monate später, im März 2013, soll ein nächtliches Mordkommando auf dem Weg zu einem rechtsradikalen Politiker in Leverkusen gewesen sein, als der mit Abhörmikrofonen bestückte Wagen von der Polizei gestoppt wurde. Bei den Ermittlungen zu dem Mordkomplott war Marco G. auch in Verdacht geraten, die Bonner Bombe als Einzeltäter gelegt zu haben. An dem Sprengsatz war DNA seines Sohnes und seiner Frau gefunden worden.

Das Gericht ist überzeugt, dass Marco G. eben keine Attrappe bauen wollte, sondern einen funktionierenden Sprengsatz. "Zünder, stabil und robust", so lautete demnach eine Schlagwortsuche, die in einem bekannten Internetkanal auch prompt zum erstrebten Fundstück führte. Die Überschrift der Anleitung zum Bombenbau "How to make a bomb in the kitchen of your mother" (Wie man in der Küche seiner Mutter eine Bombe baut), die bei G. gefunden wurde, ist unter Prozessbeobachtern längst zu einem geflügelten Begriff geworden.

Der Mittzwanziger aus dem Bonner Stadtteil Tannenbusch bestellte offenbar sprengfähiges Material in rauen Mengen. Mehr jedenfalls, als es für die Dimension der am Bonner Hauptbahnhof gefundenen Rohrbombe bedurft hätte. Schreiber wörtlich: "Hier sind Mengen eines Sprengstoffgemischs bestellt worden, die deutlich über die Füllmenge des 20 Zentimeter langen Rohrkörpers hinausgehen." Der vermeintlich fehlende Zünder hingegen sei wohl derart klein gewesen, dass sein Verschwinden beim Beschuss des Sprengsatzes mit einer Wasserkanone aus Sicht des Gerichts keine Überraschung mehr darstellt.

Einzig der "fragile Aufbau", so folgte der Richter der Argumentation der Bundesanwaltschaft, habe die Funktion der Bombe verhindert. Wäre sie professioneller montiert gewesen und hätten nicht Zeugen gegen die blaue Tasche getreten, hätte sie eine Vielzahl von Menschen, darunter viele Schulkinder verletzt oder getötet. Zumal, so der Vorsitzende, die Wirkung mit vier angeklebten Gaskartuschen noch hatte maximiert werden sollen.

In Niedersachsen war Marco G. nicht als besonders gottesfürchtig aufgefallen, dafür als Schulschwänzer, Drogenkonsument und Krimineller mit abgebrochener Berufsausbildung. Psychiater Norbert Leygraf attestierte ihm eine unterdurchschnittliche Intelligenz und geringe Leistungsbereitschaft. Sein Leben habe er nahezu durchweg von Sozialleistungen des Staates finanzieren lassen, dem er so feindselig gegenüber stehe. Allen vier Tätern ist nach Auffassung des Gerichts die Überzeugung gemein gewesen, dass der vermeintlichen Beleidigung des Propheten Mohammed mit Vergeltung zu begegnen sei. Pro NRW hatte im Landtagswahlkampf 2012 die Mohammed-Karikaturen des dänischen Zeichners Kurt Westergaard genutzt. Endgültig bekräftigt habe die vier Salafisten eine Internetbotschaft der "Islamistischen Bewegung Usbekistan" mit der unmissverständlichen Forderung: "Tod der Pro NRW". Zwei funktionstüchtige Pistolen, gelagert in der Bonner Wohnung des Haupttäters, lagen zur Ermordung des Rechtsanwalts bereit.

Das Gericht hat in dem Prozess an 155 Tagen verhandelt, 27 Sachverständige und 157 Zeugen wurden gehört. Das Urteil kann noch beim Bundesgerichtshof angefochten werden.

(RP)
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