Düsseldorf Büro ohne eigenen Schreibtisch

Düsseldorf · Viele Mitarbeiter verbringen einen Großteil ihres Arbeitstages an ihrem persönlichen Schreibtisch. Er ist so etwas wie das zweite Zuhause mit Bildern und Nippes. Bei Vodafone und Siemens ist das anders: Dort werden die Tische geteilt.

 Dana May teilt ihren Schreibtisch mit anderen, wie 5000 andere Vodafone-Mitarbeiter auch. Alles wichtige hat sie entweder auf ihrem Laptop, der an jedem Platz angedockt werden kann, oder in einem Rollkoffer (auf dem Tisch).

Dana May teilt ihren Schreibtisch mit anderen, wie 5000 andere Vodafone-Mitarbeiter auch. Alles wichtige hat sie entweder auf ihrem Laptop, der an jedem Platz angedockt werden kann, oder in einem Rollkoffer (auf dem Tisch).

Foto: David Young

Jahrelang hat Jürgen Brombeis, Ingenieur bei Siemens, einen Schreibtisch am Arbeitsplatz sein Eigen genannt. Vor zwei Jahren baute der Konzern in der Airport City eine neue Zentrale. 600 Mitarbeiter arbeiten dort. Aber es gibt nur 430 Schreibtische, und das ist kein Rechenfehler. "Wir haben uns unsere Büronutzung angesehen und festgestellt, dass die Schreibtische an normalen Tagen nur zu 60 bis 70 Prozent besetzt sind", sagt Udo Bremer, Niederlassungsleiter von Siemens. Viele Mitarbeiter seien im Vertrieb auf Außenterminen. Außerdem kann jeder Siemensmitarbeiter 20 Prozent der Arbeitszeit von zu Hause schaffen.

Die Idee, die Siemens daraus ableitete: Mehrere Mitarbeiter teilen sich einen Schreibtisch. Wer morgens oder wann auch immer zur Arbeit kommt, sucht sich im Prinzip jeden Tag einen anderen Arbeitsplatz. Es heißt aber auch: Kein Bild der Kinder mehr neben dem Bildschirm, kein Nippes, keine Unterlagen, die länger als einen Tag auf dem Schreibtisch liegen dürfen. "Clean Desk" nennen es die Experten, wenn die Schreibtische bei Feierabend abgeräumt werden müssen.

 Ingenieur Jürgen Brombeis hatte jahrelang einen eigenen Schreibtisch. Seit zwei Jahren sitzt er im Großraum - im Zweifel jeden Tag an einem anderen Platz.

Ingenieur Jürgen Brombeis hatte jahrelang einen eigenen Schreibtisch. Seit zwei Jahren sitzt er im Großraum - im Zweifel jeden Tag an einem anderen Platz.

Foto: RP/David Young

Bei Siemens kommen die persönlichen Unterlagen in den "Locker", eine Art Schließfach. "Es war eine Umstellung, auf den eigenen Schreibtisch zu verzichten", sagt Brombeis. Anfangs habe er Bilder der Kinder noch morgens auf den Schreibtisch gestellt und abends wieder ins Schließfach. Heute mache er das nicht mehr, wie viele andere Kollegen auch. Gewöhnungsbedürftig sei gewesen, jeden Abend alles wegzuräumen. "Aber nach einer Weile stellt sich dabei ein gutes Gefühl ein. Kein Chaos, alles ist an seinem Platz", sagt Brombeis.

"Die Einführung von Share-Desks war keine Frage der Kosten", sagt Arnulf Cremer, kaufmännischer Leiter bei Siemens. Ziel sei, mehr Flächen für Besprechungsinseln- und räume zu bekommen, außerdem viele Küchen - mit kostenlosen Warm- und Kaltgetränken. Doch gerade das Einzelbüro ist auch ein Hierarchieinstrument. "Wir mussten bei vielen Leitern am Anfang Überzeugungsarbeit leisten. Heute hat sich das System fest etabliert", sagt Cremer. Auch Vodafone ist mit dem neuen Campus den Weg des geteilten Schreibtischs gegangen. Bei den 5000 Mitarbeitern kommen auf einen Schreibtisch rechnerisch 1,2 Mitarbeiter. Eine von ihnen ist Dana May. "Ich arbeite in Teilzeit und viel von zu Hause. Einen eigenen Schreibtisch brauche ich gar nicht", sagt die 38-Jährige. Gerade sitzt sie an Tisch "5A1-City-Site". Die Bezeichnungen erleichtern die Orientierung. Wer gerade wo sitzt, das kommunizieren die Vodafone-Mitarbeiter per "Lync", einem Kommunikationssystem mit vielen Funktionen. Wie bei Siemens bringen die Mitarbeiter in der Regel nur ihren Laptop mit zur Arbeit. Da ist alles drauf, was sie brauchen. An den Schreibtischen sind lediglich Tastaturen und Bildschirme, die an alle mobilen Rechner passen.

Bei vielen Belegschaften ist das Thema eigener Schreibtisch sakrosankt. "Menschen brauchen ihr eigenes Revier", sagen viele und klagen über Lärm im Großraumbüro. Wissenschaftlich belegen lässt sich ein Nachteil von Desk-Sharing nicht. "Das ist nur am Anfang ein Problem", sagte Dennis Stolze, Arbeitswissenschaftler am Fraunhofer-Institut im Gespräch mit unserer Redaktion. "Unsere Studie aus 2014 hat ergeben, dass weder Wohlbefinden noch Motivation unter Desk-Sharing in Büros leiden", so Stolze. Es habe sogar erhebliche Vorteile, weil man für unterschiedliche Arbeiten unterschiedliche und besser ausgestattete Schreibtische wählen könne. "Zuhause gibt es ja auch eine Aufteilung, dort kochen Sie ja auch nicht im Schlafzimmer", sagt der Wissenschaftler.

(tb.)
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