Düsseldorf Busfahrer spielt am liebsten Römer
Düsseldorf · Der Rheinbahnfahrer Carlo Malerba verwandelt sich in seiner Freizeit in einen Legionär und näht Gewänder nach 2000 Jahre alten Vorbildern. Als Kind hat er seinem Vater, einem Herrenschneider, oft bei der Arbeit zugeschaut.
Carlo Malerba ist ein Mann, der ganz in der Gegenwart verwurzelt ist. Einerseits. Denn in seinem Alltag ist er als Busfahrer der Rheinbahn auf Düsseldorfs Straßen unterwegs, schätzt die moderne Technik und den Komfort unserer Zeit. Nach der Arbeit aber legt er gern einen Rückwärtsgang ein und geht auf Zeitreise. "Die Antike hat mich schon immer gefesselt." Das bedeutet bei ihm nicht, sich darauf zu beschränken, über die Vergangenheit zu lesen: Er lebt sie. Und was er dazu braucht, um sich in einen Legionär aus dem antiken Rom zu verwandeln, entsteht in der heimischen Werkstatt. Dort schneidert er Kostüme, pardon, Gewandungen nach 2000 Jahre alten Vorbildern. Und belehrt lächelnd: "Kostüme, die braucht man im Karneval."
Die wichtigsten Voraussetzungen bringt er mit: Ein Legionär, also ein Kämpfer des römischen Heeres, hatte groß und stattlich zu sein, musste gut sehen und hören können, das Lesen und Schreiben beherrschen. Nur an einem Punkt würde es hapern: Legionäre mussten Bürger Roms sein. Geboren wurde Carlo Malerba vor 49 Jahren zwar im süditalienischen Apulien - nicht weit von Castel del Monte, der Sommerresidenz von Kaiser Barbarossa - aber bereits seit seinem vierten Lebensjahr ist Deutschland seine Heimat.
Bis sich der Busfahrer regelmäßig in einen Legionär verwandeln konnte, fehlten lange Zeit noch ein paar Zutaten. Zumal seine Frau zunächst gar nicht begeistert von seiner Zeitreise in die Vergangenheit war. "Erst, als wir vor einigen Jahren in Wasserberg nahe der holländischen Grenze bei einem großen Mittelalter-Spektakel waren, sprang bei ihr der Funke über." Bei einer Reise in den Stadtstaat San Marino, einer autonomen Insel mitten in Italien, kaufte er dann das Zubehör, ohne das ein Legionär nicht komplett wäre: einen Helm und ein Schwert.
Dort besuchte er auch eine Rüstungskammer und sah in Geschäften die Kopien von antiker Kleidung. Seit dieser Zeit verbringt Carlo Malerba nun seine freie Zeit mit Nadel und Faden, näht Gewänder für die komplette Familie, auch für Söhne, Schwiegertochter und Freunde. Für Menschen eben, die auch längst infiziert mit dem antiken Virus sind. "Ich benutze keine Schnittmuster, probiere einfach alles aus", plaudert er aus dem Nähkästchen. Hilfreich mag dabei sein, dass sein Vater Herrenschneider war und Carlo Malerba als Kind oft in seiner Werkstatt zugeschaut hat. Und was an Professionalität fehlen mag, gleicht eine kräftige Portion durch Leidenschaft aus.
Das Ergebnis haben Rheinbahnkunden vielleicht schon mal auf einem Plakat an Haltestellen gesehen: Ein Foto zeigt dort einen lächelnden Carlo Malerba, wie er im Esszimmer seiner Familie an einem Tisch sitzt, komplett gewandet wie aus einem Historienfilm mit Sandalen, roter Tunika und Lederstulpen, den Helm lässig aufs Knie gestützt. Das Radio im Hintergrund mag als Verbindung zur Gegenwart durchgehen.
Mittlerweile schneidert er auch Gewänder aus dem Mittelalter, dann verwandelt sich seine Frau in eine Schankmaid, trägt Mieder und einen bodenlangen Rock, an dem Carlo Malerba viele Stunden gesessen hat. "Ich liebe die Geselligkeit von Mittelalterfesten, wenn Met fließt und zu alten Trinkliedern getanzt wird." Doch mehr als jede andere Epoche beflügelt das antike Rom die Fantasie des Busfahrers. "Schon wegen der Hochkultur jener Zeit. Man muss sich mal vorstellen, dass es Toiletten mit Wasserspülung gab und Thermen." Und dass Zähneputzen und Körperpflege mit Salben und Duftessenzen zur täglichen Hygiene gehörten und sich nicht nur die Frauen die Augenbrauen zupften. Allerdings: "Lieber gelebt hätte ich zu dieser Zeit nicht. Da wäre ich ja jetzt schon ein alter Mann."