Serie: Unser Rhein Camping mit Panoramablick

Düsseldorf · Zwei Plätze gibt es in Düsseldorf gleich am Rhein: einen an der Grenze Itter/Reisholz, den anderen in Lörick.

 Karl-Heinz Bühl ist Vereinsvorsitzender und residiert mit seiner Fraz Sofie seit 1975 auf dem Platz.

Karl-Heinz Bühl ist Vereinsvorsitzender und residiert mit seiner Fraz Sofie seit 1975 auf dem Platz.

Foto: Anne Orthen

Schön, dass es Orte in der Stadt gibt, die selbst eingefleischte Düsseldorfer nicht kennen - und deren Existenz sie eher für unwahrscheinlich halten. Weil Düsseldorf - das ist doch Beton, alles zugebaut und teuer. Das Gelände des "Camping Sportboot Club e.V." ist ein schöner Beweis dafür, dass es auch anders geht. Der Aha-Effekt auf der Radtour stellt sich wie auf Knopfdruck ein. Gerade ist man noch in Itter unter dichten Wipfeln durchs Grün geradelt, da öffnet sich auf dem Deich kurz vor Reisholz nach rechts der Blick. Dort liegt wie hingezaubert ein Campingplatz in der Senke, breitet sich nach links und rechts aus. Viel Rasen ist zu sehen, perfekt kurz geschnitten, als würden gleich Fußball- oder Golfprofis zum Training erscheinen. Gekrönt und eingerahmt wird die Szenerie durch einen Panoramablick auf den Rhein.

Ein Traum. "Münchner Straße rechts raus, ein paar hundert Meter fahren, Urlaub", fasst Franz-Josef Meng, Kassierer im Verein, seine Lebens- und Gefühlsbindung zum Platz zusammen. Er ist seit 32 Jahren Mitglied, Sofie und Karl-Heinz Bühl sogar sieben Jahre länger. 1975 ergatterten sie ihren Platz, damals gab es lange Wartelisten. Rudi Carell sang in jenem Jahr "Wann wird's mal wieder richtig Sommer?", ein Lied wie aus guter alter Zeit und Zutat zur bundesrepublikanischen Gemütlichkeit, wie sie zu diesem Ort passt. Hier gibt es noch ein Osterschießen und ein eigenes Schützenfest, mit Möschfest und Fackelumzug. "Inklusive Umzug vom Platz zum Clubhaus, da werden immer auch gerne Schnäpschen und Käsewürfel gereicht." Bühl amtiert aktuell als Vorsitzender, Sohn Andreas hat von ihm den Job als Platzwart geerbt - und ist unter anderem fürs Rasenmähen zuständig, was mal locker drei Stunden dauern kann.

 Beim Grillen kommen gerne alle am Gemeinschaftsplatz zusammen, Yannick (8) holt sich was Leckeres bei Michael Nickl.

Beim Grillen kommen gerne alle am Gemeinschaftsplatz zusammen, Yannick (8) holt sich was Leckeres bei Michael Nickl.

Foto: Anne Orthen

Vor vielen der 44 Wohnwagen stehen liebevoll bepflanzte Blumenkästen, einige kleine Pools laden zur Abkühlung ein, zur WM dekorierte Deutschland-Fahnen wehen noch im Wind. "Das Finale haben wir mit mehr als 30 Mann auf Großleinwand im Vereinsheim geguckt, auf der anderen Seite des Deiches", sagt Thomas Hüsch, der 2. Vorsitzende, "in der 113. Minute ist fast das Dach hochgeflogen." Man macht im Club gerne was zusammen, lädt zu Feiern und dem alltagsüblichen "Dazusetzen" ein, "aber ein Muss ist das alles nicht", betont Karl-Heinz Bühl. Eine Gelassenheit, mit der auch Konflikte rasch beigelegt werden. "Da reden wir miteinander, und wenn es tatsächlich mal vorkommt, dass einer mit seinem Nachbarn nicht mehr so gut auskommt, kann er umziehen, sobald ein Platz frei wird." In den letzten Jahren kam das öfter vor, die Gründergeneration, die 1972 den Verein aus der Taufe gehoben hatte, ist größtenteils ausgeschieden. Ein Umbruch: Unter den rund 100 Menschen, die sich heute regelmäßig auf dem Platz aufhalten, sind wieder 20 Kinder.

Als Sturm "Ela" am Pfingstmontag wütete, wurde auch der Campingplatz in Mitleidenschaft gezogen. Ein Baum wurde mächtig gerupft, an den Wagen ging einiges kaputt, teils wurden sie vom Wind versetzt. Eine Internetseite hat der Verein nicht, aber alle Mitglieder sind gemeinsam in einer WhatsApp-Gruppe und verabredeten sich umgehend zum Einsatz. "13 Autos sind losgefahren", erzählt Hüsch, "einen mächtigen Ast, der uns den Weg versperrte, haben wir gemeinsam zur Seite geschoben." Der Zusammenhalt wie aufgrund einer lockeren Übereinkunft ist groß, das ist spürbar. Vielleicht ist dies das Wichtigste, denn manche Traditionen verblassen. Das Schützenfest findet nunmehr alle zwei Jahre statt, die Fahrten mit den Booten zur Lahn sind Vergangenheit, und auch die clubeigene Musikkapelle gibt es nicht mehr. "Wir hatten Akkordeons, Trompete, Saxophon, Trommeln, haben lustige Lieder von Rhein und Wein gesungen", schwärmt Hansi Nachtigall, "aber die jungen Leute kommen dafür nicht mehr zusammen. Die spielen lieber am Computer."

Dafür sitzen an diesem Abend viele am gemeinsamen Grillplatz. Die Frauen haben Salate gemacht, die Kinder garen über dem Feuer in einer alten Tonne Stockbrote. Eine Idylle am Rande der Großstadt, in der sich Füchse, Frettchen und Greifvögel beobachten lassen. Abends, wenn es dunkler wird, ziehen die erleuchteten Schiffe vorbei. Links liegt der Reisholzer Hafen, und den empfindet mancher als dumpfe Bedrohung. "Mal sehen, was es jetzt mit den Ausbauplänen gibt", sagt Nachtigall, "das liegt uns im Magen." Dann aber ist Mark Hellebrand Gesprächsthema, vor einigen Wochen ist er acht geworden, und Michael Nickl, der mit seinen 44 Jahren schon über mehr als 30 Jahre Anglererfahrung verfügt, hat ihm eine Rute geschenkt und ihn mitgenommen. "Er hat eine große Lachsforelle gefangen", sagt Nickl noch immer erstaunt, das Handyfoto wird herumgezeigt.

Nickl ist einer der Neulinge auf dem Platz. Den Campingwagen hat er übernommen. 1800 Euro hat er dafür gezahlt, der Vorbesitzer hat ihn äußerst gut gepflegt und bekam deswegen den Spitznamen "Läppchen" verpasst. Nickl schätzt den enormen Erholungswert und ist sich einig mit den anderen, dass der Platz mindestens einen Urlaub im Jahr ersetzt. "Wir nehmen uns hier den Spaß, die Freiheit zu genießen", sagt Nachtigall.

(RP)
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