Jacques Tilly zum Anschlag auf "Charlie Hebdo" "Diese Menschen sind Märtyrer"

Düsseldorf · Für Jacques Tilly ist der Anschlag auf die Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" auch eine persönliche Angelegenheit: Viele der Opfer gehen einer ähnlichen Profession nach wie er selbst, so mancher Entwurf für einen Mottowagen im Rosenmontagszug hätte auch in das französische Blatt gepasst.

Den Streit um die Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung griff Jacques Tilly 2010 auf.

Den Streit um die Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung griff Jacques Tilly 2010 auf.

Foto: Tilly

Herr Tilly, wie haben Sie vom Attentat in Paris erfahren?

"Osama bin Baden": Den Chef-Terroristen setzte der Wagenbauer 2008 in eine Badewanne voller Blut.

"Osama bin Baden": Den Chef-Terroristen setzte der Wagenbauer 2008 in eine Badewanne voller Blut.

Foto: Tilly

Tilly Mein Bruder schickte mir eine halbe Stunde nach dem Attentat eine E-Mail. Ich solle sofort Nachrichten im Internet anschauen. Dass es Anschläge gibt, ist ja nichts Neues, aber das Ausmaß und die Brutalität dieser Tat haben mich schockiert. Die religiösen Menschen haben ihre Märtyrer, aber andere Menschen auch: In Paris sind Märtyrer der Meinungsfreiheit ermordet worden. Das betrifft uns alle.

 Auf einmal wurden die Salafisten Thema: Tilly machte sie 2014 zu Salat-Fisten.

Auf einmal wurden die Salafisten Thema: Tilly machte sie 2014 zu Salat-Fisten.

Foto: Endermann

Jemanden wie Sie aber vielleicht besonders.

Jacques Tilly in der RP-Lokalredaktion: Die Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" hat der Wagenbauer bereits oft in Frankreich gekauft.

Jacques Tilly in der RP-Lokalredaktion: Die Satire-Zeitschrift "Charlie Hebdo" hat der Wagenbauer bereits oft in Frankreich gekauft.

Foto: Hans-Jürgen bauer
So zeigen sich Cartoonisten solidarisch
Infos

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Foto: Screenshot Twitter

Tilly Ja sicher. Da sind Leute gestorben, die etwas Ähnliches machen wie ich. Wenn man sich identifizieren kann, berührt einen eine solche Bluttat noch einmal anders. Ich kenne das Magazin "Charlie Hebdo", ich habe es mir oft in Frankreich gekauft. Die Kollegen hatten vor nichts Respekt, alle Achtung. Und sie haben sich nicht einschüchtern lassen, das ist vorbildlich. Die Menschen mag man töten können, den Geist und die Prinzipien, für die sie stehen, aber nicht.

Wie beurteilen Sie die öffentlichen Reaktionen?

Tilly Dieses Attentat richtet sich nicht nur gegen die Meinungsfreiheit, sondern gegen die unveräußerlichen Rechte und Werte unserer Demokratie insgesamt, das hat Präsident Hollande treffend gesagt. Das ist heute klarer denn je, und deswegen ist es toll, dass die Menschen aufstehen und rufen "Je suis Charlie". Das war bei Salman Rushdie und seinen "Satanischen Versen" noch anders, da hieß es, er habe selber schuld an seiner Situation, denn wenn er den Islam so herausfordere... Und bei den Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung Jyllands-Posten meinte mancher, man müsse ja nicht so provozieren. Das ist nun völlig anders, die Menschen sagen: Die dürfen das, das sind Cartoonisten. Und ich ergänze: Sie üben ihre Meinungsfreiheit aus, aber sie töten nicht dafür. Deswegen sind sie moralisch ihren Gegnern auch haushoch überlegen.

Fotos des Gedenkens: "Je suis Charlie"
31 Bilder

"Je suis Charlie"

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Ihre Mottowagen für den Rosenmontagszug sind oft sehr provokante Karikaturen. Müssen Sie sich nicht auch Sorgen machen?

Tilly Ich habe mich vor einigen Jahren entschieden, keine Angst zu haben - sonst habe ich irgendwann Angst vor meinem eigenen Schatten. Es liegt auf der Hand, dass Klerikale mit ihrem oft absoluten Wahrheitsanspruch und humoristische Aufklärer Schwierigkeiten miteinander haben, die Konflikte sind programmiert. Dennoch ist der Karneval eine ganz andere Bühne als eine Satirezeitschrift wie "Charlie Hebdo". Der Karneval ist weltanschaulich neutral und für alle da, für Christen, Muslime und Atheisten. Ich will die Menschen mitnehmen, nicht ausgrenzen. Deshalb werden ein paar Grenzen eingehalten.

Dennoch ließ Ihr Wagen gegen islamistische Attentäter in puncto Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Tilly Ich will mit den Mottowagen keinen Gott oder Glaubensfundamente angreifen, sondern kümmere mich um das Bodenpersonal. Religion ist Menschenwerk, und Menschen fehlen.

Ändert das Attentat in Paris etwas an Ihrer Arbeit für den Rosenmontagszug?

Tilly Jetzt etwas zu ändern, wäre fatal. Dann würden die Extremisten an Boden gewinnen. Das Comitee Düsseldorfer Carneval und ich sind uns einig, dass wir gar nichts ändern, sondern weitermachen wie bisher.

Es wird also einen Mottowagen zum Terror gegen die Satire geben?

Tilly Ich schließe das nicht aus. Es sind ja noch ein paar Wochen hin, und ich weiß nicht, was bis dahin noch alles passiert. Wir wollen am Rosenmontag schließlich wieder sehr aktuell sein.

(RP)
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