Kolumne Made In Düsseldorf Daimler enttäuscht seine Arbeiter

Düsseldorf · Jahrelang fuhren die Daimler-Arbeiter Sonderschichten - oftmals rund um die Uhr. Jetzt müssen viele mit dem Verlust ihres Jobs rechnen. Wut und Enttäuschung in der Belegschaft sind groß. Sie wartet jetzt auf versprochene Investitionen.

 6500 Mitarbeiter montieren bei Daimler in Derendorf den Sprinter. Mercedes ist der größte private Arbeitgeber Düsseldorfs. Teile der Produktion könnten in die USA gehen. 1800 Jobs sind in Gefahr, sagt die IG Metall.

6500 Mitarbeiter montieren bei Daimler in Derendorf den Sprinter. Mercedes ist der größte private Arbeitgeber Düsseldorfs. Teile der Produktion könnten in die USA gehen. 1800 Jobs sind in Gefahr, sagt die IG Metall.

Foto: Daimler

Als die Stuttgarter Manager vor einer Woche den Tausenden Mitarbeitern des Daimlerwerks ihre Pläne unterbreiteten, bekamen sie den geballten Zorn der stolzen Werker zu spüren. Mindestens 1000 Jobs könnten wegfallen, wenn Mercedes seine Sprinter für den US-Markt nicht mehr in Düsseldorf, sondern in Amerika fertigen lässt. Die Mitarbeiter drehten dem Management demonstrativ den Rücken zu, pfiffen und buhten sie minutenlang aus - wie Fußball-Fans, wenn ihre Elf auf unakzeptable Art verloren hat.

Die Daimler-Arbeiter begleiteten das Werk in der Krise 2008 durch eine lange Phase der Kurzarbeit. Sie bangten um ihre Jobs, die Produktion sank um 50 Prozent - und die Laune auch. Doch die 6500 Mercedes-Mitarbeiter, so sehen sie es, hielten ihrem Werk die Treue. Als der Konjunkturmotor anzog und der Klassenprimus Sprinter wieder nachgefragt wurde, stand die Stammbelegschaft zur Verfügung.

Was folgte, waren fette Jahre. Daimler ging schnell zum Drei-Schicht-Betrieb über. Konkret hieß das: 24 Stunden am Tag liefen sogleich Sprinter vom Band, arbeiteten die Männer und Frauen im Mercedes-Werk. 725 Sprinter am Tag können so ausgeliefert werden, jeder achte davon geht in die USA.

Doch dann folgten Hiobsbotschaften. VW kündigt die Zusammenarbeit und lässt seinen Crafter nicht mehr bei Daimler bauen. Und Daimler will bald einen Teil der Sprinter lieber in den USA bauen, um die Demontage zur Umgehung eines Schutzzolls zu vermeiden. So sei heute kein Geld mehr zu verdienen, sagt Daimler. Und die Belegschaft schüttelt den Kopf. Das Werk ist und war profitabel, auch im US-Geschäft, sagen die Arbeiter. Der Sprinter ist der Beste seiner Klasse, und das ist er nicht, weil er billig ist, da ist sich die Belegschaft einig.

Betriebsrat Bernd Kost bringt die Stimmung auf den Punkt: "Wir haben auf die Fresse gekriegt, jetzt sind wir heiß wie Frittenfett", sagt der Mann in rauem Ton. Er ist enttäuscht, und seine Äußerungen sind ein Spiegel der Stimmung im Werk.

Bei Daimler gibt es noch so etwas wie Korpsgeist, wie einst bei den Kruppianern oder den Mannesmännern. Härter arbeiten, und dafür von der Firma gut behandelt werden. Dienen unter dem Stern, könnte das Credo heißen.

Laut IG Metall müssen nun im schlimmsten Fall 1800 Stellen weichen. Offiziell ist nichts entschieden. Doch es spricht wenig dafür, das in Düsseldorf weiterhin rund um die Uhr gebaut wird. Denn der Drei-Schicht-Betrieb hat einen teuren Haken. Die dritte Schicht in der Nacht wird mit Zuschlägen zwischen 12,5 und 50 Prozent vergütet. Die nicht seltene Sonntagsarbeit kann bis zu 100 Prozent mehr Lohn bedeuten. Das ist zwar attraktiv für die Mitarbeiter. Für das Unternehmen ist sie aber allenfalls ein Mittel für Spitzenzeiten, aber keine Dauerlösung. Denn auch das beste Produkt muss im Preiswettbewerb bestehen. Und dass es keine langfristige Option sein würde, fertige Autos wieder zu demontieren, um sie andernorts wieder zusammenzubauen, dürfte auch nachvollziehbar sein.

Daimler allerdings wird sich an den vollmundigen Versprechungen messen lassen müssen, die der Autobauer den Beschäftigten gemacht hat. Und die heißen: Das Werk wird nicht nur erhalten, es werden auch die dreistelligen Millioneninvestitionen getätigt, die dem Großteil der Mitarbeiter eine berufliche Zukunft versprechen.

(RP)
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