Düsseldorf Dank an einen Deutschlehrer

Düsseldorf · Unser Autor erinnert sich an Bernhard Hölscher vom Bilker Geschwister-Scholl-Gymnasium, der vor wenigen Tagen im Alter von 91 Jahren gestorben ist.

 Eines der wenigen noch erhaltenen Fotos aus dem Jahr 1986 von Bernhard Hölscher aus dem Archiv des Geschwister-Scholl-Gymnasiums

Eines der wenigen noch erhaltenen Fotos aus dem Jahr 1986 von Bernhard Hölscher aus dem Archiv des Geschwister-Scholl-Gymnasiums

Foto: schule

Kurz vor den Prüfungen trat Hölscher, wir nannten ihn damals nur Hölscher, vor seinen Deutsch-Leistungskurs: "Jungs, Ihr macht ja nun bald alle Abitur. Die klassischen Abschlussziele Paris, Rom, London, werdet ihr sicher mal selber sehen. Ich schlage euch eine Bergwanderung durch die Dolomiten vor." Es fanden sich zwölf Jungs, Koedukation gab es damals noch nicht im Abi-Jahrgang 1976, und, was soll ich sagen, es war ein Traum von einer Abschlussfahrt. Viele Jahre später und viele Bergerfahrungen weiter, bin ich die Strecke noch einmal gelaufen. Da wurde dann bewusst, welche Verantwortung dieser Lehrer auf dieser durchaus anspruchsvollen Tour auf sich genommen hat. Und es wurde klar, was diesen Bernhard Hölscher ausmachte: Wir vertrauten ihm, mehr noch, wir konnten ihm auch vertrauen.

Er war mein Deutschlehrer, damals auf dem Geschwister-Scholl- Gymnasium, er unterrichtete auch noch Musik. Aber das war nicht so meine Sache, in seinem Schulorchester war ich der, der auf sein Kommando Pling machen durfte an der Triangel. Zum Ausgleich zur Musik hat er mir neben der Liebe zur Literatur, zur Sprache, auch die Liebe zu den Bergen beigebracht.

Einige Zeit nach der Dolomiten-Wanderung stand dann die Abiturprüfung an. Es war ein Samstag, Deutsch, schriftlich. In der Nacht zuvor war um vier Uhr morgens meine Mutter gestorben, drei Wochen nach dem Tod meines Vaters. Therese Hölscher, die warmherzige Frau von Bernhard, empfing mich, informiert von meiner Schwester, auf dem Schulhof und führte mich in das Prüfungszimmer. Bernhard peitschte mich durch dieses Abitur, nein, das ist falsch, er schob mich, begleitete mich, beschützte mich. "Schreib irgendetwas, egal, wie es wird, wir holen das wieder raus in der Mündlichen", sagte Bernhard. Ich schrieb eine Sechs. Wir holten es wieder raus.

Was ich sagen will: Bernhard, Jahre später sind wir zum Du übergegangen, Bernhard hat mir nicht nur die Literatur nahe gelegt, die Berge, anderen die Musik. Er hat uns die Liebe zum Menschen beigebracht, die Liebe zum Leben, zur Lust am Leben und zur Leidenschaft.

Er hatte ein Hinkebein, ich weiß nicht mehr, ob das eine Kriegsverletzung war oder Folge eines Sturzes beim Bergsteigen. Das hinderte ihn nicht, weiter auf Berge zu steigen und regelmäßig im Kollegium Volleyball zu spielen. Das war eben seine Lust am Leben. Und seine Leidenschaft war die Orgel, dieses Getöne, das einem das Herz überborden lässt. Und er hat uns noch mehr beigebracht. Bernhard war ein wertkonservativer Mensch, den Namensgebern der Schule war er verpflichtet, was man nicht von allen Lehrern im Kollegium sagen konnte. Schon mal gar nicht von G., der auch kürzlich gestorben ist. In dessen Todesanzeige stand, dass eine deutsche Eiche gefallen ist, was diesen mindestens Militaristen posthum noch einmal charakterisiert. Der war wohl mehr auf der anderen Seite der Geschwister Scholl gewesen. "Ach, Jungs", sagte Bernhard einmal, "wir wussten von G., aber wir haben auf euch aufgepasst."

Ja, das hast Du, Bernhard. Und mich warmherzig und trefflich in mein Leben geleitet, ins berufliche und ins emotionale. Danke, Vorbild. Und das ist alles, was ich zu diesem Lehrer zu sagen habe. Bernhard Hölscher ist am 21. Juni 2015 gestorben. Am 5. August wäre er 92 Jahre alt geworden. Mit fast 92 darf man gehen. Dass ich es jetzt, mit 59 Jahren, ganz gut selber hinkriege, daran hast du großen Anteil. Und jetzt schmeiß da oben den Riemen auf die Orgel und rock sie.

(RP)
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