Düsseldorfer Haushalt Das Ende des schuldenfreien Zeitalters

Meinung | Düsseldorf · Der Hauptkonflikt der Düsseldorfer Politik wird im kommenden Jahr der Streit um neue Schulden sein. Denn: Der Wille zum Geldausgeben ist größer als die Kraft zum Sparen.

 Die Schuldenuhr lief zunächst rückwärts: Im September 2007 zählte sie die Zeit bis zum 12. September. An jenem Tag konnte der damalige Oberbürgermeister Joachim Erwin Düsseldorf für "schuldenfrei" erklären.

Die Schuldenuhr lief zunächst rückwärts: Im September 2007 zählte sie die Zeit bis zum 12. September. An jenem Tag konnte der damalige Oberbürgermeister Joachim Erwin Düsseldorf für "schuldenfrei" erklären.

Foto: Werner Gabriel

Düsseldorf steht vor einer Zeitenwende. Als 2007 vor dem Rathaus die wirtschaftliche Schuldenfreiheit Düsseldorfs gefeiert wurde, glaubte man an eine lange Zeit ohne finanzielle Nöte. Die Stadt befand sich in einem Jahrzehnt des Aufschwungs und der großen Investitionen. Arena und Dome waren gerade gebaut worden, der erste Spatenstich für eine neue U-Bahn namens Wehrhahn-Linie wurde vollzogen. Der Abriss des Tausendfüßlers und die Bebauung des Jan-Wellem-Platzes mit den Libeskind-Gebäuden standen bevor. All dies bedeutete private und öffentliche Investitionen in Höhe von rund zwei Milliarden Euro. Die Stadt verfügte über ein Sparpolster von 570 Millionen Euro. Aber schon damals vermutete der 2008 verstorbene Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU), selbst kein Meister im Sparen, dass sich die Schuldenfreiheit einem fragilen Konstrukt verdankt, und plädierte für eine Schuldenbremse, weil die, die nach ihm kämen, schwächer sein würden.

Der Stadtrat hat diese Schuldenbremse zum Ende der schwarz-gelben Koalition Mitte 2014 beschlossen, auch die Grünen stimmten dafür. Wollte man daran ernsthaft rütteln, wie es etwa Bürger bei der Debatte um die Sanierung des Schauspielhauses forderten, müsste der Rat die Hauptsatzung ändern. Die bietet zwar jetzt schon bei "extremer Haushaltslage" die Möglichkeit, für die Finanzierung von Investitionen Kredite in Höhe von bis zu fünf Prozent des Gesamthaushaltvolumens aufzunehmen, also rund 135 Millionen Euro. Wer der Wahrheit die Ehre gibt, wird zugeben, dass vermutlich nicht mal dies ausreichen dürfte, um alle Wünsche zu erfüllen. Zur Erinnerung: Für die Schulen sollen bis 2020 rund 700 Millionen Euro ausgegeben werden, mindestens 60 Millionen für neue Bäder, viele andere Investitionen kommen hinzu.

Wie eng die Luft im neuen Jahr wird, zeigte der Wunsch von Kämmerin Dorothée Schneider, die Linie für Liquiditätskredite von derzeit rund 440 Millionen auf 600 Millionen Euro zu erhöhen, um Engpässe zum Beispiel bei der Bezahlung von Gehältern auszugleichen. Die FDP drohte vor der jüngsten Ratssitzung mit dem Ausstieg aus der Kooperation mit SPD und Grünen, der Plan wurde fallengelassen. Die Verwaltung soll stattdessen stärkere Ausgabendisziplin zeigen. Die ist auch nötig, denn das Sparpolster ist nahe Null angelangt und die Haupteinnahmequelle Gewerbesteuer schrumpft. Parallel hat Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) seinen Plan, 2000 Stellen bei der Stadtverwaltung abzubauen, nahezu halbiert. Die Hoffnung ruht nun in erster Linie auf Einnahmen, die durch die Verkäufe des Kanalnetzes und des Flughafen-Areals hereinkommen sollen.

Die Ampel selbst will im neuen Jahr eine Kommission einsetzen, die ernstlich alle Ausgaben und Investitionen auf den Prüfstand stellt. Sogar die CDU, größte Fraktion des Stadtrats und Hauptoppositionskraft, soll am Beratungstisch Platz nehmen. Dies wäre für sie eine interessante neue Rolle, denn zuletzt haben die Christdemokraten vor allem Widerstandskraft gezeigt. Die Frage, welchen Kurs sie nun einnehmen, dürfte auch die Neuwahl des Fraktionsvorstands beeinflussen. Den Vorsitzenden Rüdiger Gutt und seinen Vize Andreas Hartnigk trennte 2014 genau eine Stimme.

Für den neuen IHK-Präsidenten Andreas Schmitz geht es beim Thema Schuldenfreiheit nicht um die Frage einer "Null-Kredit-Politik, sondern das Synonym für eine gut wirtschaftende Stadt". Ob da plus oder minus eins vor stehe, sei unerheblich. Gut wirtschaftende Stadt: An dieser Formel müssen sich Geisel, der Schulden gegenüber ein lockeres Verhältnis hat, und die Ampel messen lassen. Dass dieses Ziel angesichts der Herausforderungen, die mit der wachsenden Stadt verbunden sind, nicht einfach zu erreichen ist, sei zugestanden. Nicht akzeptabel ist jedoch, dass es Masterpläne fürs Geldausgeben, aber keine fürs Sparen gibt.

(ujr)
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