Doppel-Interview in Düsseldorf Das erwartet die Wirtschaft vom neuen OB

Düsseldorf · Der Präsident der Handwerkskammer und der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer fordern einen Wirtschaftsdezernenten, mehr bezahlbaren Wohnraum und den Erhalt der Schuldenfreiheit.

 Udo Siepmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf (links), und Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, beim Interview in der Bibliothek des Wirtschaftsclubs in den Schadow Arkaden

Udo Siepmann, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf (links), und Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, beim Interview in der Bibliothek des Wirtschaftsclubs in den Schadow Arkaden

Foto: Andreas Endermann

Herr Ehlert, Herr Siepmann, Sie haben sicher den gewählten Oberbürgermeister Thomas Geisel schon kennengelernt. Wie ist Ihr Eindruck?

Ehlert Umtriebig, wenn man überlegt, dass er noch nicht sein Amt angetreten, also noch keinen Apparat um sich hat. Siepmann Das kann ich bestätigen. Ich sehe ihn schon seit Wochen in den Startlöchern.

Welche Erwartungen haben Sie als Vertreter der Wirtschaft an ihn?

Ehlert Zunächst muss man sagen, dass die letzten eineinhalb Jahrzehnte sehr gute für Düsseldorf waren. Ich wünsche mir deshalb, dass die mittelstandsfreundliche Politik fortgeführt wird. Dass also weiter investiert und bei der Vergabe von Aufträgen das regionale Handwerk berücksichtigt wird. Siepmann Ich erwarte, dass die Anliegen der Unternehmen ernst genommen und beachtet werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass es dabei guttäte, wieder den Posten des Wirtschaftsdezernenten zu besetzen.

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Die Stelle ist seit dem Weggang von Wilfried Kruse (FDP) direkt dem OB zugeteilt...

Siepmann Es reicht aber nicht, das zur Chefsache zu erklären. Düsseldorf ist eine starke Wirtschaftsmetropole, die Anliegen der Unternehmen müssen an einer klar benannten Stelle des Rathauses zusammenlaufen. Das Wirtschaftsdezernat hat sich da bewährt. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Anliegen der Wirtschaft in Düsseldorf liegenbleiben. Das spricht sich rum.

In der Stadtverwaltung ist es an verschiedenen Stellen immer wieder zu Engpässen gekommen. Zum Beispiel auch bei Bauanträgen. Wie wirkt sich das bei Ihren Mitgliedern aus?

Ehlert Es dauert viel zu lange und ist nicht immer rechtssicher. Wir brauchen eine schnelle, leistungsstarke Verwaltung, mit ausreichend Personal, in der die Pläne von Architekten so effizient wie möglich bearbeitet werden. Das ist auch wichtig, damit schnell Wohnungen gebaut werden.

Bisher wurde in Großprojekte wie Kö-Bogen oder Wehrhahn-Linie investiert. Das bedeutete auch Aufträge für die lokalen Betriebe. Geisel will sich mehr den Stadtteilen zuwenden. Fürchten Sie, dass die Aufträge weniger werden?

Ehlert Nein, denn in Düsseldorf wird ja weiterhin viel gebaut. Wohnungsbau wird ja unter der neuen Stadtregierung ein großes Thema sein. Mir wäre im Übrigen lieb, man würde dafür innerhalb der Stadt verdichten, statt Freiflächen am Stadtrand auszuweisen. Siepmann Wir als IHK begrüßen, dass nun die Stadtteile mehr in den Fokus rücken. Wir arbeiten mit den jeweiligen Werbe- und Standortgemeinschaften daran, die Nahversorgung in den Stadtteilen zu stärken. Das ist kein Widerspruch zu einer attraktiven Innenstadt. Man muss auch sehen, dass im Umfeld des Kö-Bogens Investoren viel Geld in die Hand genommen haben.

Sie erwähnen die Nahversorgung. In vielen Stadtteilen ist es ein großes Ärgernis, dass nahe Einkaufsmöglichkeiten fehlen. Was muss getan werden?

Siepmann Es müssen ausreichend Parkplätze vorhanden sein, es muss sicher und sauber sein. Bei der Neuausrichtung des Oberbilker Markts haben sich deshalb Händler und Planer frühzeitig zu Gesprächen getroffen.

Es hat aber bisher nicht zu der erhofften Belebung geführt. Was muss sich also ändern?

Ehlert Ich wünsche mir, dass bei solchen Projekten bereits in der Planungsphase die Entwicklung des Umfelds beachtet wird. Das gilt zum Beispiel für den Wohnungsbau an der Mindener Straße. Oder nehmen Sie "Le Flair". Da ist auf einer ehemaligen Brachfläche (früher Derendorfer Güterbahnhof, d. Red.) ein ganzes hochpreisiges Viertel entstanden. An die Auswirkungen auf das Umfeld hat offenbar niemand gedacht. Siepmann Angesichts des Fachkräftemangels ist es ein wichtiger Standortfaktor, dass auch Menschen mit kleinen oder mittleren Einkommen sich das Wohnen in Düsseldorf noch leisten können. Ehlert Das möchte ich dreimal unterstreichen. Es ist auch unserer Kammer ein Herzensanliegen, dass die Mieten erschwinglich bleiben.

Wie kann die Stadtverwaltung das steuern?

Ehlert Es ist wichtig, Investoren nicht nur Pflichten und starre Quoten aufzuerlegen, sondern auch Grundstücke günstiger anzubieten. Es muss sich lohnen, preiswerten Wohnraum zu bauen. Das Land hat übrigens auch viele Grundstücke in Düsseldorf und könnte deshalb auch einiges tun. Siepmann Nach dem Regionalplan, der derzeit neu aufgestellt wird, kann Düsseldorf allein die Nachfrage nicht stillen. Mit Blick auf Pendlerkosten ist es wichtig, Wohnraum in der Stadt zu schaffen, aber ohne die Region wird es nicht gehen.

Düsseldorf ist wirtschaftlich schuldenfrei. Wie wichtig ist das aus Ihrer Sicht?

Ehlert Ich möchte unbedingt, dass das so bleibt. Denn es sichert Investitionen, wenn man nicht horrende Zinsen zahlen muss. Siepmann Die Schuldenfreiheit hat auch eine wichtige Signalwirkung, weil Unternehmen, die sich in Düsseldorf ansiedeln, die Sicherheit haben, dass nicht demnächst die Steuern erhöht werden. Ich bin dankbar für das Beispiel Monheim, das zeigt, dass die Höhe der Gewerbesteuer eine große Rolle bei der Ansiedlung von Unternehmen spielt.

Herr Geisel und die Ampel-Verhandler von SPD, FDP und Grünen denken darüber nach, Schulden für notwendige Investitionen in städtische Töchter auszulagern, zum Beispiel in eine Firma für Schulneubauten. Das hätte auch Vorteile bei der Vergabe von Aufträgen ...

Ehlert Ich halte das für einen Taschenspielertrick. So etwas brauchen wir nicht. Man muss Schulen nicht europaweit ausschreiben. Die Stadt sollte möglichst in freihändiger Vergabe das regionale Handwerk berücksichtigen. Davon profitieren schließlich alle Seiten. Aber das muss die Politik entscheiden. Siepmann Ich sehe auch die Gefahr, dass am Ende eine Holding steht, bei der das Zugriffsrecht des Rates nicht mehr gegeben ist und Schulden verschleiert werden.

Sind Sie beruhigt, dass Geisel zu der geplanten Kapazitätserweiterung des Flughafens steht?

Siepmann Ja, eindeutig. Denn es nützt nicht nur dem Flughafen, sondern vielen Branchen. Und auch das ist ein wichtiges Signal an ansiedlungswillige Unternehmen, insbesondere aus dem Ausland. Ehlert Ich persönlich begrüße den Flughafen, jedoch muss der Angerlandvergleich eingehalten werden.

Die Stadt war federführend bei der geplanten Klage gegen den vom Land eingeführten Kommunal-Soli. Geisel will die Federführung nun an Monheim abgeben. Wie finden Sie das?

Siepmann Wir erwarten von der Stadtspitze, dass sie die Interessen der Stadt und nicht der Landesregierung vertritt. Düsseldorf ist neben Monheim der größte Einzahler in den fragwürdigen Topf, aus dem hochverschuldete Kommunen unterstützt werden sollen. Gut finde ich, dass Düsseldorf zumindest in der Klägergemeinschaft bleibt. Ehlert Ich glaube, dass der Kommunal-Soli die Probleme ohnehin nicht löst. Paradox ist doch, dass es Kommunen gibt, die selbst in der Haushaltssicherung stecken und trotzdem für andere zahlen sollen.

Das Verhältnis zur Landesregierung, egal welcher Farbe, war unter den beiden letzten Oberbürgermeistern Elbers und Erwin nicht das beste. Glauben Sie, dass es sich entspannt?

Ehlert Grundsätzlich ist Düsseldorf keine alleinstehende Stadt, sie ist auf Zusammenarbeit angewiesen. Wenn ich auf den vergangenen Wahlkampf blicke, wo auch der eine oder andere Misston gefallen ist, möchte ich doch dafür plädieren, auch mit dem Ruhrgebiet die Kooperation wieder aufzunehmen. Siepmann Man hätte in den vergangenen 15 Jahren durch ein besseres Verhältnis zur Landesregierung manchen Schatz heben können, insbesondere bei den internationalen Wirtschaftsbeziehungen.

Ein wichtiges Zukunftsthema ist auch der Verkehr. Was halten Sie von den Plänen der neuen Ratsmehrheit, dem Radverkehr, aber auch Bussen und Bahnen Vorrang vor dem Autoverkehr zu geben?

Ehlert Düsseldorf ist in Summe sehr gut erreichbar. Den geplanten Ausbau des Radwegenetzes und die Stärkung des ÖPNV finde ich prinzipiell nicht schlecht, weil das dazu führt, dass die Straßen entlastet werden. Das darf aber nicht dazu führen, dass der Autoverkehr behindert wird. Denn fest steht: In der Innenstadt muss der Verkehr fließen. Siepmann Die Händler haben wegen der jahrelangen Baustellen eine schwierige Zeit hinter sich. Deshalb ist jetzt das wichtigste Signal, dass die Kunden auch mit dem Auto gut in die Innenstadt kommen. Denn andernfalls werden sie sich andere Einkaufsziele in der Region suchen.

DENISA RICHTERS UND UWE-JENS RUHNAU FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

(dr)
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