Interview mit Volker Consoir und Bernd Kost "Das ganze Daimler-Werk ist in Gefahr"

Düsseldorf · IG Metall und Daimler-Betriebsrat sprechen über die Chancen, 1800 Jobs zu retten und darüber, wie der Kampf weitergehen soll.

Düsseldorf: Das sagen die Daimler-Streikenden
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Sie wollen die Produktion der US-Sprinter in Düsseldorf erhalten und 1800 Jobs retten. Was spricht wirtschaftlich für Düsseldorf?

Kost Wir haben in den vergangenen Jahren jeden Kundenwunsch bedient, auch über lange Zeiträume rund um die Uhr. Wir bieten Qualitätsstandards und Liefertreue. Gebt uns Aufträge, und wir bauen jedes Auto, das der Kunde haben will. Wir sind fassungslos, dass man so viele von uns loswerden will

Consoir Daimler erwägt ja, die Produktion der 25 000 Sprinter für den US-Markt nach Amerika zu verlagern. Selbst wenn dieser Markt auf 40 000 Fahrzeuge im Jahr steigt, ist es fraglich, ob sich dafür ein Werk lohnt. Bisher wurde dem Betriebsrat immer gesagt, unter 100 000 Autos sei ein Werk unrentabel.

Sehen Sie über die Exportproduktion hinaus das Werk in Gefahr?

Kost Ja, ganz massiv. Wenn die US-Sprinter und die VW Crafter nicht mehr bei uns gebaut werden, haben wir ein Drittel weniger Aufträge. Auch wenn man Personal abbauen würde, die Fixkosten der riesigen Fabrik werden gleich hoch bleiben. Unterm Strich heißt das, dass unser Werk unwirtschaftlicher wird im Vergleich mit anderen Standorten.

 Volker Consoir (l.) ist Vize-Chef der IG Metall. Bernd Kost arbeitet seit Jahren im Daimler-Werk und ist Betriebsrat. Sie kämpfen um 1800 Jobs.

Volker Consoir (l.) ist Vize-Chef der IG Metall. Bernd Kost arbeitet seit Jahren im Daimler-Werk und ist Betriebsrat. Sie kämpfen um 1800 Jobs.

Foto: Jürgen Bauer

Consoir Wir stehen unter Beobachtung aller anderen deutschen Daimler-Werke. Wenn Daimler die Produktionsverlagerung durchzieht, wäre das eine Zäsur. "Wenn die das in Düsseldorf machen, dann machen die das überall", lautet die Sorge der anderen Belegschaften. Außerdem ist Düsseldorf das Werk, was seit vielen Jahren enorme Gewinne einfährt und andere Betriebe der Transportersparte mit durchzieht. Und von diesen Gewinnen, die die Düsseldorfer Arbeiter erwirtschaftet haben, sollen jetzt genau deren Jobs abgebaut werden, paradox ist das.

Daimler verspricht, 100 Millionen in das Werk zu investieren...

Kost Das ist eine Beruhigungspille, mehr nicht, die Investitionen standen ohnehin an.

Daimler argumentiert mit den hohen Schutzzöllen und der teuren Demontage, um diese zu umgehen...

Consoir Alle reden über das Freihandelsabkommen, das mit den USA verhandelt wird. Möglicherweise kommt es bald zu einer Vereinbarung, dann fällt der Schutzzoll weg, das Hauptargument der Geschäftsleitung für eine Verlagerung.

Warum prüft Daimler dann überhaupt den Bau eines US-Werkes?

Consoir Möglicherweise winken in den USA hohe Subventionen. Bei anderen Werken, von VW und auch Daimler, flossen mehr als 100 000 Dollar je neu geschaffenem Arbeitsplatz. Doch langfristig ist das kein Geschäftsmodell. Denn was, wenn der US-Markt nicht so wächst wie erhofft, oder wenn Daimlers Marktanteil nicht wie geplant steigt. Dann geht der Schuss nach hinten los. Daimler spielt mit dem Feuer.

Was werden Sie tun, um die Arbeitsplätze in Düsseldorf zu halten?

Kost Wir sprechen am Freitag mit dem verantwortlichen Stuttgarter Manager. Wir werden unsere Fragen stellen. Wir sind nicht in einer Situation der Ohnmacht. Wir haben etwas zu bieten. Wir werden hart verhandeln. Und entgegen mancher Presseberichte bin ich sicher, dass wir eine realistische Chance haben, zu gewinnen und zu überzeugen.

Mit Ihrer ersten Kundgebung haben Sie eine ganze Tagesproduktion ausfallen lassen...

Consoir Wir streiken nicht, wir nutzen nur unser Bürgerrecht auf Kundgebungen und Demonstrationen. Und die erste Kundgebung war nur eine zärtliche Übung.

THORSTEN BREITKOPF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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