Düsseldorf Das gewaltfreie Klassenzimmer

Düsseldorf · "Faustlos", "Coolness", "Mut tut gut": Die Zahl der Präventionsprogramme steigt, in denen Grundschüler lernen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Stiftungen helfen bei der Finanzierung, der städtische Etat liegt nur bei 22.000 Euro.

 Konflikttrainer Simon Tschoepe in der 3a der Gemeinschaftsgrundschule Sonnenstraße: Den Kindern erklärt er, wie sie "Nein" sagen.

Konflikttrainer Simon Tschoepe in der 3a der Gemeinschaftsgrundschule Sonnenstraße: Den Kindern erklärt er, wie sie "Nein" sagen.

Foto: Andreas Endermann

An das letzte blaue Auge kann sich Claudia Marx noch gut erinnern. Eine gute Woche ist das her. "Zwei Jungs stritten sich. Ein Dritter wollte schlichten. Das ging einem der beiden Streithähne zu weit. Er schlug dem Unbeteiligten ins Gesicht", erinnert sich die Leiterin der katholischen Grundschule an der Josef-Kleesattel-Straße in Garath. "Wir haben ihn vorübergehend von den Pausen ausgeschlossen und die Eltern kontaktiert", sagt die Pädagogin, die seit elf Jahren im Düsseldorfer Süden arbeitet. Die Frage, ob sich in dieser Zeit etwas verändert hat, beantwortet sie mit einem klaren Ja. "Nach der Schule sind Kinder früher raus auf die Straße gegangen, haben mit anderen gespielt und dabei auch gelernt, Konflikte zu lösen. Heute sitzen sie oft zuhause, beschäftigen sich mit sich selbst oder spielen mit dem Tablet", sagt die Pädagogin. Mit der Folge, dass Konflikte immer häufiger eskalieren und sich viele Kinder kaum noch konzentrieren können.

Um gegenzusteuern, hat Marx in diesem Jahr das Präventionsprogramm "Gewaltfrei lernen" an ihre Schule geholt. Das Credo des Vereins, der ihr hilft, das schuleigene Sozialkonzept zu erweitern, lautet: Je eher das Training von Konflikten einsetzt desto besser. Möglich gemacht hat das Projekt die Sozial-Stiftung der Sparda-Bank West. "So etwas kostet mehrere Tausend Euro, damit wäre unser Förderverein überfordert", sagt Marx.

Ganz ähnlich ist das ein paar Kilometer weiter an der Gemeinschaftsgrundschule Sonnenstraße. Dort sowie an zwei weiteren Oberbilker Grundschulen fördert die an der Emmastraße sitzende Paul und Mia Herzog Stiftung das Präventionsprojekt "Mut tut gut" mit 10.000 Euro. "Wir wollen das Selbstwertgefühl stärken. Kinder, die selbstbewusst sind und sich angenommen fühlen, halten auch einmal eine Ungerechtigkeit aus, ohne zurück zu schlagen", sagt Simon Tschoepe vom Verein "Förderer sozialer Kompetenzen in Schulen". An diesem Tag übt er an der Sonnenstraße mit den Kindern der 3a, wie sie "Nein" und "Stop" sagen, nicht nur untereinander, sondern auch dann, wenn Fremde sie ansprechen. Klassenlehrerin Sigrid Frohnert ist angetan von dem Projekt, weil es mit Methoden arbeitet, die sonst nicht zum Unterricht gehören.

Dafür, dass es an Grundschulen immer mehr Präventionsprojekte gibt, nennt Dagmar Wandt, Leiterin des Schulverwaltungsamts, zwei Gründe: "Einerseits haben Aggressivität und Gewaltbereitschaft bei jüngeren Schülern zugenommen, andererseits wird heute viel genauer hingeguckt. Man nimmt das Thema einfach stärker wahr." Die Stadt unterstützt die Präventionsprogramme auch finanziell. Gut 22.000 Euro "für Teil-Finanzierungen" stehen dafür im Etat pro Jahr bereit. Hinzu kommen theaterpädagogische Angebote und die Ausbildung zu Fahrzeugbegleitern bei der Rheinbahn.

Und wenn das alles nicht hilft? "Gibt es - nach einer Vielzahl von Gesprächen - einen Eintrag in unser Rotes Buch", sagt Linda Oppermann, Konrektorin an der GGS Sonnenstraße. Den müssen auch die Eltern unterschreiben. Spätestens beim dritten Eintrag folgt ein Gespräch beim Schulleiter. Damit es gar nicht erst so weit kommt, wünscht Oppermann sich, eine Wiederholung von "Mut tut gut". "Dann mit anderen Schwerpunkten wie zum Beispiel Sucht oder Medienkonsum."

(jj)
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