Serie So Wohnt Düsseldorf Das Haus mit dem Loch

Düsseldorf · Einst war der alte Bungalow in Derendorf eine schlichte Unterkunft mit zehn dunklen Zimmern. Dann hatte ein Architekt eine zündende Idee.

Das Haus mit dem Loch
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Das Haus mit dem Loch

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Foto: Anne Orthen

Es mag einen Moment gegeben haben, da zweifelte Solène Holtmann vermutlich am Verstand ihres Mannes. Oder zumindest an seinem Geschmack. Sie besuchte gerade ihre Eltern in Frankreich, als er anrief und verkündete: "Ich hab' ein Haus für uns gefunden." Als sie es dann sah, das von ihm erwählte Objekt, fand sie es "total hässlich". Heute fast sieben Jahre nach dem Anruf hat sich ihre Einschätzung völlig gewandelt. Nun sagt sie über ihr Haus: "Es ist wie ein Lottogewinn." Was ist zwischen diesen beiden Momenten passiert?

Eine Sackgasse in Derendorf. Massive Blockbebauung. Einige Häuser sind 100 Jahre alt, andere wurden nach dem Zweiten Weltkrieg in die Bombenlücken gebaut, mit wenig Geld und wenig Zeit. In der Mitte des Karrees, von der hohen Nachbarschaft geradezu eingekeilt: ein Bungalow. Er stammt aus den 1960er Jahren und diente vermutlich den Mitarbeitern einer Versicherungsgesellschaft als schlichte Unterkunft. Architekt Wieland Freudiger erläutert die Vergangenheit an einem alten Plan: Zehn Zimmer, fünf an jeder Seite, dazwischen ein langer, düsterer Flur. "Die Zimmer waren tiefe, dunkle Räume mit jeweils nur einem Fenster und einem Waschtisch, außerdem gab's Gemeinschaftsduschen." Wohnverhältnisse der bescheidenen Art mit orange gestrichenen Türen und blauen, abgewetzten Teppichböden.

Aber Sebastian Holtmann, der künftige Hausherr, ließ sich davon nicht abschrecken, er muss offenbar eine Ahnung gehabt haben, was sich daraus was machen ließe. Zumal der Derendorfer Bungalow zu diesem Zeitpunkt schon lange leer stand und der Kaufpreis relativ günstig war. Außerdem erfüllte die Umgebung einen wichtigen Wunsch der Familie: "Wir wollten nicht in ein Reihenhaus am Stadtrand ziehen, wir wollten mitten in der Stadt bleiben." Und das neue Domizil musste ebenerdig sein, denn eine Tochter der Familie ist gehbehindert und auf einen Rollstuhl angewiesen. "Aber finden Sie so was mal." Entscheidend war dann für die weiteren Schritte, dass sie Architekt Freudiger trafen.

Er entwickelte die zündende Idee: "Wir lassen nur die Grundmauern stehen, entkernen das Haus komplett und schneiden in die Mitte ein Loch." Salopp gesagt. Also ein 20 Quadratmeter großes Rechteck mit Doppelfunktion: Einerseits entstand so ein Patio, in dem das Paar mit seinen drei Kindern unter freiem Himmel sitzen kann, ohne der Nachbarschaft Einblicke in sein Privatleben zu gewähren. Und außerdem brachte dieser kühne Schnitt Licht ins Haus. Denn heute öffnen sich fast alle Zimmer zu diesem Innenhof, er ist der zentrale Punkt des Hauses.

Und so sitzt Solène Holtmann in ihrer Küche mit dem Fußboden aus Blau-Rostbraun gemusterten Zementfliesen, wie sie schon seit 100 Jahren produziert werden und schaut in ihr stilles, grünes Refugium. Die Kacheln gefallen ihr übrigens so sehr, dass sie ein paar, die vom Boden übriggeblieben sind, heute als Untersetzer nutzt. Das große Wohnzimmer der Familie ist dank der zusätzlichen Lichtquelle ein sonnenheller Raum. Ein Detail, das besonders wichtig für den Hausherrn ist, denn er schätzt Licht durchflutete Räume.

In diesem Wohnraum werden alte und neue Möbel kühn gemixt: Ein silbergrauer Sessel aus einem Antiquitätengeschäft verträgt sich mit dem modernen Sofa. Auf der Fensterbank erinnern meeresblaue Siphons an Solène Hartmanns französische Heimat. Die schlichten Holzstühle um den Esstisch bekamen Gesellschaft von drei Exemplaren, die mit lila Samt bezogen wurden. Das vielleicht interessanteste Möbel ist ein alter Kinderstuhl, in dem schon viele Generationen von Jungen und Mädchen mit den Erwachsenen in Augenhöhe am Tisch sitzen konnten. Der Sohn der Familie bekam ihn von seinem Patenonkel, der wiederum hatte ihn von seinem Uropa. Tradition im besten Sinn.

Wenn sich Solène Holtmann in ihrem Reich umschaut, sagt sie: "Heute ist das Haus ein Traum für mich." Die nahe Nachbarschaft, die ihr in fast alle Fenster schauen kann, ist für sie kein Problem. "Wir haben ja den Patio." Und einen Grund, am Verstand ihres Mannes zu zweifeln, hat sie seitdem auch nicht mehr gehabt. Ist eben alles eine Frage der Fantasie.

(RP)
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