Düsseldorf Das kleine Paradies von Familie Wickert

Düsseldorf · Mit den Kleingärtnern legt sich die Politik ungern an – nicht ohne Grund. Ein Besuch in der Siedlung des Vereins "Rather Broich".

Schon wieder naht der Winter. Heidi und Günter Wickert graben die Beete um; bald kommen die Dahlien in den Keller, auch die Steinfigürchen von Laurel und Hardy. Heute wird noch einmal gegrillt. Das Rentnerpaar verbringt fast jeden Tag in seinem Kleingarten. Direkt nebenan auf dem Rather Broich rasen die Autos. Die Wickerts pflegen die Blumen, sonnen sich und sehen fern. Als sie noch weniger Rückenprobleme hatten, bauten sie noch Gemüse an. Frau Wickert sagt: "Der Garten, das ist ein Paradies."

Die Wickerts bewirtschaften eine von 149 Parzellen in der Anlage des KGV "Rather Broich". Das ist einer von 104 Kleingärtnervereinen in Düsseldorf; 7900 Mitglieder sind in ihnen organisiert. Gerade hat der Ring Deutscher Makler mal wieder angeregt, den Kleingärtnern Land wegzunehmen, um Platz für Wohnungen zu gewinnen. Der Kleingärtnerverband hat bereits Widerstand angekündigt, falls das wirklich jemand versucht.

Wenn man die Kleingärtner am Rather Broich besucht, ahnt man, warum sich die Politik ungern mit ihnen anlegt. Sie würden ihre Lauben so schnell nicht hergeben. "Man ist in der Parzelle verwurzelt", sagt der Vereins- und Kleingärtnerverbandsvorsitzende Peter Vossen. Darüber hinaus ist Kleingärtnern nach wie vor beliebt: Auf der Warteliste am Rather Broich stehen 25 Interessenten. "Und es wird selten ein Garten frei", sagt Vossen.

Wie ist der typische Kleingärtner? In der Anlage in Rath sieht man vieles, was man erwartet: Gartenzwerge, penibel gepflegte Beete, viele graue Haare. Wenn man ins Gespräch kommt, bemerkt man aber auch, dass nicht jedes Klischee zutrifft. In der Parzelle neben den Wickerts zum Beispiel trifft man drei jüngere Frauen. Diesen Garten pachtet seit zehn Jahren Familie Agirkaya. Auf dem kleinen Elektroherd brutzelt das Essen. Die Frauen sitzen am Tisch und unterhalten sich, der Großvater stutzt stumm den Golfrasen. Wenn die Großfamilie versammelt ist, wird es eng – sie hat 20 Mitglieder, Kleinkinder nicht eingerechnet. "Wie am Strand" gehe es hier im Sommer zu, erzählt eine der Frauen.

Laut dem Vereinsvorsitzenden Peter Vossen liegt das Durchschnittsalter beim KGV "Rather Broich" bei 50 Jahren. Alle Bildungsstände seien vertreten, es gebe auch Anwälte und Doktoren. Der soziale Gedanke sei aber wichtig: Man achte darauf, dass die Abstandszahlung für Neulinge nicht zu hoch werde – mit Kanalanschluss werden ohnehin tausende Euro fällig. Der Verein überwacht auch die Einhaltung der Regeln. Die Gärtner sind alle nur Pächter. Das Bundeskleingartengesetz legt in allen Einzelheiten fest, wie breit sie ihre Hecke wuchern lassen dürfen und wie hoch der Anteil an Gemüsebeeten in den Gärten sein muss. Man handhabe das aber locker, sagt Vossen. Familie Agirkaya durfte sogar ein Trampolin für die Kinder aufstellen. Wenn es Streit gibt, müssen beide Parteien zur Vorstandssitzung kommen. "Wenn sich ein Konflikt gar nicht lösen lässt, verweisen wir aufs Gericht."

Elena Kelpe, die ein Stück weiter gegen das Unkraut ankämpft, hatte noch keine Schwierigkeiten, auch wenn ihr Garten ein wenig anders ist. Es gibt geschwungene Beete, wild sprießende Pflanzen und einen großen Komposthaufen. "Kreatives Chaos", nennt das die 49-Jährige, die im Marketing arbeitet. Zweimal pro Woche kommt sie vorbei. Für die Familie baut sie auch Bio-Obst an. Ihr größter Erfolg: In diesem Jahr hat sie 28 Kilo Süßkirschen geerntet, trotz Spechten und Fliegen. Nun plant sie die nächste Umgestaltung. "Ich tobe mich hier aus."

(RP)
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