Düsseldorf Das NRW-Forum hat jetzt einen virtuellen Anbau

Düsseldorf · Die Besucher können künstliche Welten erkunden. Eine schwindelerregende Erfahrung.

 Auf Tour im virtuellen Anbau: Die Künstler Friedemann Banz (v.l.), Giulia Bowinkel, Manuel Roßner und Museumschef Alain Biber.

Auf Tour im virtuellen Anbau: Die Künstler Friedemann Banz (v.l.), Giulia Bowinkel, Manuel Roßner und Museumschef Alain Biber.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Der neue Anbau des NRW-Forums ist ganz einfach zu finden: Man geht die Treppe hinauf, die plötzlich vom ersten Stock nach oben führt. Eine Etage höher steigt man in den Aufzug, der einen über die Dächer von Düsseldorf bringt. Einfach aussteigen - und da beginnt der neue, kilometerweite Museumsflügel. Man wird durch karge Mondlandschaften wandeln und Skulpturen sehen, die plötzlich zerbrechen. Man trifft springende Pakete und bizarre Kriechtiere. Es geht tief hinein in eine Welt, in der Schwerkraft und Logik nicht zu gelten scheinen.

Der "virtuelle Anbau" ist die neue Attraktion des Ausstellungshauses - und eine Einrichtung, wie man sie in wenigen Museen auf der Welt findet. Fünf Künstler haben für die Debüt-Ausstellung "Unreal" jeweils einen Raum gestaltet. Wobei: "Räume" sind in diesem Fall ganze Landschaften, durch die Besucher mittels 3D-Brille schreiten. Es ist eine schwindelerregende Ausstellungs-Erfahrung - und ein kluger Versuch über die Frage, wie sich ein Museum mit digitalen Kunstformen auseinandersetzen kann. Heute startet "Unreal" mit einer Fachkonferenz.

In der echten Welt befindet sich die Ausstellung in einem Raum im ersten Stock mit knallbunt gestalteten Wänden, den man zumindest körperlich bis zum Ende des Rundgangs nicht verlassen wird. Es gibt fünf Besucherplätze. Sie sind ausgerüstet mit einer 3D-Brille, Kopfhörern und einem Computer, der die Welten errechnet. Mit einer Art Fernbedienung können Besucher mit der virtuellen Welt interagieren - wie in einem Videospiel. Die Bilder sind fotorealistisch, die Technik hat sich rasant entwickelt: "Virtual Reality" gilt als einer der Trends in der Unterhaltungsindustrie.

Museumschef Alain Bieber hat die Ausstellung mit dem Netzkünstler Manuel Roßner kuratiert. Bieber hat die Möglichkeiten des Digitalen zu seinem Thema gemacht - und vermischt seit seinem Antritt furchtlos Popkultur, Trash und Avantgarde. Seine erste Ausstellung hatte er Selfies gewidmet, in einer Veranstaltungsreihe befasste er sich mit Internet-Trends wie Katzenvideos. Mit dem virtuellen Anbau will er ein Forum für den künstlerischen Umgang mit künstlichen Welten starten. Im Untergeschoss ist zeitgleich die Foto-Ausstellung zur Tour de France zu sehen.

Bei den ersten Metern im Anbau muss man sich erst einmal an die Handhabung gewöhnen. Die Technik lässt einen so tief eintauchen, dass man keine Ahnung mehr hat, wo man sich real befindet. Die Brille registriert Kopfbewegungen und bietet ein 360-Grad-Panorama, und wenn man Schritte in der realen Welt macht, bewegt man sich auch virtuell. Ein Gitternetz zeigt die Grenze an, die man nicht überschreiten sollte. Das ist wichtig, damit man nicht mit dem Nachbarn zusammenstößt und sich (reale) Verletzungen zuzieht.

Die Ausstellung erzeugt starke Bilder. Die Künstler haben bizarre, teils alptraumhafte Welten gestaltet. In manchen Räumen sind Objekte auf einer Ebene positioniert, fast so, wie man es aus einer realen Ausstellung kennt. Im Raum von Akihiko Taniguchi etwa findet sich ein Smartphone, aus dem Delfine springen. Ganz anders ist etwa der letzte Raum aufgebaut. Er lässt den Betrachter in einer surrealen Landschaft stehen, in der langsam Abend einkehrt, bis sich die Welt in ihre digitalen Bestandteile auflöst.

Die Düsseldorfer Künstler Giulia Bowinkel und Friedemann Banz, Absolventen der Kunstakademie, haben in ihrem Raum unter anderem einen Schlund platziert, der weiße Menschenfiguren ausspeit. Die beiden arbeiten schon länger mit virtuellen Welten. Nicht nur, weil sie die gestalterischen Möglichkeiten schätzen, die von wenig anderem beschränkt werden als von der Leistungsfähigkeit der Grafikkarte. Friedemann Banz sieht das Spiel mit absurden virtuellen Welten auch als Reaktion auf die absurden Entwicklungen der Welt im digitalen Zeitalter, wo ein paar Zeilen Code ausreichen können, um am anderen Ende der Welt eine Börse zum Zusammenbruch zu bringen.

Alain Bieber will den Anbau dauerhaft nutzen. Im kommenden Jahr soll es die nächste Ausstellung geben. Vorher soll "Unreal" auf Reisen gehen, schließlich lässt sich der virtuelle Anbau leicht an jedes andere Museum andocken. Zudem will Bieber die Ausstellung sogar zu Besuchern nach Hause schicken - wenn diese die nötige Hardware besitzen: Er will "Unreal" über ein Spieleportal zum Download anbieten.

(arl)
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