Svenja Schrickel Denkmäler sollen genutzt werden können

Düsseldorf · Die neue Leiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde spricht über das Schauspielhaus, die Gaslaternen und über die Abwägung verschiedenster Interessen in einer wachsenden Stadt.

 Svenja Schrickel will die Interessen der Denkmaleigentümer ernstnehmen und den Wert von Denkmälern vermitteln.

Svenja Schrickel will die Interessen der Denkmaleigentümer ernstnehmen und den Wert von Denkmälern vermitteln.

Foto: Andreas Endermann

Von Schauspielhaus bis Gaslaternen reichen ihre Themen: Svenja Schrickel ist die neue Leiterin der Unteren Denkmalschutzbehörde. Kollegiale Starthilfe gibt's auch: Weil ihr Büro noch nicht komplett eingeräumt ist, stellt Ulrike Lappessen, Leiterin des Bauaufsichtsamtes, für das Gespräch kurzerhand ihres zur Verfügung - und bleibt gleich da. Sie hat zeitweise einige Aufgaben der Denkmalpflege übernommen und hilft ihrer Kollegin jetzt beim Einarbeiten.

Was muss ein guter Denkmalpfleger mitbringen?

Schrickel Ich bin froh, dass ich viel Berufserfahrung habe - denn das erforderliche Handwerkszeug besteht nicht nur aus Fachwissen, das man im Hochschulstudium gelernt hat. Denkmalpfleger müssen auch kurzfristig bautechnische und rechtliche Fragen beurteilen können. Man sollte teamfähig sein. Denkmalpfleger brauchen ein interdisziplinäres Netzwerk mit kompetenten Partnern, denn ihre Aufgaben sind vielfältig. Wichtig finde ich auch, die Belange der Denkmaleigentümer und Bauherren ernstzunehmen und das Ziel im Blick zu haben, gemeinsam eine denkmalgerechte Lösung zu finden. Das geht nicht immer. In diesen Situationen muss ein Denkmalpfleger ganz besonders Entscheidungen transparent machen und die Grenzen und den Wert eines Denkmals vermitteln können. Ein spannender Beruf!

Welche speziellen Herausforderungen bietet Düsseldorf?

Schrickel Es gibt natürlich viele Herausforderungen, die sich besonders in den ersten Arbeitsmonaten stellen. Aber die Vielfalt macht für mich gerade den Reiz aus. Düsseldorf hat so viele Stadtteile, die eine eigene Geschichte haben, und dadurch Gebäude unterschiedlicher Prägung. Düsseldorf ist mehr als die großen Bauvorhaben und bekannten Gebäude, die jeder kennt. Stadtteile wie Kaiserswerth, Benrath oder Gerresheim mit ihrem individuellen Charakter sind für mich als Denkmalpflegerin ebenso interessant. Eine Herausforderung ist sicherlich, dass eine wachsende Stadt nicht still steht und auch Nutzungsdruck auf Baudenkmäler entstehen kann. Auf der anderen Seite gibt es hier vergleichsweise wenig leerstehende, ungenutzte Denkmäler; das ist wiederum ein Vorteil.

Welchen Einfluss hat die Tatsache, dass es in Düsseldorf mehr Menschen mit etwas mehr Geld gibt?

Schrickel In den letzten Jahren standen in Nordrhein-Westfalen wenig Fördermittel zur Erhaltung von Denkmälern zur Verfügung. Da ist es natürlich positiv, wenn Eigentümer die Besonderheiten ihres Denkmals auch ohne Unterstützung erhalten und pflegen können. Gerade Gründerzeithäuser sind in Düsseldorf ja sehr beliebt, ihr Schmuck und ihre historische Ausstattung werden geschätzt. Sie sind als Investitionsobjekte gefragt. Bei Denkmälern, die weniger Wertschätzung genießen, zum Beispiel Bauten der Nachkriegsmoderne, spielt das Geld aus meiner Sicht zunächst keine maßgebliche Rolle. Hier steht im Vordergrund, zunächst bauliche Qualitäten zu vermitteln und die Menschen für das Denkmal zu gewinnen.

In der Gerresheimer Siedlung Neustadt sind zahlreiche Gebäude denkmalgeschützt. Die Bewohner dort klagen oftmals über die Einschränkungen. Kennen Sie die Siedlung schon?

Schrickel Alte Arbeitersiedlungen sind in der Tat ein Thema, das in meinem Beruf immer wieder eine wichtige Rolle spielt. Ich habe vorher im Ruhrgebiet gearbeitet, da ist das Thema an der Tagesordnung. Die Probleme entstehen, wenn die Siedlung optisch aus einem Guss ist und die einzelnen Häuser privatisiert werden. Natürlich haben die Eigentümer individuelle Vorstellungen, wie ihr Zuhause aussehen soll. Und sie haben auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten Geld, um in ihr Haus zu investieren. Wenn so eine Siedlung weiter einheitlich aussehen soll, gilt es, viele Interessen zu bündeln und zusammenzubringen. Das trifft auch auf die städtebaulich und sozialgeschichtlich interessante Siedlung in Gerresheim zu. Ich habe die Siedlung bereits besucht. Wir sind da dran.

Für das Schauspielhaus ist vieles entschieden worden, ehe Sie nach Düsseldorf kamen. Sind Sie aus dem Thema also raus?

Schrickel Die wesentlichen Weichen sind natürlich gestellt. Dennoch stellen sich bei der Sanierung von historischen Gebäuden immer noch Fragen während des Bauablaufs - auch beim Schauspielhaus. Die Denkmalbehörde ist regelmäßig auf der Baustelle. Bei einigen Entscheidungen habe ich noch die Gelegenheit, mich einzubringen. Aktuell geht es beispielsweise im Erdgeschoss um die Restaurierung von Fassadenelementen. Manchmal findet man erst während des Sanierungsprozesses heraus, dass Dinge im Bestand anders sind, als man angenommen hat.

Vor einigen Jahren sprach und stritt ganz Düsseldorf über den Abriss der Hochstraße Tausendfüßler. Haben Sie das mitbekommen?

Schrickel Das habe ich natürlich verfolgt. Ich wohne ja auch schon ein paar Jahre in Düsseldorf und kenne noch die Zeit, in der er die Stadt geprägt hat. Ich würde sagen: Weil er so rau und besonders im Zusammenspiel mit dem Schauspielhaus und dem Dreischeibenhochhaus war, wirkte er auf mich identitätsstiftend. Dass er es den Stadtplanern schwer gemacht hat, die Fläche zu entwickeln, kann ich nachempfinden. Als Denkmalpflegerin bedauere ich das sicherlich, aber es mussten viele Belange berücksichtigt werden.

Das klingt sehr diplomatisch...

Schrickel Abwägung gehört zu meinem Beruf entscheidend hinzu. Oft kursiert in der Öffentlichkeit ein Bild von einem Denkmalschutz, der keine Veränderung zulässt. Aber das ist ja nicht der Kern unserer Aufgabe. Es geht immer darum, ein Denkmal in die Zukunft zu begleiten und das zu erhalten, was es besonders und wertvoll macht. Denkmäler sollen sinnvoll genutzt werden, das besagt sogar das Denkmalschutzgesetz, die Grundlage unserer Arbeit. Es geht nicht um eine museale Erhaltung unter einer Käseglocke.

Nicht zum Denkmal wurde das Haus mit dem Pferdekopf in Bilk. Wie so?

Schrickel Das hat auch damit zu tun, dass die Ansprüche an Denkmäler gewachsen sind. Es gibt inzwischen einen guten Überblick über die Bestände dieser Zeit, die bei Denkmalwertprüfungen zum Vergleich hinzugezogen werden und in diesem Fall wurden. Ich schätze es und habe Respekt, wenn sich Leute für ein Objekt so von Herzen in ihrer Freizeit engagieren. In diesen Prozessen spürt man als Denkmalpflegerin, dass alte Gebäude Identität stiften und man eine große Verantwortung trägt. Aber in diesem Fall hat es nicht zum Denkmal gereicht.

Der Verein Denkmal Düsseldorf kümmert sich um viele Facetten des Themas. Sind private Engagements hilfreich, oder strengen sie eher an?

Schrickel Ich freue mich, wenn sich Menschen ehrenamtlich für "ihr Denkmal" stark machen oder die Geschichte ihres Ortsteils wach halten, auch wenn sie manchmal andere Ansätze verfolgen. In meinen letzten Berufsjahren habe ich häufig mit Fördervereinen und Geschichtsvereinen zusammengearbeitet und das sehr geschätzt. Beeindruckt haben mich Zeitzeugen, die Informationen über Denkmäler beisteuern konnten, die man in Büchern vergeblich sucht. Leider bleibt neben den vielen Aufgaben einer Denkmalbehörde oft zu wenig Zeit, um eine intensive Zusammenarbeit zu pflegen. Ich arbeite mich gerade in vieles ein, aber auch das wird sicher seinen Platz finden.

Die Gaslaternen haben ebenfalls viele private Beschützer. Ist das ein spezielles Düsseldorfer Thema?

Schrickel Die Diskussion war auch in Berlin vergleichbar intensiv. Düsseldorf ist aber definitiv etwas besonderes, zumal es hier noch sehr viele gasbetriebene Leuchten gibt. Im Augenblick ziehen wir gemeinsam mit Experten für Industriedenkmalpflege des Landschaftsverbandes Rheinland durchs Stadtgebiet und begutachten die Bestände unter technikgeschichtlichen, städtebaulichen und stadtgeschichtlichen Gesichtspunkten. Ziel ist es, die Leuchten-Ensembles auszuwählen, die aus denkmalpflegerischer Sicht besonders wertvoll sind.

NICOLE LANGE FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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