Düsseldorf Der Alltag einer Hebamme

Düsseldorf · Geburtshelferinnen sind oft auf Monate ausgebucht. Nicola Rinke schildert, wie ihr typischer Arbeitstag aussieht.

 Hebamme Nicola Rinke mit Emil (acht Wochen) und Mutter Linn Schulte bei einem Nachsorgetermin

Hebamme Nicola Rinke mit Emil (acht Wochen) und Mutter Linn Schulte bei einem Nachsorgetermin

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Der freundlich besprochene Anrufbeantworter von Hebamme Nicola Rinke macht den Ernst der Situation deutlich. "Ich kann erst wieder Entbindungen im September betreuen", lautet ein Teil der Ansage. Wer schnell nachrechnet, kommt zu dem Ergebnis, dass werdende Mütter sich zum Beispiel nur die Hebamme für die Nachsorge nach der Geburt sichern können, wenn sie sofort mit Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft tätig werden.

"Gerade Erstgebärenden, die darauf besonders angewiesen sind, wissen das nicht und werden leider häufig nicht von ihren Ärzten darauf hingewiesen", sagt Rinke. Die Mutter von drei Kindern ist seit 24 Jahren Hebamme und seit 16 Jahren Kreisvorsitzende des Düsseldorfer Hebammen Verbandes, kennt die Situation also schon seit Jahren. "Es fehlt einfach der Nachwuchs. Deshalb bin ich leider auch kein Einzelfall, sondern alle Hebammen haben keine Kapazitäten mehr. Wir können nicht noch mehr leisten." Wer sich einen exemplarischen Tagesablauf der Gerresheimerin anschaut, glaubt ihr das gerne.

Der Morgen Seit 22 Jahren übernimmt sie regelmäßig Schichtdienste im Duisburger Bethesda Krankenhaus. Die Frühschicht beginnt dort zum Beispiel um 6 Uhr. "Ich stehe dann um 4.15 Uhr auf und bin gegen 5.40 Uhr in der Klinik, ziehe mich um und führe mit der Kollegin die Übergabe durch." Ihre Aufgabe ist dann die Betreuung von Geburten im Kreißsaal und das können manchmal fünf Entbindungen gleichzeitig sein. "Die Besetzung der Kreißsäle in vielen Krankenhäusern ist eine Katastrophe", sagt Rinke. Gleichzeitige Entbindungen seien zwar immer schon üblich gewesen, aber die Arbeit sei viel anstrengender geworden. "Schwangere sind unsicherer, fordern immer mehr Hilfsmittel und eine absolute Sicherheit ein, aber hören immer weniger auf ihren eigenen Körper", sagt Rinke. Hinzu kommt, dass es immer weniger Mehrgebärende gibt, die schon die Abläufe kennen, und die Frauen oft uninformiert zur Entbindung erscheinen. "Das liegt daran, dass sie keinen Schwangerschaftsvorbereitungskurs finden, denn auch da haben wir nicht ausreichend Plätze frei", sagt Rinke.

Der Nachmittag Dienstschluss hätte sie eigentlich um 14.30 Uhr. "Überstunden sind aber normal, denn man geht nicht einfach in der Endphase einer Geburt. Zudem springen wir immer wieder für kranke Kolleginnen ein." Wenn überhaupt würde diese Mehrarbeit nur sehr gering vergütet. "Und die Überstunden abfeiern konnte ich bisher nur einmal in meinem Berufsleben, nämlich als ich selber schwanger war."

Nach dem Feierabend Nach Dienstschluss warten viele verschiedene Aufgaben auf Rinke. Am Wochenende führt sie zum Beispiele Geburtsvorbereitungs- oder Rückbildungskurse durch. "Die sind in der Regel innerhalb von zwei Tagen ausgebucht." Sie betreut nach der Kreißsaalarbeit noch bis zu fünf Schwangere und Wöchnerinnen daheim oder in ihrer Hebammenpraxis, führt viele Beratungsgespräche durch und behandelt zum Beispiel typische Schwangerschaftsbeschwerden wie Rückenschmerzen und Wassereinlagerungen. "Da wir hier weitaus nicht die Nachfrage befriedigen können, sind viele Frauen unversorgt und müssen eine Arztpraxis aufsuchen. Kinder- und Frauenärzte klagen bereits darüber, da sie eigentlich nicht dafür zuständig sind."

Wie die Düsseldorfer Hebammenzentrale bestätigt, rufen Eltern manchmal vergebens bis zu 70 Hebammen an, um eine Betreuung zu finden. "Das ist für uns ein enorm emotionaler Druck, verzweifelten Eltern absagen zu müssen", sagt Rinke.

"Hinzu kommt noch, dass die Bürokratie ungeheuer angewachsen ist. Ich verbringe jeden Tag noch zwei Stunden am Schreibtisch. Diese Zeit geht für meine eigentliche Arbeit mit Müttern verloren. Freizeit kennt dieser Beruf kaum."

Lösungsansätze Das Durchschnittsalter einer Hebamme beträgt 49 Jahre. Grund für den Nachwuchsmangel sind Probleme, die nur auf Bundesebene gelöst werden können, wie hohe Versicherungen, schlechte Bezahlung bei schwierigen Arbeitszeiten und mangelnde Anerkennung. "Die Stadt Düsseldorf könnte uns aber mit Parkausweisen oder kostenlosen Fortbildungen vom Gesundheitsamt helfen. Andere Städte stellen günstige Wohnungen zur Verfügung oder leisten Zusatzzahlungen", sagt Rinke. Sie würde sich auch freuen, wenn Düsseldorf sich für das Projekt "Modellentwicklung für Versorgungskonzepte in der Hebammenarbeit" melden würde, mit dem dauerhaft die Probleme gelöst werden sollen. Problematisch ist die Situation in Gebieten mit schwierigen Parkplatzverhältnissen. Da Hebammen wählen können, welchen Auftrag sie übernehmen wollen, werden Stadtteile wie Flingern und Unterbilk ungerne bedient.

Dennoch liebt Nicola Rinke ihren Beruf. "Ich würde ihn wieder ergreifen, denn er bietet viele wunderschöne Momente. Allerdings muss sich viel ändern, damit er Spaß macht und auch vernünftig ausgeübt werden kann und so wieder für den Nachwuchs interessant wird."

(brab)
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