Debatte um Bußgeld für Rentner Der Düsseldorfer Ordnungsdienst und das Augenmaß

Meinung | Düsseldorf · Das Knöllchen für einen dementen Rentner, der aus dem falschen Grund an einer Haltestelle saß, hat für das Image des städtischen Ordnungsdiensts fatale Folgen. Womöglich fehlte es am rechten Augenmaß. Das lässt die Öffentlichkeit in ihrer Reaktion aber auch vermissen.

Am späten Mittwochabend hat ein 35-jähriger Mann einen Mitarbeiter des Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) mit einem Handkantenschlag gegen den Hals außer Gefecht gesetzt. Grund: Der OSDler hatte einer Passantin helfen wollen, die sich von dem Mann bedroht fühlte, und den Marokkaner nach seinen Personalien gefragt. Der schlug zu. Jetzt droht ihm ein Strafverfahren.

Angriffe auf den OSD sind keine Seltenheit. 110 solcher und ähnlicher Taten sind dieses Jahr bereits angezeigt worden, vier mehr als im gesamten Vorjahr. Obendrein sehen sich die städtischen Ordnungshüter aktuell einem neuen Extrem gegenüber: Nach dem umstrittenen Knöllchen für einen dementen Rentner, der an einer Bushaltestelle saß, obwohl er gar nicht Bus fahren wollte, überschlagen sich deutschlandweit üble Schimpftiraden in den sozialen Netzwerken. Der Gipfel: Im Ordnungsamt traf per E-Mail eine Morddrohung gegen die Mitarbeiterin ein, die den Strafzettel unterzeichnet hatte. Die Polizei ermittelt. Den Namen der städtischen Angestellten hatte der anonyme Droher aus dem Internet - wo ein Freund der Rentnerfamilie das Knöllchen veröffentlicht hat.

Für das Image der städtischen Ordnungshüter ist der Knöllchen-Vorfall eine Katastrophe. Zumal sie sich schon aus Gründen des Datenschutzes nicht gegen die Hasswelle verteidigen können, die sie aus ihrer Sicht zu Unrecht trifft. Schließlich sind es die Beschwerden von Bürgern, denen sie gerade im Bahnhofsviertel nachgehen, wo die Haltestellen regelmäßig von der Trinker- oder Drogenszene in Beschlag genommen werden. Dass sie da mit freundlichen Ansprachen nicht weit kommen, sollte jedem klar sein, der mit offenen Ohren einmal durchs Viertel geht. Womöglich fehlte es an jenem Vormittag, als eine OSD-Streife den 86-Jährigen wegschicken wollte, auch am rechten Augenmaß. Dass der Mann, der sich nach Angaben seiner Familie bloß ein wenig hatte ausruhen wollen, an Demenz leidet - wie hätte das aber der OSD erkennen sollen?

Ein einfacher Widerspruch gegen das Knöllchen hätte gereicht, um die Sache aus der Welt zu schaffen, hat der Ordnungsdezernent versichert. Dass stattdessen ein hasserfüllter öffentlicher Druck erzeugt wurde, unter dem die Stadt sich für ihren OSD entschuldigt, trifft die Mitarbeiter hart. Am Augenmaß fehlt es auch da.

(sg)
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