Serie Düsseldorfer Erfindungen Der erste Getränkekarton Europas

Düsseldorf · Vor 85 Jahren entwickelte die Firma Jagenberg die Perga-Packung. Dieses Getränkebehältnis ist bis heute aus keinem Supermarktregal wegzudenken.

 Berlin, Paris, New York: Vom Düsseldorfer Werk an der Himmelgeister Straße belieferte die Firma Jagenberg Kunden in Europa, aber auch in Übersee.

Berlin, Paris, New York: Vom Düsseldorfer Werk an der Himmelgeister Straße belieferte die Firma Jagenberg Kunden in Europa, aber auch in Übersee.

Foto: Jagenberg

Eine Verpackung schützt das Produkt und lockt den Blick der Kunden an. Darüber hinaus ist sie ein Multitalent. Das findet jedenfalls der Kunsthistoriker Hans-Georg Böcher, Leiter des Verpackungsmuseums in Heidelberg: "Eine Verpackung spiegelt die Veränderung in der Warenwelt, aber auch verschiedene Zeitströme, sie ist ein Stückchen Design, ein Kulturgut." Du meine Tüte, wer hätte das gedacht, der gerade im Supermarktregal nach einer Milchpackung greift. Im Heidelberger Museum steht jedenfalls so ein "Kulturgut" Made in Düsseldorf im Regal: die Perga-Packung der Firma Jagenberg. Dieser Getränkekarton, der vor 85 Jahren patentiert wurde, gilt als europäischer Pionier.

Ferdinand Emil Jagenberg eröffnete 1878 eine Papierhandlung in Düsseldorf. Seine beiden Söhne Max und Emil, beide Ingenieure und kluge Köpfe, beflügelten das Geschäft mit ihren Ideen: Sie konstruierten Maschinen, mit denen Papier weiterverarbeitet wurde - zum Beispiel zu Faltschachteln, den Verpackungsmitteln der Gründerjahre. Mit Erfolg. Bereits in den 1920er Jahren verkauften sie ihre Produkte in alle Welt. Bald brauchten sie für ihre Produktion mehr Platz und bauten für ihre 1350 Beschäftigen ein neues Werk in Düsseldorf an der Himmelgeister Straße, entworfen im Stil jener Zeit von den Architekten Salzmann & Ganzlin.

Den entscheidenden Durchbruch aber lieferte der Neffe des Firmengründers: Günter Meyer-Jagenberg kehrte von einer USA-Reise mit einer Vision im Gepäck zurück. Er hatte in den Geschäften Milchkartons entdeckt, die in Europa noch völlig unbekannt waren. Diese Verpackungen waren aus Papier, das zur Abdichtung in Paraffin-Wachs getaucht wurde, so entstanden wasserdichte Kartons, die bereits vorgeformt an die großen Molkereien geliefert wurden.

Der Geschäftsmann erkannte sofort das Potenzial, das in der "Fetttüte" steckte. Er entwickelte den ersten europäischen Getränkekarton und nutzte dazu das schon vorhandene Wissen aus der Herstellung von Faltschachteln. Am 8. November 1930 beantragt Meyer-Jagenberg das Patent für die "Perga" - ein "wasserdichtes Papiergefäß mit Faltverschluss und Vorrichtung zu seiner Herstellung", das sich ähnlich anfühlte und aussah wie Pergament.

Der ganz große Erfolg ließ dann noch eine Weile auf sich warten. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Verpackung zum Massenprodukt - zum Erfolgsschlager der 1950er Jahre. "Sie passten einfach zum Lebensgefühl der Wirtschaftswunderjahre", erläutert Museumschef Böcher.

Aber die Konkurrenz schlief nicht. Inspiriert von den ersten Selbstbedienungsläden in den USA, brachte ein schwedisches Unternehmen den "Tetrapack" auf den Markt und dazu eine neue Technologie, durch die Milch besonders schnell und kostengünstig abgefüllt werden konnte.

Den Erfolg der Perga-Packung konnte das nicht stoppen. Er war so überwältigend, dass es auf dem Jagenberg-Gelände in Bilk langsam eng wurde, 1958 beschloss die Firmenleitung, die Produktion in ein neues Unternehmen nach Linnich auszugliedern. Auch die Perga-Packung veränderte sich. Um kostengünstiger in die neuen Supermärkte transportiert zu werden, bekam sie eine Blockform verpasst, deren Maße exakt auf die Standard-Größe der damaligen Paletten angepasst waren. Die einstige Paraffin-Imprägnierung wurde nun durch eine Kunststoff-Beschichtung ersetzt. Der neue Name: "blocpak". 1976 gilt in der Firmengeschichte als das Jahr des internationalen Durchbruchs. Nun war es möglich, Lebensmittel keimfrei abzufüllen. Neue Produkte kamen in die Tüte - von den Tomaten im eigenen Saft bis zur Hühnersuppe.

Die "Perga", Vorläuferin all dieser modernen Verpackungssysteme, ist nicht das einzige Patent aus dem Hause Jagenberg. Bereits 1904 hatte Emil Jagenberg neben seinen Papiermaschinen auch eine neuartige Transport-Konstruktion erfunden. Er meldete sie als "Verbindung eines Motorwagens mit einem auf diesen mittels Drehkranzes sich stützenden Lastwagens" zum Patent an. Später entstanden aus dieser Idee die Sattelschlepper.

(RP)
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