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Düsseldorf Der Fall Otto-Erich Simon

Düsseldorf · Im Alter von 71 Jahren verschwand der Kö-Millionär 1991 spurlos. Ein Bau-Unternehmer musste sich vor Gericht verantworten, doch der Prozess wurde abgebrochen. Morgen präsentiert das Schauspielhaus ein Stück über den Fall.

Der Ex-Weinhändler und Kö-Anlieger Otto-Erich Simon hat 1991 alles verloren. Das ist über 25 Jahre später die einzige Gewissheit in einem der spektakulärsten Kriminalfälle der Düsseldorfer Justizgeschichte, der als "Mordprozess ohne Leiche und Urteil" damals bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Unter dem Titel "Die dritte Haut: Der Fall Simon" greift jetzt das Theater-Trio "Raum und Zeit" mit einer szenischen Installation im Dreischeibenhaus und einer Video-Installation im Foyer des K20 am Grabbeplatz diesen bis heute ungeklärten Fall um das rätselhafte Verschwinden des 71-jährigen Kö-Millionärs künstlerisch auf - basierend auf den wahren Begebenheiten. Morgen steht dazu die Uraufführung an. Im Kriminalfall ging es einst um den offenbar unwiderstehlichen Sex-Appeal des Geldes, um Millionengeschäfte an der Kö, eine schräge Posse vor einem Schweizer Notar, um Buttersäure, rustikale Herren aus dem Halbwelt-Milieu und um ein fatales Spiel mit Begehrlichkeiten.

Rank und hochgewachsen, mit stets elegantem Auftritt und kerzengerade durchgedrücktem Rückgrat hatte der auch optisch auffällige Gewohnheitsflaneur Simon bis zum Mittag des 13. Juli 1991 seinen festen Platz in der Bussi-Bussi-Schickeria rund um die Kö. Dem als schrullig geltenden Millionär, einem früheren Weinhändler, dessen Wurzeln an der Mosel lagen, gehörten zwei nebeneinanderliegende Grundstücke an einer der exklusivsten Einkaufsstraßen Deutschlands. Die als Filet-Stücke heiß begehrten Kö-Häuser 76 und 78 waren für den alten Herrn aber viel mehr als bloße Immobilien mit einem schon damals auf rund 100 Millionen Mark geschätzten Gesamtwert. Denn jene Grundstücke nutzte der allein lebende Simon, der jahrelang auf einem kargen Matratzenlager in einem der Häuser campiert haben soll, zugleich als Lockmittel für alle möglichen Kaufinteressenten. Von ihnen ließ er sich dann nur zu gern umschwärmen - um kurz vor einer Vertragsunterzeichnung aber stets wieder Rückzieher zu machen - und sich vom nächsten Anwärter wieder ähnlich intensiv umwerben zu lassen.

Doch im Juli 1991, davon ist die Staatsanwaltschaft weiterhin überzeugt, ist ihm dieser Dauerflirt mit millionenschweren Begehrlichkeiten zum Verhängnis geworden. Simon verschwand spurlos, und kurz danach wurde über einen Rechtsanwalt ein wohldosiertes Gerücht in der Zeitungswelt lanciert: "Opa Erich" soll seine Kö-Grundstücke für vergleichsweise lächerliche 25,8 Millionen Mark letztlich doch verkauft, soll das ganze Bargeld bei der Übergabe in einem Luxemburger Nobelhotel sogar Schein für Schein per Hand nachgezählt haben, bevor er den üppig bestückten Geldkoffer geschultert habe und freundlich winkend davon geschlendert sei. Mit unbekanntem Ziel. Doch diese Darstellung und weitere Ungereimtheiten brachten jenen Anwalt Monate später selbst in U-Haft.

Immerhin fand sich nämlich kurz vor Weihnachten 1991 doch jemand, der nach dem Verschwinden des Kö-Flaneurs der Polizei eine erste Handhabe für offizielle Ermittlungen bot: Per Vermisstenanzeige meldete ein Konditor und Ex-Ratsherr der Republikaner das Verschwinden von Simon und brachte damit die Ermittlungsmaschinerie der Polizei in Gang. Was folgte, war ein bis dahin auch an der Kö beispielloses Sammelsurium scheinbar mutwillig aneinander gereihter Klischees über die Kö-Schickeria und ein überaus kniffeliges Kriminalpuzzle, dessen Lösung bis heute nicht gelang.

Fakt ist: Kurz nach dem letzten Lebenszeichen von Otto-Erich Simon wedelte ein damals ebenfalls stadtbekannter Baulöwe mit einem Kaufvertrag über jene beiden Kö-Grundstücke und gelobte, dort als Gegenentwurf zur unmittelbar benachbarten Kö-Galerie eine eigene, noch weitaus prunkvollere Laden-Zeile zu errichten. Die Pläne dafür hatte er insgeheim bereits in den USA anfertigen und dort sogar von Hand schon kolorieren lassen, damit hierzulande vor Vertragsabschluss bloß nichts bekanntwürde. Doch kurz nach Neujahr 1992 geriet der Baulöwe plötzlich unter Betrugsverdacht, dann in U-Haft, zuletzt gar unter Mord-Anklage. Denn die Simon-Unterschriften unter dem Kaufvertrag wurden als Fälschungen entlarvt, waren offenbar geleistet worden durch einen geschickt zurechtgemachten Simon-Doppelgänger bei einem völlig arglosen Notar in der Schweiz.

Und für den nun als Lügner verdächtigten Baulöwen kam es noch schlimmer. Als bekannt wurde, dass er zur Räumung der beiden Simon-Häuser an der Königsallee die Dienste rustikaler Herren aus dem Bestand eines halbseidenen Düsseldorfer Box-Promoters genutzt und in einem Baumarkt verdächtige Gerätschaften wie Betonsäge, Plastiksäcke, Arbeitshandschuhe, Hacke und Spaten erstanden hatte - da machte der Begriff vom "Mord ohne Leiche" erstmals die Runde. Zumal der Verdächtige auch schilderte, dass er die Innenausstattung seines Geländewagens erst kürzlich komplett hatte austauschen lassen. Angeblich aber nur, weil Unbekannte einen Anschlag mit stinkender Buttersäure auf das Auto verübt hätten.

Aus diesen Umständen folgerte ein damals aufstrebender Staatsanwalt: Simon müsse wegen der begehrten Kö-Grundstücke ermordet, seine Leiche dann irgendwo beseitigt worden sein, um den Grundstücksbetrug überhaupt zu ermöglichen. Nur beweisen ließ sich das in allen Details nicht. Nach 135 Verhandlungstagen gegen den plötzlich beharrlich schweigenden Baulöwen musste das Landgericht dessen Mordprozess ohne Leiche sogar abbrechen. Da der Angeklagte in der U-Haft schwer an Depressionen erkrankt war, musste er wegen Verhandlungsunfähigkeit im Juli 1996 wieder freigelassen werden, fast auf den Tag genau fünf Jahre nach Simons Verschwinden. Im März 1997 hat das Amtsgericht den Kö-Millionär dann auch amtlich für tot erklärt.

Weitere fünf Jahre später, Anfang 2002, hat das Landgericht das Mord-Verfahren gegen den bis heute einzigen Tatverdächtigen wegen dessen psychischer Erkrankung endgültig eingestellt. Der aufstrebende, aber trotz nimmermüder Wühlarbeit letztlich erfolglose Staatsanwalt wurde von einem Fachorgan vermutlich ohne jede Ironie zum "Kriminalisten des Jahres" gekürt, während ein namhaftes Nachrichtenmagazin jenen Ermittlungsleiter hämisch mit dem Comic-Detektiv Nick Knatterton ("Kombiniere...") verglich. Formal ist das Mordverfahren ohne Leiche heute längst zu den Akten gelegt, das Millionenerbe fiel an einen der Simon-Neffen, die früheren Gebäude auf den Filet-Grundstücken sind abgerissen, die Neubauten jetzt den gehobenen Kö-Ansprüchen angepasst.

Nun aber findet "der Fall Simon" eine künstlerische Würdigung in den Arbeiten von "Raum und Zeit". Das Theater-Trio betreibe "ein aufregendes Spiel mit der Logik eines konsistenten Raum-Zeit-Kontinuums und der inneren Welt der Wahrnehmung", so die Ankündigung zur morgigen Uraufführung. Weiter heißt es dort: Damalige Verkaufsgespräche über Simons Kö-Grundstücke "werden zur Grundfigur für menschliche Beziehungen und offenbaren den Widerspruch zwischen dem Wunsch und der Angst vor seiner Erfüllung". Die Theatermacher bieten damit "eine subjektive Reise ins Innere".

(RP)
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