Düsseldorf Der lange Weg zum Elternglück

Düsseldorf · Sandra und Hans-Hermann Aldenhoff aus Düsseldorf haben sich erst vergeblich ein leibliches Kind gewünscht, dann um ein Adoptivkind aus der Mongolei bemüht. Nun sind sie zu dritt – ohne je in Asien gewesen zu sein.

Glücklich zu dritt: Hans-Hermann und Sandra Aldenhoff mit ihrer Tochter Amita.

Glücklich zu dritt: Hans-Hermann und Sandra Aldenhoff mit ihrer Tochter Amita.

Foto: Andreas Bretz

Sandra und Hans-Hermann Aldenhoff aus Düsseldorf haben sich erst vergeblich ein leibliches Kind gewünscht, dann um ein Adoptivkind aus der Mongolei bemüht. Nun sind sie zu dritt — ohne je in Asien gewesen zu sein.

Als Sandra Aldenhoffs Mutter ihre neugeborene, leibliche Enkeltochter Amita zum ersten Mal auf dem Arm gehalten hat, fragte sie das Neugeborene: "Wo warst du nur so lange?"

Immer noch kommen Sandra Aldenhoff (43) Tränen der Rührung, wenn sie an diese Szene denkt. Der Name Amita stammt aus dem Indischen und bedeutet "grenzenlos" oder "unendlich". Dass sie eines Tages Kinder haben und als Familie leben wollten, war für sie und ihren Mann Hans-Hermann (45) immer klar. Dass sie einen schwierigen Weg zum Elternglück hinter sich bringen und auf Amita unendlich lange warten mussten, hingegen nicht. Denn den Aldenhoffs, die im Düsseldorfer Norden leben, ist es wie vielen anderen Paaren gegangen: Laut Schätzungen bleiben zehn bis 15 Prozent aller Paare im fortpflanzungsfähigen Alter ungewollt kinderlos.

Mit Anfang 30 gehen die beiden Juristen, die seit mehr als 20 Jahren zusammen und seit 1996 verheiratet sind, die Familienplanung an. "Da haben wir gemerkt, dass es bei uns nicht so schnell klappt wie bei allen anderen", sagt Sandra Aldenhoff. Vier Mal war sie schwanger: vier Mal Freude — vier Mal Enttäuschung und Trauer.

Für ein Kind zur Pflege stehen die Aussichten besser

Ein Leben ohne Kinder können sich die beiden nicht vorstellen, deshalb entscheiden sie sich für eine Adoption. Sie erkundigen sich beim Jugendamt Düsseldorf, belegen Seminare, unterziehen sich psychologischen Interviews, legen ihr Leben offen. Sie erfahren, dass das Adoptivkind gesundheitliche Probleme haben kann, dass es unglaublich viel Aufmerksamkeit brauchen wird, weil der Rucksack, mit dem es durchs Leben geht, eine gewaltige Bürde sein kann. Die Chancen auf ein Adoptivkind sind nicht groß. Eine offene Adoption, bei der das Kind einen Kontakt zu den leiblichen Eltern pflegt, kommt ebenfalls nicht in Frage, "dafür wäre ich zu eifersüchtig", lautet Sandra Aldenhoffs ehrliche Selbsteinschätzung.

Für ein Kind zur Pflege stehen die Aussichten besser. Das Paar fürchtet allerdings, dass das Kind eines Tages wieder in seine Herkunftsfamilie zurückmuss. Die 43-Jährige ärgert sich, wenn sie von Kindern hört, denen es in ihrer Familie nicht gut geht und deren Eltern immer wieder eine neue Chance bekommen. "Es kann doch nicht sein, dass das Elternrecht immer stärker gewürdigt wird als das Kinderrecht."

Die Aldenhoffs sehen die Chance auf ein Kind schwinden — auch wegen ihres Alters. Die Zahl der Adoptionen geht seit Jahren zurück, im Jahr 2013 waren laut Statistischem Bundesamt 817 Kinder für eine Adoption vorgemerkt, zugleich lagen in den Vermittlungsstellen etwa 5360 Bewerbungen vor. Die beiden sind Anfang 40, in Deutschland sind sie damit — auch wenn das niemand so offen ausspricht — für jüngere Kinder nicht mehr erste Wahl. Deshalb entschließen sie sich zu einer Auslandsadoption und bekommen vom Jugendamt eine Liste anerkannter Vermittlungsstellen.

Sie entscheiden sich für ein Kind aus dem asiatischen Raum. "Wir haben eine Zeit lang in Asien gelebt, meine Mutter ist Koreanerin", sagt Sandra Aldenhoff. Sie fühlen sich diesem Kulturkreis am nächsten und glauben, ein Adoptivkind mit diesem Hintergrund am besten in seiner Identität unterstützen zu können. Die Wahl fällt auf die Mongolei.

Das Paar kommt auf die Warteliste

Bei der Adoptionsstelle geht der Eignungsmarathon, den sie beim Düsseldorfer Jugendamt schon komplett absolviert haben, noch einmal von vorne los. Sie füllen Zettel aus, machen beim Geschlecht des Kindes ein Kreuzchen bei "egal", beim Alter bei "unter Drei". Sie erfahren, dass sie sich vier Wochen im Land aufhalten müssen, wenn ein Kind für sie gefunden ist. Sie klären früh mit ihren Arbeitgebern, dass man ihnen spontan einen Urlaub einräumt. Sie werden zu Profis in Sachen Auslandsadoption und werden wütend, wenn sie hören, wie Altkanzler Gerhard Schröder und seine Frau scheinbar in null Komma nichts einen Jungen und ein Mädchen aus Russland adoptieren oder Hollywood-Stars wie von einer Einkaufstour mit Kindern nach Hause kommen.

"Diese Wut ist sicherlich ungerecht, aber als Betroffener in solch einer Situation empfindet man so." Vor allem die Befragungen durch die Vermittlungsstelle werden immer mehr zum Ärgernis. "Natürlich muss alles genau geprüft werden", betont Sandra Aldenhoff, deren Eignung das Jugendamt Düsseldorf allerdings schon festgestellt hatte. Außerdem wird das Paar nun von anderen Adoptiveltern begutachtet, deren Qualifikation darin besteht, selbst zwei thailändische Mädchen adoptiert zu haben. Ihr Mann wird zum Beispiel gefragt, was er machen würde, wenn sein Kind nicht so erfolgreich werden würde wie er. "Als er sagte, dass wir in einer Leistungsgesellschaft leben und er von seinem Kind auch erwartet, sein Potenzial auszuschöpfen, erntete er dafür hochgezogene Augenbrauen", berichtet seine Frau.

Das Paar kommt auf die Warteliste, dann hört es nichts mehr von der Vermittlungsstelle. Einmal im Jahr gibt es ein Treffen mit anderen Adoptionswilligen, ansonsten nichts. Warten. Dann wird ihnen mitgeteilt, dass ein anderes Paar bevorzugt wurde, weil die Frau mongolische Staatsangehörige sei. "Da haben wir uns gefragt: Was soll das? Wir kommen nie dran", sagt Sandra Aldenhoff.

Am 5. November 2013 wird Amita geboren

An Silvester 2013 beschließt das Paar: Wir lassen es. Es soll nicht sein. Der Mongolei-Reiseführer kommt ins Regal. Sandra Aldenhoff reagiert auf die Entscheidung eigenartig: Ihr geht es nicht gut, sie wird kurzatmig. Ihr Mann Hans-Hermann sorgt sich und schickt sie zum Arzt. Das Blutbild ist unauffällig.

Wochen später geht sie zu einem Routine-Termin beim Frauenarzt, und der bestätigt eine Schwangerschaft. "Ich war schon, ohne es zu merken, in der 21. Woche", sagt Sandra Aldenhoff. Bei den anderen Schwangerschaften war sie nie über die 13. hinausgekommen. Es ist unglaublich, sie sind überglücklich.

Und dann ist sie da, Amita, von der niemand weiß, warum sie ihre Eltern mehr als zehn Jahre hat warten lassen. Am 5. November 2013 wird sie geboren: 48 Zentimeter, 2750 Gramm, pumperlgesund. "Wir und unsere Familien halten sie für ein kleines Wunder", sagt Sandra Aldenhoff. Klein, aber grenzenlos.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort