Düsseldorf Der Lenz ist (fast) da

Düsseldorf · Mit elf Stunden Sonne und 16 Grad ist für heute ein nahezu perfekter Frühlingstag vorhergesagt. Das Licht hat positive Auswirkungen auf unseren Körper. Düsseldorfer Forschern zufolge sorgt es für Glückshormone und bessere Stimmung.

 Familie Wight um Maja, Steffi, Lilly und Jon (v.l.) genießen Eis bei Nordmanns an der Ackerstraße in Flingern.

Familie Wight um Maja, Steffi, Lilly und Jon (v.l.) genießen Eis bei Nordmanns an der Ackerstraße in Flingern.

Foto: Andreas Endermann

Der Frühling ist der Optimist unter den Jahreszeiten. Der wintermüde Mensch drängt ins Freie, genießt Vogelgezwitscher und Terrassenglück und lässt sich von Glückshormonen durchfluten. Die Zeit von März bis Mai gilt als starke Macht, die uns verändert. Die einen fühlen sich matt und müde, die anderen aber sind beflügelt von der Lust im Lenz. Frühlingsgefühle - alles bloß Einbildung, oder lassen sie sich tatsächlich beweisen? Fragen an die Wissenschaft.

"Licht hat einen entscheidenden Einfluss auf unsere Stimmung", das ist für den Hormonforscher Michael Roden, Leiter des Deutschen Diabeteszentrums in Düsseldorf, keine Frage. Im Frühling, wenn die Tage länger werden, tanken wir mehr Licht, "das führt im menschlichen Körper zu einer vermehrten Ausschüttung des Hormons Serotonin", so der Wissenschaftler. Und das wird auch das Glückshormon genannt. So lässt sich erklären, warum Lichtmangel depressive Stimmungen auslösen kann. Es ist also nicht die Wärme, die uns im Lenz jubilieren lässt, sondern das Licht. Alles sonnenklar. Der Gegenspieler des Glückshormons ist Melatonin, ein Hormon, das in der dunklen Jahreszeit Saison hat. Es steuert den Tag-Nacht-Rhythmus und lässt uns abends zur Ruhe kommen. Im Frühling aber wird weniger Melatonin produziert, der Schlafbedarf sinkt, der Mensch drängt in die Natur. Und macht alles richtig: Denn Bewegung lässt die Glückshormone im Körper zirkulieren. Was dort passiert, ist in Gedichten und Liedtexten fest verwurzelt: "Veronika, die Welt ist grün, drum lass uns in die Wälder ziehen...". Wenn das Licht der entscheidende Stimmungsaufheller ist, können wir dann unsere innere Uhr überlisten mit künstlichem Licht oder einer Winterreise nach Teneriffa? "In erster Linie ist die Intensität entscheidend", so Roden, künstliches Licht reiche da meist nicht aus. Und eine Reise in die Sonne würde zwar den Hormonen auf die Sprünge helfen, allerdings hält die Wirkung nach der Rückkehr in die heimische Wintertristesse nicht lange an.

Bis dann der wahre Frühling kommt. Was dann passiert, schildert André Karger, Facharzt für psychosomatische Störungen am Uni-Klinikum: "Der Frühling löst ein Aufwallen der Gefühle aus, dazu gehört auch, dass wir uns zu dieser Jahreszeit vielleicht leichter verlieben." Nach dem Winter, der Zeit des Rückzugs, stehe der Frühling für Aufbruch und Neugier.

Aber wo viel Licht ist, da ist auch Schatten; denn die Frühjahrsdepression gehört ebenfalls in diese Jahreszeit. Karger: "Wenn es einem selbst nicht so gut geht, wenn man vielleicht allein und traurig ist, und man erlebt dann die Hochstimmung anderer Menschen, dann kann einen das schon kräftig runter ziehen." Die Frühjahrsmüdigkeit lässt sich einfacher erklären, sie liegt wohl an der Umstellung.

Und in der Natur, denn ein Spaziergang durch frisches Grün und Blütenpracht soll auch gegen diese Mattigkeit wirken. Dort steht der Frühlingsmensch dann vor dem nächsten Rätsel: Wieso weiß die Pflanzenwelt eigentlich, dass es nun Zeit zum Keimen und Knospen ist? Diese Frage führt direkt zu Sabine Etges, die den Botanischen Garten leitet. Sie berichtet von vielen verschiedenen Faktoren, die im Lenz zusammentreffen. "Das ist ein kompliziertes Gefüge." Ein kalter Winter sei wichtig, damit die "Samenruhe", in die viele Pflanzen fallen, gebrochen wird. Kommt dann im März ein Mix aus Licht, Wärme und Feuchtigkeit, treibt die Pflanzenwelt Blüten.

Die Wissenschaftlerin: "Zunächst wächst eine Keimwurzel, daraus entsteht ein Spross mit ersten Blättern, und die Photosynthese kann beginnen: Die Pflanze verwandelt Energie in Zucker - so besorgt sie sich selbst die Energie zum Wachsen." Das Phänomen lässt sich auch durch die poetische Brille sehen: "Die ganze Welt ist wie verhext. Veronika, der Spargel wächst..."

(RP)
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