Analyse zu Thomas Geisel Der Manager von Büro 01

Düsseldorf · Angekündigt war ein Sozialdemokrat, erschienen ist ein Firmenchef. Thomas Geisel führt das Oberbürgermeister-Büro wie eine Konzernzentrale. Die Frage ist, wie lange sich der Stadtrat das bieten lässt. Eine Zwischenbilanz.

Thomas Geisel: Infos zum Oberbürgermeister aus Düsseldorf
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Das ist Thomas Geisel

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Foto: Bretz, Andreas (abr)

So richtig kennenlernen kann man Politiker in einer Krise. Eine der größten Krisen, die Thomas Geisel in seinen ersten drei Jahren als Oberbürgermeister durchleben musste, war die Debatte ums Schauspielhaus. Geisel hatte laut überlegt, das Architekturdenkmal am Gustaf-Gründgens-Platz umzufunktionieren, vielleicht als Kongresszentrum. Dann schwappte ihm die Wut vieler Bürger entgegen.

Also lud er ins Rathaus zu einer Krisen-Pressekonferenz. Sein Vorhaben - falls er es überhaupt ernst gemeint hatte - war politisch längst vom Tisch: Der Stadtrat war dabei, sich klar zugunsten des Theaters zu positionieren. Geisel stand alleine da, und er war der Buh-Mann in dieser Geschichte. Der Fall machte deutschlandweit Schlagzeilen.

Trotzdem legte Geisel bei dieser seltsamen Pressekonferenz nicht den Rückwärtsgang ein, auch wenn alle das erwartet hatten. Keine Entschuldigung, keine Relativierung, nicht mal lobende Worte für den Intendanten, der um seine Spielstätte fürchtete. Geisel erläuterte einfach erneut die Position, für die er kritisiert wurde. Unter dem Motto: Vielleicht versteht ihr es, wenn ich es noch mal erkläre.

Der ganze Fall war ein typischer Geisel. Das lässt sich in einer Zwischenbilanz zur Hälfte der Wahlperiode feststellen. Der Chef des Büros 01 ist Einzelkämpfer. Und wenn er sich selbst von einem Vorhaben überzeugt hat, lässt er sich nicht stoppen. Nicht von Protest aus der Bürgerschaft, wie er ihn vor allem in der Kultur schon mehrfach erlebt hat, vor allem wegen des Theaters. Und schon gar nicht vom Stadtrat, selbst wenn er auf dessen Zustimmung angewiesen ist. Geisel will kein Diplomat sein, der ehemalige Wirtschaftsmann sieht sich als der oberste Manager im Rathaus - der kein Problem damit hat, im Zweifel mit seiner Meinung allein da zu stehen. Das ist seine Stärke. Und es könnte sein politisches Verhängnis werden.

Geisels Werdegang sieht man seinen Auftritten als Repräsentant der Stadt an. Nach drei Jahren lässt sich feststellen: Der ehemalige Energie-Manager kann Düsseldorf auf großer Bühne vertreten. So weltläufig wie mit ihm hat die Stadt vielleicht noch nie gewirkt. Auf der Immobilienmesse Mipim redete Geisel auf Englisch, bei der Präsentation der Tour-de-France-Strecke in Paris sogar auf Französisch.

Auch im Rathaus spürt man den Wirtschaftsmann mit Harvard-Vergangenheit, und das nicht nur, weil Geisel eine Vorliebe für Anglizismen von "Assets" über "Debts" bis "Stakeholder" pflegt - und gern den Philosophen Hegel und andere Klassiker zitiert. Geisel liebt Management-Projekte. Er stürzt sich gerne in Umstrukturierungen, Raumkonzepte oder Personalverfahren. Auch Gegner bescheinigen ihm Ehrgeiz und Fleiß. Er hat vieles angefangen, etwa die Neuordnung der Bauverwaltung. Wie viel Erfolg er damit hat, lässt sich noch nicht fair beurteilen.

In der Politik ist er bislang aber der Quereinsteiger geblieben. Oft mangelte es ihm an Gespür - das zeigte sich nicht nur beim Schauspielhaus. Geisel fällt es schwer, Mitstreiter zu finden, das ist der Makel seiner ersten Jahre. Und das, wo die Lage im Rat ohnehin nicht einfach ist. Das Ampel-Bündnis zwischen SPD, Grünen und FDP ist keine Liebesheirat, sondern eine Zweckgemeinschaft. Die Rolle des Mittlers liegt ihm aber nicht. Er gefällt sich als forscher Macher - und bringt damit vor allem die FDP immer wieder zum Kochen. Geisel war angetreten mit dem Versprechen, ein "faires Miteinander" zu schaffen. Das hat er selten umgesetzt.

Der politische Zwist in den eigenen Reihen führte zu Fehlschlägen wie der gescheiterten Umbenennung des Flughafens nach Johannes Rau. Auch vor der Bewerbung zur Tour de France stand ein Chaos. Nur mit der Hilfe der Rechtspopulisten konnten SPD und Grüne das Vorhaben durch den Rat drücken - eine Peinlichkeit für die linken Parteien. Zuletzt führten Grüne und Liberale den Stadtchef mit seinen Plänen für die Bibliothek vor. Das war die Quittung dafür, dass Geisel den Rat mal wieder spät eingebunden hatte.

Vor allem für die SPD ist Geisels Art eine Herausforderung - und wird es bleiben. Er legt wenig Wert auf sozialdemokratischen Stallgeruch. Der Rathaus-Manager hat sogar das Personal-Sparprogramm "Verwaltung 2020" zur Chefsache erklärt - eine heikle Entscheidung. Bei der jüngsten Personalversammlung schwappte ihm Wut entgegen, die Gewerkschaft ist auf den Barrikaden. Bei Verdi wundert man sich, dass ausgerechnet ein Sozialdemokrat so massiv die Belegschaft unter Druck setzt. Auch sein offenbar unabgestimmter Vorstoß, die Kita-Gebühren für Über-Dreijährige wieder einzuführen, verärgerte die Fraktion. Wenn Geisel nicht aufpasst, wird er an den eigenen Leuten scheitern.

Das ist gefährlich, denn Geisel wird Unterstützung brauchen. Der OB und das Ampel-Bündnis haben in den ersten drei Jahren vieles angestoßen, sind aber längst nicht am Ziel. Die angekündigten neuen 3000 Wohnungen pro Jahr gibt es noch nicht, es wird ohnehin schwer, die Preisspirale bei Miet- und Kaufpreisen zu bremsen, wie Geisel es versprochen hat. Auch die Stärkung des ÖPNV erweist sich als große Herausforderung. Dazu kommt, dass die Geldsorgen durch den Kanalverkauf nicht beseitigt sind. Geisel stichelt immer wieder, dass er kein Problem mit Krediten für Investitionen haben würde. Dann aber wäre das Ampel-Bündnis geplatzt.

Es ist Halbzeit. Wenn Geisel 2020 wieder antritt - das hat er vor -, soll sogar das Schauspielhaus saniert sein. Und ein Kongresszentrum, das sagt inzwischen auch der OB, wird das Theater dann nicht sein.

(arl)
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