Initiativkreis Kultur in Düsseldorf Der Mann, der die Stadt verhöhnte

Düsseldorf · "Unser Dorf soll schöner werden" titelte ein Artikel, der kurz vor dem ESC im "Spiegel" erschien. Mit viel Häme stellt Autor Alexander Kühn darin den Austragungsort als provinzielle Möchtegern-Metropole bloß. Jetzt folgte der Journalist einer Einladung des Initiativkreis Kultur in Düsseldorf.

 Beim ESC schaute Europa nach Düsseldorf. Doch dass gerade die „kleine“ Stadt am Rhein das Großevent ausrichtete, schmeckte nicht allen. Gerade von den Mitbewerber-Städten gab es viele Spitzen.

Beim ESC schaute Europa nach Düsseldorf. Doch dass gerade die „kleine“ Stadt am Rhein das Großevent ausrichtete, schmeckte nicht allen. Gerade von den Mitbewerber-Städten gab es viele Spitzen.

Direkt vor dem Eurovision Song Contest war er sicherlich der meist gehasste Mensch in ganz Düsseldorf: "Spiegel"-Journalist Alexander Kühn. Auf diesen Index zu kommen in einer Stadt, die als offen und tolerant gilt, ist an sich eine schiere Unmöglichkeit. Doch in der "Spiegel"-Ausgabe 18/2011 attestierte er Düsseldorf: Ohne Wahrzeichen, aber mit viel Chichi. Schuldenfrei, aber unsexy.

 Spiegel-Journalist Alexander Kühn (36) am Montag in Düsseldorf.

Spiegel-Journalist Alexander Kühn (36) am Montag in Düsseldorf.

Eine 600 000-Seelen-Kolonie mit überkandidelten Millionärsgattinnen und schunkelnden Altbiertrinkern. Über drei Seiten hinweg fiel er mit viel Boshaftigkeit und noch mehr Häme über den ESC-Austragungsort her, der seiner Auffassung nach nur eines im Sinn hatte: "Unser Dorf soll schöner werden." Kühn gesteht heute: "Ich habe noch nie so viel Resonanz auf einen Artikel bekommen. Allein aus Düsseldorf bekam ich 70 Briefe. Kein einziger war freundlich."

Aber um Mitleid zu erhaschen, war der 36-jährige Journalist am Montagabend nicht von Hamburg nach Düsseldorf gereist. Er war einer Einladung gefolgt. Der Initiativkreis Kultur in Düsseldorf hatte den Schreiber ins Tanzhaus-NRW geladen, um mit ihm das Gespräch zu suchen. Dort saß er in einer kleinen erlesenen Runde – übrigens mit Designer-Brille auf der Nase und in schneeweißem Hemd wie mit Persil gewaschen und schwarzem Jackett – und bekannte: "Ich komme nicht aus Köln, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern auch aus der Provinz. Aus Rastatt in Baden-Württemberg."

Der Vorsitzende des Vereins, Gregor Leber, begrüßte ihn mit den Worten: "Wir wollen hier kein Scherbengericht abhalten, sondern mit Ihnen offen über unser Image reden." Dann erklärte Kühn, wie es überhaupt zu dem Artikel kam. Es sei der beste journalistische Dreh gewesen, über die Stadt selbst zu berichten: "Über Lena wurde im Vorjahr schon so viel geschrieben, und der Contest an sich war auch ausgelutscht. Na ja, und Hamburg oder Berlin als Stadt wären an sich auch kein Thema gewesen, aber Düsseldorf eben schon."

Warum er in seinem Artikel ausgerechnet mit den gängigen Klischees über Düsseldorf spielte, begründete er wie folgt: "Ich habe beim Stadtmarketing angerufen und nach Personen gefragt, die sich für den ESC einsetzen." So sei er eben an die Freifrau von der Kö geraten, die als Travestiekünstlerin das schicke Düsseldorf in einer Stadtführung präsentiert, oder an die Kö-Juwelierin im rosa Kostüm, die für Lena ein Kettchen mit Diamanten kreierte. Und so sei er eben auch in der Killepitsch-Bude und beim Altbier gelandet. "Ich habe das über Düsseldorf geschrieben, was ich von offizieller Seite her vermittelt bekam."

Klar: Kühn ist ein Fuchs. Denn eine unseriöse Vorgehensweise kann man ihm damit nicht mehr unterstellen. Aber einige in der Runde nahmen ihm das auch gar nicht übel. "Ich musste beim Lesen herzlich lachen. Es ist eben der typische ,Spiegel'-Ton, und außerdem sollten wir unsere Klischees doch pflegen und uns selbst nicht so ernst nehmen", hieß es etwa. Doch welches Image seitens der Düsseldorf Marketing & Tourismus GmbH vermittelt werde, das will der Initiativkreis Kultur weiter im Blick behalten.

"Bei der Weltausstellung in Shanghai haben wir uns ja auch mit schunkelnden Karnevalisten präsentiert", so das Fazit. "Nicht so bemüht sein, einfach cool sein", lautete der abschließende Rat, nach dem der Mann mit Designer-Brille und schneeweißem Hemd gefragt wurde – und der wirkte auf den zweiten Blick übrigens doch ganz sympathisch.

(RP)
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