Düsseldorf Der Rettungs-Deal für die Stadtfinanzen

Düsseldorf · Die Politik will das Kanalnetz verkaufen - an eine Tochterfirma der Stadt. Das ungewöhnliche Geschäft rettet die Schuldenfreiheit. Allerdings bleibt die Frage: Zahlen die Bürger am Ende durch die Abwassergebühren?

Das Loch in der Stadtkasse vergrößert sich. Die Ratsmehrheit aus SPD, Grünen und FDP setzt nun vor allem auf einen ungewöhnlichen Deal: den Verkauf der Kanäle innerhalb der städtischen Familie.

  • Was hat die Politik genau vor? Sie will das mehr als 1500 Kilometer lange Kanalnetz und die beiden Klärwerke an den Stadtentwässerungsbetrieb verkaufen. Dabei handelt es sich um ein Geschäft im eigenen Haus: Der Eigenbetrieb gehört der Stadt und ist fürs Abwasser zuständig, das notwendige Netz gehört ihm aber bislang nicht. Da der Betrieb an die Stadt gebunden ist, entscheidet der Stadtrat über den Kauf. Der Preis wird nicht verhandelt, sondern aus der Bilanz errechnet, die Kämmerei geht von 400 Millionen Euro aus. Das Geld wird bereits in den Haushalt für 2017 eingeplant, über den der Stadtrat im Dezember entscheidet. Vollzogen werden soll der Kauf aber erst im kommenden Jahr, da einige Gremien einbezogen werden müssen.
  • Welche Vorteile hat das Geschäft? Es bringt dringend benötigtes Geld. Die Stadt muss seit dem Frühjahr auf Kredite zurückgreifen, um zahlungsfähig zu bleiben, derzeit rund 190 Millionen Euro. Der Verkauf spült auch Geld für Investitionen etwa in Schulen oder das Schwimmbad in Flingern in die Kasse. Die Politik verspricht, das Geld nicht für laufende Ausgaben aufzubrauchen.
  • Und welche Nachteile? Es gehen hohe Einnahmen verloren: Bislang muss der Stadtentwässerungsbetrieb jährlich Pacht für das Kanalnetz entrichten, aktuell 43,5 Millionen Euro. Der politische Einfluss bleibt hingegen laut Kämmerei gleich: Der Rat hat weiter die Hoheit über die Gebühren. Mit dem umstrittenen "Cross-Boarder-Leasing" an private Investoren hat der Verkauf nichts zu tun.
  • Wie finanziert der Stadtentwässerungsbetrieb den Kauf? Das ist ein kritischer Punkt: Der Stadtentwässerungsbetrieb muss Kredite aufnehmen, die er mit der gleichen Bonität wie die Stadt bekommt. Im Grunde werden Schulden also ausgelagert. Das macht nach der politischen Logik aber Sinn: CDU, Grüne und FDP wollen Schuldenfreiheit im sogenannten Kernhaushalt erhalten. Die Nebenhaushalte von Tochterfirmen - zu denen auch Rheinbahn oder Messe gehören - sind in dieser Rechnung außen vor.
  • Steigen die Gebühren? Das ist unklar. Von der Kämmerei heißt es: "Ziel des Verkaufs ist es, dass es zu keiner Belastung für den Gebührenzahler kommt." Auch die Politik betont, man werde darauf achten. Allerdings muss der Betrieb natürlich die Ausgaben für den Schuldendienst stemmen - das könnte noch zu politischen Konflikten führen.
  • Wieso wählt die Politik diesen Weg? Die Finanzen sind die große Streitfrage der Ampel-Kooperation. Der Deal hat zwei attraktive Eigenschaften: Die Schuldenfreiheit bleibt erhalten, zugleich handelt es sich nicht um eine Privatisierung, wie sie vor allem die SPD nicht will.
  • Gibt es Kritik? Die ist bislang verhalten. Auch viele andere Kommunen versuchen solche Konstruktionen. Der Bund der Steuerzahler hält die angestrebte Konstruktion für bedenklich. "Das führt zu mangelnder Transparenz bei den Abwassergebühren", kritisiert Referent Harald Schledorn. Der Steuerzahler-Bund bemängelt zudem schon länger, dass der Eigenbetrieb seinen Gewinn an die Stadt abführen muss und das Geld nicht für das Kanalnetz verwendet wird. Andererseits lobt der Bund, dass die Gebühren vergleichsweise niedrig sind.
(arl)
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