Düsseldorf Der Schallplatten-Prediger

Düsseldorf · Ein Buddhist, der in einer evangelischen Kirche mithilfe von Schallplatten über religiöse Themen sinniert - dass dies zunächst merkwürdig klingen mag, ist Haru Specks bewusst.

 "Wenn es eine Sache gibt, über die ich gut und viel reden kann, dann ist das Musik", sagt Haru Specks.

"Wenn es eine Sache gibt, über die ich gut und viel reden kann, dann ist das Musik", sagt Haru Specks.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Diethelm Kröhl, der sich für den Künstlernamen Haru Specks entschieden hat, steht vor seinem "Altar" und legt die erste Platte in den Spieler. Mit einem Knistern findet der Tonabnehmer in die Rille der Vinylplatte, so dass die ersten Töne erklingen. Gut 20 Zuhörer sitzen auf den bequemen Ledersofas in der Oberbilker Christuskirche und lauschen den Klängen der Band "Die Zimmermänner". Dabei achten sie jedoch weniger auf die elektronischen Sounds im Stil der "Neuen Deutschen Welle", sondern mehr auf den Text des Liedes "Nirvana", mit dem Haru Specks seine sogenannte Vinylpredigt eröffnet. Die Liedverse erzählen spöttisch von Porsches mit Elektroantrieb, aus Madagaskar importierte Guaven oder ein Araukariengewächs für das Badezimmer - damit meint der Sänger Dinge, die manche Menschen als Teil eines zeitgemäß-modernen Lebensstils ansehen würden. "Buddhismus ist inzwischen ja auch so ein bisschen zum Lifestyle geworden", erklärt Specks, nachdem das Lied ausgelaufen ist. "Heute möchte ich dazu ein paar Vorurteile aus dem Weg räumen."

Ein Buddhist, der in einer evangelischen Kirche mithilfe von Schallplatten über religiöse Themen sinniert - dass das zunächst merkwürdig klingen mag, ist Haru Specks bewusst. "Beim Wort Predigt denken viele direkt an Missionieren. Das ist es aber in keinem Fall. Den Begriff predigen verwende ich nur, weil es einprägsam ist und in mir manchmal eine autoritäre Ader zum Vorschein kommt", sagt der gebürtige Pforzheimer. Zumal jede seiner "Predigten" eine andere Thematik aufgreift, die nicht unbedingt in einem religiösen Kontext stehen muss. Das können gesellschaftliche Dinge wie die Entstehung der Protestbewegungen in den 1960er-Jahren sein, begleitet etwa von Songs von John Lennon, oder musikkulturelle Entwicklungen wie das Aufkommen der Punk-Kultur, beginnend bei Nina Hagen. Auch tiefgründigere Themen finden durch Specks eine Bühne, wie in seiner Predigt am vergangenen Mittwoch.

Darin erklärt er Lebenssituationen, durch die ein Mensch nach der buddhistischen Lehre gehen muss, um Erleuchtung zu finden. Die Verknüpfung zur Musik spiegelte sich dabei oft in den Songtexten wieder. Den Gemütszustand des Ärgers untermalt ein Song mit dem Titel "Mad at you" (zu deutsch: "Wütend auf dich") Mit seinen Predigten möchte Specks die Leute anregen, sich mehr mit den Texten hinter den Liedern auseinanderzusetzen, die oft eine Botschaft vermitteln würden. "Heutzutage ist Musik ja nur noch eine Art Nebenaktivität. Man steckt sich den Kopfhörer ins Ohr und hört nur nebenbei. Ich möchte die Leute über die Liedtexte dazu anregen, sich mehr mit der Musik und dem Leben im Allgemeinen auseinanderzusetzen", sagt Specks.

Der erste Nebenjob im Alter von elf Jahren bei einem Schallplattenladen legte den Grundstein. Inzwischen befinden sich über 13.000 Platten aus allen Musikrichtungen in seinem Besitz. Dass die Musikszene seiner Meinung nach immer eintöniger werde, war für ihn der Anlass, bei einem Musikfestival seine Platten mitzubringen und dann zu reden. So wurde auch das Kulturteam der Emmaus-Gemeinde auf ihn aufmerksam. Mittlerweile sind es bereits 81 Predigten, die Specks an jedem dritten Mittwoch im Monat in der Christuskirche hält. Die Platten sucht er sich vorher aus, aber die Vorträge improvisiert er.

(RP)
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