Düsseldorf "Die Bahn drückt sich vor Lärmschutz"

Düsseldorf · Dieter Kappel vom Vorstand der Initiative "Bahnlärm - so nicht" über den zunehmenden Krach an Gleisstrecken durch mehr und längere Züge, über Möglichkeiten des Schallschutzes und die Unbeweglichkeit der Bahn.

 Täglich fahren rund 120 Güterzüge über die Strecke Rath-Eller. Die meisten sind rund 700 Meter lang, die Bahn will noch längere Züge einsetzen.

Täglich fahren rund 120 Güterzüge über die Strecke Rath-Eller. Die meisten sind rund 700 Meter lang, die Bahn will noch längere Züge einsetzen.

Foto: Andreas Endermann

Herr Kappel, Sie versuchen mit der Initiative "Bahnlärm - so nicht" die Bahn zu bewegen, für Schallschutz an der Güterzugstrecke Rath-Eller zu sorgen. In Bochum haben Anwohner an Bahngleisen dafür erst vor Gericht ziehen müssen. Reagiert die Bahn nur auf großen Druck hin?

Kappel Auf jeden Fall. Und das ist nicht nur in Bochum oder in Düsseldorf so, sondern bundesweit. Überall sind die Bürger unzufrieden mit der abweisenden Haltung der Bahn. Sie erscheint dem einzelnen Bürger wie ein Gigant, der sich nicht rührt und dem man nichts anhaben kann. Deshalb kann eine einzelne Stadtgruppe nur wenig erreichen. Die Lärm-Initiativen arbeiten daher auch zusammen und tauschen sich aus, und zwar bundesweit. Es geht um Gesundheitsschutz. Lärm ist kein hinnehmbares Übel.

Profitieren Sie in Düsseldorf von dem Gerichtsurteil in Bochum, das die Bahn zur Bezahlung von Schallschutzfenstern verpflichtet?

 Dieter Kappel setzt sich für die Anwohner der Strecke ein.

Dieter Kappel setzt sich für die Anwohner der Strecke ein.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Kappel Nur wenig. Zum einen hat unsere Initiative bereits vor zwölf Jahren erstritten, dass die Bahn zumindest teilweise den Einbau solcher Fenster finanziert, zum anderen helfen Schallschutzfenster nur bedingt und sind keine Lösung.

Das klingt etwas überheblich.

Kappel Nein. Es kommt auf die Situation vor Ort an. In Gerresheim etwa liegen die Gärten und Schlafzimmer zur Güterzugstrecke hin. Nachts kann wegen des Krachs nicht gelüftet werden, das ist unangenehm, zudem schadet Lärm nachweislich der Gesundheit. Wenn ein Zug vorbeifährt, ist eine Unterhaltung im Garten unmöglich. Telefonieren geht auch nicht. Durch die starken Funkwellen für die Geräte in den Loks werden Gespräche gestört, Verbindungen unterbrochen. Auch der Fernsehempfang wird unterbrochen. Viel problematischer sind die Belastungen, die man nicht sofort spürt, zum Beispiel in Ruhephasen.

Wie groß ist die Belastung?

Kappel Zurzeit fahren innerhalb von 24 Stunden, also Tag und Nacht, etwa 120 Güterzüge über die Strecke. Durch den Ausbau der Fernstrecke in die Schweiz wird sich Zahl wahrscheinlich auf etwa 240 Züge verdoppeln. Das gibt die Bahn an. Und es werden mehr Waggons aneinandergekoppelt. Heute sind die Züge etwa 700 Meter lang, künftig sollen sie etwa einen Kilometer lang sein. Die Lärmphase wird ausgedehnt. Diese Pläne der Bahn haben uns vor einigen Monaten bewogen, nach zwölf Jahren unsere Initiative wiederzubeleben.

Bei dem Giganten Bahn sind die Erfolgsaussichten aber schlecht.

Kappel Wir suchen von vornherein die Unterstützung vieler Bürger. In Düsseldorf leben etwa 60 000 Menschen an Eisenbahnlinien, das sind rund zehn Prozent der Einwohner. Da können viele aktiviert werden. So sind bei einer Unterschriftenaktion bei Initiativen und in der Stadt mehr als 4000 Unterschriften zusammengekommen. Auch die Stadtverwaltung und die Politiker - die Ratsmitglieder und auch die Düsseldorfer Bundestagsabgeordneten - setzen sich bei der Bahn und bei der Bundesregierung für mehr Schallschutz ein. Wohl auch wegen der vielen Unterschriften konnten Vertreter der Initiative im März mit den Verantwortlichen der Bahn sprechen, die für Düsseldorf zuständig sind.

Hat sich die Bahn denn bewegt?

Kappel Eher nicht. Aber wir sind froh über die Offenheit und Sachlichkeit des Gesprächs. Die Bahnvertreter haben unsere Forderungen zur Kenntnis genommen, aber keine Zusagen gemacht. Sie haben nur etwas schwammig erklärt, die Probleme an höherer Stelle in der Bahnhierarchie vorzutragen. Wir müssen abwarten. Immerhin wurde zugesagt, an der Güterzugstrecke zwischen Rath und Ratingen ein Lärmgutachten zu erstellen.

Was will die Initiative durchsetzen?

Kappel Um den Lärm einzudämmen, halten wir ein Tempolimit auf 70 Stundenkilometer am Tag und auf 50 in der Nacht für nötig, um die Rollgeräusche zu dämpfen. Lärmschutzwände an den Strecken sind nötig, bestehende Wände müssen auf den neuesten technischen Stand gebracht werden. Es gibt neue Materialien, die den Schall effektiver schlucken. Die Waggons müssen umgerüstet werden und statt der alten, lauten Graugussbremse leise Kunststoffbremsen bekommen. Die Technik entwickelt sich weiter, das muss die Bahn aber auch erkennen.

Aber die Bahn rüstet die Waggons bereits um und hat ein Sanierungsprogramm aufgelegt.

Kappel In der Tat nehmen die Anwohner an den Gleisstrecken wahr, dass schon öfter Züge leiser sind. Das kann auf die Umrüstung von Waggons zurückzuführen sein. Aber bei der großen Zahl der Wagen wird die Sanierung Jahrzehnte dauern. Wir brauchen daher neue Schallschutzwände und eine Modernisierung der bestehenden, die wir vor zwölf Jahren an der Strecke Rath-Eller durchgesetzt haben. Aber hier fehlt noch die Einsicht der Bahn.

Aus welchem Grund?

Kappel Die Bahn steht auf dem Standpunkt, dass mit dem Bau der Wände vor zwölf Jahren die Bestimmungen für den Schallschutz erfüllt worden sind, obwohl heute strengere Richtlinien gelten. Damals gab es nur wenige Mobiltelefone, das Internet war für viele noch Neuland. Das alles muss erfüllt werden, wenn neue Strecken gebaut werden. Die Initiative bewertet den Ausbau der Strecke für den dichteren Zugverkehr wie einen Neubau. Die Bahn steht auf dem Standpunkt, dass es sich um eine bestehende Strecke handelt, an der nichts für den Schallschutz getan werden muss. Sie drückt sich so vor Lärmschutz.

Wie wollen Sie Ihre Auffassung durchsetzen?

Kappel Die Initiative wird von der Stadtverwaltung unterstützt. Auch der designierte Oberbürgermeister Thomas Geisel hat sich unsere Argumente angehört und ist davon überzeugt, dass der Gesundheitsschutz ein hohes Gut ist. Nun wird mit den Unterschriftenlisten unsere Forderung aufgegriffen.

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Kappel Wir wollen natürlich am Ball bleiben und werden kurz nach den Sommerferien prüfen, was die Bahn in der Zwischenzeit gemacht hat. Daraus ergeben sich weitere Schritte. Auf jeden Fall sollen weitere Unterschriften gesammelt werden. Und unsere Initiative wird Anwohner unterstützen, die an Gleisstrecken ohne Schallschutzmauern wohnen. Mit unseren Erfahrungen können wir helfen, Forderungen durchzusetzen. Und nicht zuletzt suchen wir weiterhin den Kontakt mit der Politik. Wir gehen davon aus, dass wir nochmals mit dem designierten OB über die juristische Bewertung des Vorgehens der Bahn reden und eine Hilfestellung der Stadt besprechen werden.

MICHAEL BROCKERHOFF FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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