Düsseldorf Die Brehmstraße ist jetzt auch ein Stück Literatur

Düsseldorf · Wer weiß schon, wie ein literarischer Gedanke in die Welt kommt? Manchmal kann es bei der Autofahrt geschehen durch eine Straße, die man seit Jahren kennt. Und dann gerät ein Haus und mit ihm die Hausnummer in den Blick, Menschen kommen hinzu mit all ihren möglichen Freuden und Sorgen - und plötzlich entsteht so etwas wie eine eigene Welt, die nur noch beschrieben werden will. So ist es der Düsseldorferin Ulrike Reinker ergangen mit ihrem zweiten Roman, der im Titel auch den Schauplatz spiegelt: "Brehm 46".

Mit der Wirklichkeit hat das Haus an der Brehmstraße zwar nichts gemein; doch zumindest hat es im Kopf von Reinker (Jahrgang 1965) einen ersten Funken geschlagen. Der hat die gelernte Fotojournalistin zum Schreiben ermuntert - der Geschichte all der Mieter, etagenweise, und von oben nach unten. Zum Schluss gelangen wir also wieder ins Erdgeschoss, da wohnt Claudia Havelmann, die offiziell Schauspielerin und im existenziellen Zweitberuf Überlebenskünstlerin ist. Wie manch andere auch in den fünf Etagen - angefangen ganz oben bei Nadja, der Neumieterin, durch die wir auch ein Bild vom Vermieter bekommen: von Herrn Blumfeld, der um die siebzig und mit dieser gewissen Altersuntersetztheit ausgestattet ist; teure Kleidung, aber Mundgeruch. Ulrike Reinker zeichnet viele ihrer Figuren mit ein paar Strichen. Manchmal umkreist sie deren Geschichte aber auch anspielungsreich, ehe das Lebensthema mit aller Wucht nach vorne drängt. Bei Nadja, der Künstlerin, ist es die Malblockade und ihre Schwangerschaft. Wie allein diese Geschichte ausgeht? Im Roman bleibt dafür keine Zeit, weil im vierten Obergeschoss schon Enis Erdal wartet, im dritten die rote Ute, im zweiten Frau Althaus und im ersten noch Manu und Matthes. Doch im Epilog werde manche Erzählstränge noch ein paar Jahre weitergesponnen. Eher sachlich, ein bisschen Lebensvollzug.

"Brehm 46" ist das Psychogramm eines Hauses und seiner Bewohner; eine kleine Welt inmitten der großen - fein beobachtet, genau gezeichnet, souverän erzählt. Für eine Hausbesichtigung ist der Roman nicht geeignet, dafür aber zu einem sommerlichen Lesevergnügen.

Info Ulrike Reinker: "Brehm 46".Conte Verlag, 284 Seiten, 16,90 Euro

(RP)
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