Düsseldorf Die doppelte Tragik jüdischer Ärztinnen

Düsseldorf · Eine Sonderausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte zeigt, dass die Nationalsozialisten Frauen wie Marta Fraenkel, eine Pionierin auf dem Gebiet der Hygiene, auch wegen ihrer Berufstätigkeit verfolgten.

 Als Medizinerinnen erfahren die neun jüdischen Frauen, denen sich die Mahn- und Gedenkstätte in einer Sonderausstellung widmet, eine "doppelte Stigmatisierung" durch die Nazis, sagt Kuratorin Hildegard Jakobs.

Als Medizinerinnen erfahren die neun jüdischen Frauen, denen sich die Mahn- und Gedenkstätte in einer Sonderausstellung widmet, eine "doppelte Stigmatisierung" durch die Nazis, sagt Kuratorin Hildegard Jakobs.

Foto: Andreas Bretz

Der Kampf der neun Jüdinnen, die im Mittelpunkt einer neuen Sonderausstellung in der Mahn- und Gedenkstätte stehen, beginnt schon vor 1933. Da ist zum Beispiel Hedwig Jung-Danielewicz (geb. 1880), die in Berlin Medizin studieren will, doch einige Kurse nicht besuchen darf. Der Ordinarius für Anatomie, ein Professor Waldmeyer, ist nämlich der Meinung, dass Frauen das nicht tun sollten, und untersagt ihr die Teilnahme. Später wird sie auch ihre Studienzeit in Heidelberg und Freiburg, auf die sie nach den Schwierigkeiten in Berlin ausweicht, als nicht sehr glücklich beschreiben: Sehr zurückgezogen habe sie in den beiden Städten gelebt, immer wieder dabei mit Vorurteilen zu kämpfen gehabt. Eine Frau, die in den Beruf drängt, und dann auch noch in eine klassische Männerdomäne wie die des Arztes: Das will nicht passen zur Rolle der Frau, die vor allem darin liegen soll, Mutter und Hausfrau zu sein.

Jung-Danielewicz, die sich 1911 an der Uhlandstraße 23 als erste Ärztin in einer Privatpraxis in Düsseldorf niederlassen wird, ist eine von neun Persönlichkeiten, denen sich die Sonderausstellung "Helfen und Heilen: Jüdische Frauen in der Medizin 1933 bis 1945" widmet. Die einzelnen Biografien machen die zweifache Tragik jüdischer Ärztinnen deutlich. Sie zeigen, wie die Frauen mit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur "eine doppelte Stigmatisierung" durch die Nationalsozialisten erfahren und verfolgt werden, sagt Hildegard Jakobs. Die stellvertretende Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte kuratiert die Sonderausstellung mit Angela Genger (ehemalige Leiterin der Düsseldorfer Mahnstätte).

Da ist zum Beispiel Selma Meyer, die zwar 1922 als erste Frau im Fach Pädiatrie (Kinderheilkunde) und als zweite Frau an einer deutschen medizinischen Fakultät habilitiert wird und 1929 eine Praxis für Kinderheilkunde und Radiologie an der Jägerhofstraße 3 eröffnet. 1933 verliert die Pionierin aber nach dem "Gesetz zu Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" ihre Stelle als Professorin, dann entzieht ihr die Kassenärztliche Vereinigung die Zulassung für Kassenpatienten. Ab 1935 arbeitet sie als Schulärztin der Jüdischen Gemeinde, doch auch das wird ihr dann - 1938 - untersagt. 1939 emigriert Meyer, nach der ein Dissertationspreis der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin benannt ist, nach Großbritannien.

Die sieben Düsseldorferinnen, die den Holocaust überleben, müssen sich auch im Exil ihre Anerkennung als Ärzte erkämpfen, sich verschiedenen ärztlichen Prüfungen unterziehen. Viele von ihnen gelten heute als Pioniere auf ihrem Gebiet. So ist nach Marta Fraenkel im Deutsche Hygiene-Museum Dresden ein Raum benannt. Zwischen 1925 und 1927 hatte sie in Düsseldorf die große Ausstellung für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen (GeSoLei) wissenschaftlich geleitet. Auf dem großen GeSoLei-Gemälde im Düsseldorfer Stadtmuseum ist sie aber dennoch nicht zu sehen, sondern eine Schar von Männern.

(semi)
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