Löwensenf Die Düsseldorfer Senf-Dynastie

Düsseldorf · Der WDR zeigt am Freitag eine Dokumentation über die Familie Frenzel, die den Löwensenf in die Landeshauptstadt gebracht hat. Im Mittelpunkt des Films stehen eine starke Frau und der letzte Nachkomme der Unternehmerfamilie.

Marktführer "Löwensenf"
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Wenn Anfang der 50er Jahre ein Bettler zum Pfarrer der Düsseldorfer Lutherkirche kam, wusste der Hirte, wo der Arme Hilfe findet: bei Frieda Frenzel. Die Chefin der Löwensenf-Fabrik gab den Armen gerne Geld — aber nur unter einer Bedingung. Sie mussten wieder kommen, die Quittung zeigen und das neue gekaufte Kleidungsstück. Die strenge und großzügige Frieda Frenzel ist die Hauptfigur der Dokumentation "Dynastien in NRW: Löwensenf — Der Scharfe aus Düsseldorf", die heute ab 20.15 Uhr im WDR Fernsehen zu sehen ist.

Härte und Güte der Unternehmerin resultierten aus einer Reihe schwerer Schicksalsschläge. Im damals deutschen Metz hatte sie 1903 mit ihrem Mann Otto die "Erste Lothringische Essig- und Senffabrik". Bald schon liefern die beiden ihren Dijon-Senf bis nach Luxemburg, auch weil sie ihn in kuriose Gefäße wie Bierstiefel oder Sektgläser abfüllen. Dann aber kostet der Erste Weltkrieg die Familie zwei Leben und ihre Fabrik.

Als Stadtkommandant von Metz gerät Otto Frenzel auf die Schwarze Liste der Franzosen. Die Familie rettet sich mit wenig Handgepäck zu Verwandten nach Bielefeld. Auf der Flucht erkrankt der älteste Sohn an Lungentuberkulose, der jüngere steckt sich an, beide Jungen sterben.

Lange hält es die Frenzels nicht in Westfalen, schon 1919 ziehen sie in die älteste deutsche Senfmetropole, nach Düsseldorf. Neun Senffabriken gibt es dort schon, doch ein Stück aus dem Fluchtgepäck sichert der Familie einen guten Start. Otto Frenzel hat den Bauplan für eine Siebmaschine aus Metz mitgenommen. Mannesmann baut sie nach, und so gibt es schon bald den ersten Senf nach Dijon-Verfahren in Düsseldorf.

Aus dem Stadtwappen entlehnt die Familie den Löwen, der zu ihrem extra-scharfen Senf passt und jede Menge begierige Abnehmer in den Restaurants an der Kö, im Hofgarten und an der Rennbahn findet. Wieder wächst das Unternehmen, wieder hält das Glück nicht lange. Überraschend stirbt Otto Frenzel Mitte der 20er, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs fällt der letzte Sohn.

Deshalb hat die Dynastie heute nur noch einen Nachfahren, Jochen Heidsieck. Er erinnert sich freudig an seine Großtante, die sich so viel um ihn gekümmert hat. "Als mein Vater mit mir im Beiwagen seines Motorrades nach Bayern fahren wollte, hat sie das verhindert. Und sie hat mich zwei Mal in Kur geschickt."

Heidsieck lebt immer noch neben der ersten Fabrik an der Gerresheimer Straße, hat mit dem Unternehmen am Flughafen aber nichts zu tun. Die Marke Löwensenf gehört mittlerweile zum Münchener Familienbetrieb Develey, dessen Zukunft unter anderem dadurch gesichert ist, dass es Ketchup für McDonalds produziert. Develey-Geschäftsführer Michael Durach betont, dass der Düsseldorfer Senf dauerhaft in der NRW-Landeshauptstadt bleibt. "Unsere Marken bleiben dort ansässig, wo sie ihre Geschichte haben und wo sie mit den Menschen verbunden sind", sagt der Manager, dessen Familie einst den bayerischen König Ludwig belieferte.

Die Philosophie der heutigen Muttergesellschaft hätte der Unternehmensgründerin gefallen. Frieda Frenzel gebe dem Gedanken des Grundgesetz, das Eigentum verpflichtet, praktische Bedeutung, heißt es in der Erklärung, als sie 1963 das Bundesverdienstkreuz erhält. Die inzwischen 80-Jährige feiert die Auszeichnung auf ihre Weise. Jeder Mitarbeiter erhält einen Dankesbrief — und 200 Mark. "Halten Sie unserer Firma weiter die Treue", schreibt Frieda Frenzel am Ende ihres Briefes.

(RP)
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