Interview Gerd-Ulrich Kapteina "Die freiheitliche Demokratie mutet uns einiges zu"

Düsseldorf · Das Verwaltungsgericht hat mehrfach polizeiliche Auflagen für "Dügida" gekippt. Der Gerichtssprecher nimmt Stellung.

Gerd-Ulrich Kapteina, Sprecher des Verwaltungsgerichts

Gerd-Ulrich Kapteina, Sprecher des Verwaltungsgerichts

Foto: Schaller

Waren Sie am Montag mal in der Innenstadt?

Kapteina Nicht auf der Straße, ich war im Büro. Aber ich habe die Bilder gesehen. Und glauben Sie mir, wenn ich im Stau stehe und viel später nach Hause komme, dann frag' ich mich auch: Muss das denn sein?

Und was antworten Sie sich dann?

Kapteina Ja. Es muss. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Versammlungsfreiheit ist ein sehr hohes Gut. Nur so haben auch Minderheiten, die sich parlamentarisch nicht ausreichend vertreten fühlen, die Möglichkeit, sich zu äußern.

Auch wenn dadurch eine kleine Gruppe die halbe Stadt lahmlegt?

Kapteina Auch dann. Kurzfristige Störungen des Verkehrs sind zumutbar. Die Gesetzgebung sieht nur sehr wenige Gründe, aus denen Versammlungsfreiheit beschränkt werden kann: wenn schon vor einer Versammlung absehbar ist, dass von ihr Straftaten ausgehen, also die öffentliche Ordnung gefährdet ist.

Straftaten hat es ja bei den beiden letzten "Dügida"-Demos gegeben, da waren Waffen im Spiel, wurde das Horst-Wessel-Lied gesungen....

Kapteina Da greift dann die Polizei ein und unterbindet das und die öffentliche Ordnung ist wieder hergestellt. Für eine Beschränkung der Versammlungsfreiheit geht es darum, dass im Vorfeld eine Gefährdung hinreichend sicher prognostiziert wird.

Und da reicht nicht aus, dass es bei der letzten Demo Straftaten gab?

Kapteina Nein. Das steht ausdrücklich so im Gesetz, aber natürlich werden sich Wiederholungen von Straftaten auch auf eine Prognose auswirken. Letztlich werden die Gefährdungsprognosen genauer, je mehr Erfahrungen man sammelt.

Müssen sich die Düsseldorfer darauf einstellen, dass bis Dezember "Dügida" die Innenstadt blockiert?

Kapteina Das Versammlungsrecht gilt zwar für jedermann und immer. Aber es gibt keine Jahreskarte. Jede einzelne Anmeldung wird geprüft.

Das Verwaltungsgericht hat ja auch keine Auflagen der Polizei gegen den Ort und Zugeweg zugelassen, die zu schützen einen hohen Personalaufwand bedeutet. Warum?

Kapteina Auch da gilt das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht des Veranstalters über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung. Eine zentrale städtische Lage ist nun einmal der ideale Ort für eine Demonstration. Wir wissen auch, was das für die Polizei, die einzelnen Beamten und auch für die Anwohner und Geschäftsleute bedeutet. Aber die freiheitliche Demokratie mutet uns einiges zu.

S. GEILHAUSEN STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort