Düsseldorf Die Geheimnis-Bilder von Oxana Jad

Düsseldorf · Die russische Fotokünstlerin produziert in ihrem Düsseldorfer Atelier Arbeiten, die wie Szenenbilder aus Gruselfilmen anmuten.

Düsseldorf: Die Geheimnis-Bilder von Oxana Jad
Foto: Oxana Jad

"Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?" Der Titel des populär-philosophischen Bestsellers von Richard David Precht würde auch zu den Arbeiten der Fotografin Oxana Jad passen. Die in Moskau geborene Fotokünstlerin sucht nicht mit Worten, sondern mit ihrer Kamera nach Antworten auf diese oder ähnliche Fragen. Wer bin ich also? Was macht meine Identität aus? Und was würde passieren, wenn ich in einen anderen Lebenslauf umsteigen könnte? Solche Fragen wirbeln einem beim Anschauen von Jads Fotografien tatsächlich durch den Kopf.

Auf einem Bild sind zum Beispiel Kinder zu sehen, die man auf den ersten Blick für Drillinge halten könnte. Sie unterscheiden sich nur in feinen Nuancen voneinander - in ihrer Mimik, ihrer Haltung und ihrem Haarschnitt. Tatsächlich handelt es sich um ein und dasselbe Kind, dessen Gesichtszüge digital abgewandelt wurden. Gleich muss man an die Horrorvisionen der Klon-Techniker denken.

Oxana Jad schmunzelt nur über diesen Gedankensprung. Ihre Arbeiten seien natürlich offen für Bedeutungen und Assoziationen. Der Betrachter ist in der aktuellen Kunst ja immer Dialogpartner und Teil des Werks. Deuten möchte sie ihre Bilder deshalb nicht. Ein roter Faden ist freilich unübersehbar: Jad glaubt, dass hinter dem Offensichtlichen, hinter der perfekten Oberfläche immer unterbewusste Kräfte und psychische Abgründe verborgen sind. Und dieses Unsichtbare will sie in ihren detailgenau komponierten Fotografien entzaubern und bannen.

Die Regie des Lichts ist der 36 Jahre alten Russin dabei genau so wichtig wie eine farblich angemessene Möblierung. Die in Düsseldorf an der Stephanienstraße arbeitende Künstlerin erzählt, dass sie ihre Handlungsorte vorab genau skizziert und danach als Kulissen bauen lässt. Und weil in der digitalen Fotografie fast nichts unmöglich ist, handelt es sich meist um "3-D-Kulissen", die sie ihren Darstellern als Handlungsort zur Verfügung stellt. Das Innenleben der Akteure kann sich so in den passenden Formen des Ambientes widerspiegeln.

Eine Marilyn-Monroe-Kopie hockt da auf dem Bett, einen Telefonhörer in der Hand - und sofort entsteht die zugehörige Geschichte im Kopf des Zuschauers. Solche Aufnahmen nähern sich der Perfektion von Film-Stills an. Aus der Serie "Fremdes Ich" stammt eine Szene, in der eine Frau apathisch am Fuß einer Treppe steht. Sie wirkt abwesend und in den Händen hält sie einen Abschiedsbrief.

Trotz der Kühle, die aus der Präzision des Digitalen entsteht, schwingt in den Bildern fast immer eine romantische Stimmung mit. Dass sich Oxana Jad in ihren jüngsten Arbeiten der Landschaftsfotografie widmet, ist also gar nicht so überraschend.

Beim Besuch im Atelier treffen wir auf eine lebensbejahende, optimistische Künstlerin, die gerade ihre Arbeiten für eine Ausstellung in Dresden zusammenstellt. Dorthin hat sie seit ihrer Studienzeit noch gute Kontakte. Lachend zeigt sie uns ein neues Foto, auf dem ein nach Art der römischen Kaiser dargestellter Putin in einem Sumpf versinkt. Die Arbeit fällt thematisch aus dem Rahmen, weil sie als Kommentar zur aktuellen Lage in ihrem Heimatland gedacht war. Das erkannte sogar die "Bild"-Zeitung. "Russische Fotografin stürzt Putin", titelte das Blatt.

Tja - so weit reicht die Macht der Bilder dann wohl doch nicht.

(RP)
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