Sternsinger in Düsseldorf-Hubbelrath Die Greisen aus dem Morgenland

Düsseldorf · In diesen Tagen gehen wieder die Sternsinger von Haus zu Haus. Doch in Düsseldorf-Hubbelrath bringen nicht Kinder den Segen, sondern eine Gruppe von Älteren. Mit ihrem Gesang rühren sie zu Tränen - und sammeln besonders viel.

 Sie ziehen in Düsseldorf-Hubbelrath von Haus zu Haus und sammeln für einen guten Zweck: die nicht mehr ganz jungen Sternsinger Markus Rübsam, Heinz Schmoock, Gerd Lange, Peter Happe und Thorsten Nolten (v. l.). Im Vordergrund ist Sternträgerin Leonie Nolten zu sehen.

Sie ziehen in Düsseldorf-Hubbelrath von Haus zu Haus und sammeln für einen guten Zweck: die nicht mehr ganz jungen Sternsinger Markus Rübsam, Heinz Schmoock, Gerd Lange, Peter Happe und Thorsten Nolten (v. l.). Im Vordergrund ist Sternträgerin Leonie Nolten zu sehen.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Mit viel schwarzer Schminke, einem Umhang und einer Krone verwandelt sich Gerd Lange in Melchior, einen der Heiligen Drei Könige. Dass er dabei um Jahrzehnte älter ist als die meisten Sternsinger, die derzeit im ganzen Land von Tür zu Tür ziehen, stört den 75-Jährigen nicht. Lange sieht das pragmatisch: "Die Weisen aus dem Morgenland waren ja schließlich auch keine jungen Männer", sagt er.

Weil sich nicht mehr genug Kinder fanden, haben mehrere Senioren vor 16 Jahren in Düsseldorf-Hubbelrath die Aufgabe übernommen - der Älteste von ihnen hat in diesem Jahr mit Mitte 80 aufgehört. Nun ist Lange der Alterspräsident. Zusammen mit seinen Schützenbrüdern bringt er den Segensspruch C+M+B (Christus mansionem benedicat - Christus segne dieses Haus) an und sammelt Geld für die Sternsingeraktion. "Uns liegt es besonders am Herzen, den Leuten den Segen zu bringen. Viele Menschen warten darauf und rufen vorher an, um sicherzugehen, dass wir wirklich kommen", sagt Lange.

"Plötzlich gab es keine Kinder mehr"

Was im ländlichen Hubbelrath Tradition ist, wird in anderen Gemeinden in NRW ebenfalls erprobt, etwa in Paderborn oder in Werne. Denn nicht überall findet sich genug Nachwuchs. "Die Aufgabe ist zeitaufwendig, und viele Kinder haben heute lange Schule und sind nicht mehr so flexibel", meint Lange. Als der Kaplan sich damals "aus der Not heraus" an die Schützen wandte, habe er bereitwillig zugesagt. "Zunächst sollte ich die Kinder nur begleiten und von Bauernhof zu Bauernhof fahren, aber dann gab es plötzlich keine Kinder mehr."

Das Motto der Aktion laute zwar "Kinder helfen Kindern", "aber wir wehren uns nicht, wenn auch ältere Menschen mitmachen", sagte Sprecher Thomas Römer vom Kindermissionswerk Aachen, das für die bundesweite Entsendung der Sternsinger zuständig ist. Von einem generellen Nachwuchsmangel könne man nicht sprechen, sagen die Bistümer. Aber die Begeisterung für die Sternsinger variiere von Ort zu Ort. Voraussichtlich werden dieses Mal bundesweit 330.000 Sternsinger entsandt. "Wir sind froh um jeden, der sich an der Sternsinger-Aktion beteiligt", sagt Thomas Rünker vom Bistum Essen.

Nur einmal hat Gerd Lange den Satz "Das müssten doch Kinder machen" an einer Haustür gehört. Die anderen wüssten ihren Einsatz sehr zu schätzen und freuten sich auf den Besuch der "Sternsinger in den besten Jahren". "Uns ist es wichtig, einen würdigen Eindruck zu machen, wir sind keine Karnevalstruppe", betont Lange. Ihre Kostüme wurden aus früheren liturgischen Gewändern sowie gespendeten Stoffen von einer Frau aus dem Ort genäht. "Wir bekommen wirklich viel Unterstützung", sagt Lange.

Eine ganze Woche lang ziehen der frühere IT-Spezialist und seine in diesem Jahr acht Mitstreiter erstmals in zwei Teams - denn in diesem Jahr sind drei Freiwillige neu hinzugekommen - durch Hubbelrath und klingeln sowohl bei katholischen als auch evangelischen Familien. 300 Mal stimmen sie in dieser Zeit das Lied "Seht ihr unsern Stern dort stehen" an. Vierstimmig.

Hohe Spenden

Manche Bürger sind so vom Gesang der Männer, die fast alle Kirchenchorerfahrung haben, gerührt, dass sie besonders reich geben. "In den ersten Jahren haben wir erlebt, dass uns Leute ein bisschen Klingelgeld geben wollten, weil sie dachten, dass Kinder vor der Tür stehen", erinnert sich Lange. "Als sie dann uns gesehen und gehört haben, sind sie noch mal reingegangen, haben ihr Portemonnaie geholt und Scheine gegeben." Und so sammeln die älteren Sternsinger bis heute sehr viel Geld für den guten Zweck. Anfangs seien es 3000 bis 4000 Euro gewesen, heute bis zu 8000 Euro. Bei ihrer Runde lassen sie aber auch kaum einen der entlegenen Höfe aus.

Ein Steuerberater, ein Bauer, ein Makler, ein Polizist und ein Kasernenkommandant zählen zu den Sternsingern im Alter von 40 bis 75 in Hubbelrath. Und da sich die Sternsinger oft in einem ähnlichen Alter befinden wie die Hausbewohner und man sich seit Jahren kennt, tauschen sie sich aus. Gelegentlich werden sie zu Kaffee, Kuchen, einer warmen Suppe oder einem Grünkohlessen eingeladen. "Es ist schön, auf diese Weise ,entlohnt' zu werden", sagt Gerd Lange, der sich als "Pfleger der Tradition" sieht.

Immer wieder Strapazen

Denn oftmals ist der Umzug mit einigen Strapazen verbunden. Einmal, da steckten sie im Schlamm fest und mussten mit einem Jeep einzeln vom Bauernhof abtransportiert werden, weil die Erde nach heftigen Regenfällen so stark nachgab. Und je nachdem, wie kalt es ist, versagt auch schon mal die Stimme. Deshalb haben sie nun immer ein paar Bonbons in der Tasche.

Manchmal schlüpft Gerd Lange auch in die Rolle von Caspar oder Balthasar. Meistens aber sei es Melchior. Denn so engagiert die Hubbelrather Herren auch sind, nicht jeder schmiert sich gerne die dunkle Schminke ins Gesicht. "Denn sie geht wirklich schwierig ab", gibt Lange zu. Doch er hofft, noch lange den Melchior geben zu können.

(RP)
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