Interview mit Boris Neisser und Otto Lindner "Die Jazz Rally zählt zu den Top-Events in Europa"

Düsseldorf · Die Geschäftsführer der Destination Düsseldorf sprechen über die Anfänge des Musikfestivals, die harte Arbeit an der Finanzierung und ihre Einstellung zum Jazz.

 Otto Lindner (links) und Boris Neisser beim Gespräch im "Me and All"-Hotel an der Immermannstraße.

Otto Lindner (links) und Boris Neisser beim Gespräch im "Me and All"-Hotel an der Immermannstraße.

Foto: Andreas Bretz

Nur noch zehn Tage bis zur 25. Schauinsland-Reisen-Jazz-Rally. Vom 1. bis 4. Juni werden wieder musikalische Top-Acts in Düsseldorf auftreten. Sister Sledge wird erwartet zum größten Festival dieser Art in Deutschland, bei dem alle Spielarten des Genres in der Landeshauptstadt zu hören sein werden. Soul-Sänger Gregory Porter kommt zu einem Gastspiel vorbei, und Heather Small, die Sängerin von M People, wird legendäre Hits singen.

Vor einem Vierteljahrhundert startete das Event mit weniger als 100.000 Besuchern, heute sind es im Durchschnitt 300.000, die Lust auf dieses Musikgenre haben. Zum Team des Veranstalters gehören auch zwei Männer, die fast von Anfang an dabei und maßgeblich am Erfolg beteiligt sind: Otto Lindner und Boris Neisser, beide Geschäftsführer der Destination Düsseldorf Veranstaltung GmbH.

Herr Lindner, Sie feiern ein denkwürdiges Jubiläum, wie sehen Ihre Erinnerungen an die Anfänge der Jazz Rally aus?

Lindner Die besten Ideen entstehen nicht strategisch. Manfred Kronen war damals noch Igedo-Chef und traf zufällig eine Abordnung der "Brussels Jazz Rally". Daraufhin fuhr eine Düsseldorfer Abordnung dorthin - und war begeistert. Wir adaptierten quasi die belgische Idee. 1993 sind wir dann hier gestartet, übrigens noch unter dem Label "Brussels Jazz Rally Düsseldorf". Die ersten beiden Jahre hießen wir dann auch noch so. Nicht nur der Name ist heute anders, auch das Brüsseler Logo - das war damals ein Krokodil - ist inzwischen modernisiert worden. Boris Neisser und ich stießen 1995 dazu. Und wir haben es nicht bereut. NEISSER In den Anfängen war auch die Anmutung noch anders. Unser Festival war viel kleiner, eher ein Straßenfest mit Dixie- und Oldtime-Jazz. Auch wenn es sich sehr entwickelt hat, das Grundkonzept haben wir klugerweise beibehalten. Man kommt auch heute noch mit dem Button in die Konzerte, alles sollte und soll immer einen offenen und flexiblen Charakter besitzen. Mehr Konzerte als jetzt gab es in den Anfängen übrigens nicht unbedingt. Aber qualitativ haben wir natürlich enorm daran gearbeitet. Wir haben absolute Top-Acts und dazu Soul, Pop und Funk dazu geholt. Unsere Zielgruppe hat sich damit insgesamt deutlich verjüngt.

Sie sind bekanntermaßen nah dran am Puls der Besucher und auch an den Statistiken. Ist die Jazz Rally vor allem ein Düsseldorfer Thema?

Lindner Definitiv nicht! Das ist auch gut so und war auch immer unser Wunsch. Die Bands sind eine Mischung aus internationalen, nationalen und regionalen Acts. Ein weiteres Beispiel: Wir haben ja auch den Nachwuchswettbewerb "Sparda Jazz-Award", und den gewinnen auch immer wieder Kölner und in diesem Jahr eine Berliner Band. Zu den Besuchern: Über die Hälfte der Gäste kommt aus bis 50 Kilometer Entfernung und darüber hinaus. In Köln, Neuss, Krefeld, Ratingen, dem Ruhrgebiet, Duisburg und am Niederrhein leben treue Fans unseres Festivals. Aber auch aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland kommen Fans zu uns.

Wie sieht es mit der Finanzierung aus? Anders als andere Festivals dieser Art, die auf öffentliche Zuschüsse zählen können, geht bei Ihnen fast alles über Sponsoring. Wird's leichter mit den Jahren?

Neisser Wir haben natürlich mittlerweile einen guten Namen. Leichter wird's aber leider nicht unbedingt. Es ist schon harte Arbeit, Sponsoren zu finden. Umso schöner, dass wir gute und treue haben wie etwa unseren Hauptsponsor Schauinsland-Reisen. Auch die Messe Düsseldorf ist ein guter Partner mit einer großen Konstanz und seit Anfang an dabei. Wir benötigen jedes Jahr eine Million Euro an Gesamtbudget. Parallel zum Wachsen des Etats buchen wir dann die Bands. Dieses Vorgehen führt zu solidem Arbeiten: Die Bands werden nur dann gebucht, wenn das Geld da ist.

Ist es eines Ihrer Ziele in den kommenden 25 Jahren, vermehrt auch öffentliche Fördermittel zu erhalten wie etwa das Jazz-Festival in Moers?

Lindner Das ist auf jeden Fall nicht unser Ziel. Die Destination ist eine mittelständisch geprägte Vereinigung, sehr effizient, und die Unabhängigkeit ist unsere große Stärke. Wir wollen in jedem Fall unabhängig, schnell und kreativ bleiben, und das geht nur mit privatwirtschaftlichem Engagement. Wir fordern weder von der Stadt noch vom Land Geld. Über punktuelle Unterstützung, die es auch gibt, freuen wir uns natürlich.

Das hört sich zunächst einmal nach knallhartem Geschäft an. Wie groß ist eigentlich Ihre persönliche Leidenschaft für den Jazz?

Lindner Ich gebe ehrlich zu, ich habe im Detail überhaupt keine Ahnung von Jazz. Mich interessiert das Festival, das sich einen einzigartigen Ruf erarbeiten konnte, als "Düsseldorfer Erlebnis". Und ich möchte den Urauftrag unserer Unternehmervereinigung Destination Düsseldorf, die ja hinter der Schauinsland-reisen Jazz Rally steht, einhalten. Das heißt: Am Ende sollen alle ihren Spaß haben, und die Zahlen müssen stimmen. Allerdings: Als im vergangenen Jahr Earth, Wind and Fire da waren, da war ich schon Feuer und Flamme. Neisser Das mit dem DD-Auftrag möchte ich voll und ganz unterschreiben, aber ich bin schon großer Jazz-Fan. Take Five von Dave Brubeck etwa spielte mir zum ersten Mal mein Vater vor. Das Lied hat daher eine große Bedeutung für mich. Und die niederländische Saxophonistin Candy Dulfer ist einfach faszinierend. Nicht von ungefähr ist ihr Stück "Lilly was here" die inoffizielle Hymne des DD-Teams. Und auf M People freue ich mich in diesem Jahr unwahrscheinlich.

Wer fehlt noch im Portfolio?

Lindner Al Jarreau ist leider tot. NEISSER Die US-amerikanische Soul-Sängerin Chaka Khan wäre mein Wunsch. Die Live-Konzerte werden ja für Künstler immer wichtiger, daher sind sie in der Regel auch sehr teurer. Da ist man schon mal überrascht, was da an Gagen verlangt wird.

Was treibt Sie an?

Neisser Es macht viel Spaß, und wir sind beide Kinder der Stadt. Und wir haben uns als Destination Düsseldorf auf die Fahnen geschrieben, dass dieses Festival ein herausragendes Beispiel für privatwirtschaftliches Engagement sein soll. Und mit dem Gesamtergebnis können wir schon zufrieden sein, wie ich finde. Allein zehn Milliarden Page Impressions zur Rally im Internet, das kann sich doch sehen lassen, oder?! LINDNER Was viele nicht mehr wissen: Düsseldorf war ja ganz früher schon mal eine der führenden Jazz-Metropolen. Das wieder aufleben zu lassen, das ist schon reizvoll. Wir zählen zu den Top-Festivals in Europa und tun viel für die Wirtschaftskraft der Stadt.

Wie lautet Ihre persönliche Bilanz nach 25 Jahren Jazz Rally?

Neisser Ich freue mich, dass wir beispielsweise ein Sprungbrett für Nachwuchsbands geworden sind. Wir haben dazu insgesamt einen guten Mix an Musik, Spielstätten und Besuchern.

Noch mal ein Wort zu Ihrer persönlichen Verbindung: Pflegen Sie auch einen privaten Kontakt?

Lindner Ja, auf jeden Fall. Unsere Eltern waren schon miteinander befreundet. Kennen und schätzen gelernt haben Boris Neisser und ich uns vor gefühlten 30 Jahren. Wir saßen beide in einer Diskussionsrunde, und es ging um den Flughafentunnel. Uns verbindet eine große Liebe zu Düsseldorf.

(RP)
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