Düsseldorf Die Konstante im Stadtsparkassen-Chaos

Düsseldorf · Die Mitglieder des Sparkassen-Vorstands wechselten in den vergangenen Jahren oft - Karin-Brigitte Göbel blieb. Die 57-Jährige gilt nun als Favoritin für die Nachfolge des Vorstands-Vorsitzenden Arndt Hallmann.

 Karin-Brigitte Göbel ist seit fast acht Jahren im Vorstand der Düsseldorfer Stadtsparkasse für Geschäftskunden zuständig.

Karin-Brigitte Göbel ist seit fast acht Jahren im Vorstand der Düsseldorfer Stadtsparkasse für Geschäftskunden zuständig.

Foto: Andreas Bretz

Als Karin-Brigitte Göbel im September 2008 für den Vorstand der Düsseldorfer Stadtsparkasse ausgewählt wird, ist das eine kleine Sensation. Außer ihr kommt mit Birgit Roos eine zweite Frau in das vierköpfige Führungsteam. 50 Prozent Frauenanteil in der Top-Etage, das ist in den meisten Unternehmen ungewöhnlich, in der Banken- und Sparkassenbranche geradezu exotisch. Sie sind die ersten Frauen überhaupt in diesem Vorstand.

Es soll einen Neuanfang im Hochhaus an der Berliner Allee markieren nach skandalträchtigen Monaten rund um die Affäre um ungesicherte Kredite an Unternehmer Franjo Pooth, Ehemann der TV-Ikone Verona. Die beiden Vorstandsfrauen sind die ersten wichtigen Personalien von zwei Männern, die damals neu auf ihren Posten sind: Oberbürgermeister Dirk Elbers (CDU), dessen Amtsvorgänger Joachim Erwin (CDU) im Mai 2008 an Krebs gestorben war, und Peter Fröhlich, der kurz zuvor nach der spektakulären Entlassung von Vorstandsmitgliedern Chef der Stadtsparkasse geworden war.

Jetzt, acht Jahre später, sieht es ganz danach aus, dass Göbel als erste Frau an die Spitze der Stadtsparkasse rücken wird. Und es wäre wieder einmal die Hoffnung damit verknüpft, dass endlich Ruhe einkehrt bei dem Geldinstitut. Denn das ist damals keinesfalls gelungen. Auch Fröhlich ging - im Streit mit Elbers. Fast zeitgleich wechselte Roos nach Krefeld, wo sie Chefin der Stadtsparkasse wurde. 2013 schied auch das Vorstandsmitglied Andreas Goßmann aus - Elbers' einstiger Favorit war wegen seiner allzu selbstbewussten Art in Missgunst geraten und gilt seitdem als teuerster Spaziergänger der Stadt. Bis zu seiner Pensionierung erhält er ein jährliches Ruhegehalt von mehr als 300.000 Euro. Goßmann hat nun Gesellschaft, denn das Vorstands-Karussell dreht sich weiter: Nach jahrelangem Streit mit dem amtierenden Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) um die Höhe der Ausschüttungen an die Stadt wurde erst im Frühsommer der Vertrag des Risiko-Vorstands Martin van Gemmeren nicht verlängert, jetzt auch der des Vorstandsvorsitzenden Arndt Hallmann nicht.

Würde man ein Organigramm aufzeichnen, um all die aus der Sparkassen-Zentrale an der Berliner mit vertraglich zugesichertem Goldenen Handschlag Ausgeschiedenen und die neu Berufenen zu sortieren, es wäre beachtlich. Eine ist aber in all den Jahren geblieben: Göbel. Sie ist die einzige Konstante im Vorstand, auch deshalb könnte sie auf Hallmann folgen. Auch wenn sich niemand öffentlich positioniert, dürfte ihr eine Mehrheit aus SPD, Grünen, FDP und einem Teil der fünf Arbeitnehmervertreter im 15-köpfigen Verwaltungsrat sicher sein. Vielleicht wird es am Ende sogar ein einstimmiges Votum. Denn alle sind müde von den zermürbenden Dauer-Streitigkeiten. Das Experiment mit einer externen Lösung will kaum jemand mehr wagen. Bei Göbel weiß man, was man hat. 2013 wurde ihr Vertrag einstimmig um fünf Jahre verlängert.

Dennoch unterstellt ihr mancher Kritiker Kalkül. Es ist kein Geheimnis, dass sich die Bankkauffrau und Betriebswirtin den Vorstandsvorsitz bereits 2012 nach Fröhlichs Weggang zugetraut hätte. Doch die Entscheider in der Politik hatten damals Zweifel. Ihre Vorstandserfahrungen - zuvor war sie bei der Taunus Sparkasse - schienen manchen zu schmal für ein so großes Bankhaus. Sie gilt zwar allseits als ausgewiesene Expertin im Geschäftskunden-Bereich, ihr fehle aber die fachliche Breite, heißt es von Skeptikern.

Göbel lächelt das selbstbewusst weg. Sie weiß, was sie kann, dass sie fleißig und kompetent ist. Das hat sie auch bewiesen. In der Zeit einer Vakanz im Vorstand betreute sie fast ein Jahr neben ihrem Bereich der Geschäftskunden und Anlagen (Treasury) den kompletten Markt mit Privatkunden, Filialen, Immobilien sowie das Asset Management. Man muss in einer Führungsfunktion nicht alles können, sondern die richtigen Leute ins Team holen.

Teamarbeit, Vernetzen, das sind ohnehin ihre Stärken. Mit den Vorstandskollegen Michael Meyer und Stefan Dahm, der einst als Vertrauter Hallmanns geholt wurde, pflegt Göbel eine gute Zusammenarbeit. Auch bei der Arbeitnehmerschaft ist sie wohlgelitten. Sie engagiert sich bei den Rotariern, in verschiedenen Frauennetzwerken, bringt Menschen zusammen. Sie schätzt Kreativ- und Querdenker. In der Düsseldorfer Wirtschaft und Gesellschaft ist sie gut bekannt und angesehen. Und zu ihren Lieblingsplätzen zählt die Dachterrasse der Stadtsparkasse - wegen des Weitblicks.

Eigentlich wollte Göbel Funkoffizier bei der Handelsmarine werden, wollte Nautik studieren, um die Welt reisen. Doch ihre Mutter überzeugte sie davon, erst eine Banklehre zu machen. Nun, stürmische Zeiten hat die gebürtige Bochumerin auch jenseits der Hohen See erlebt. Nicht ohne Grund ist die Bankenaufsicht Bafin seit Jahren Stammgast bei den Verwaltungsratssitzungen der Stadtsparkasse.

Dass sie sich durchkämpfen kann, beweist Göbel schon in jungen Jahren: Neben ihrem Job als Bankkauffrau stemmt sie ein Abendstudium an der FH Bochum. Danach schafft sie, was als unmöglich gilt: mit ihrem Fachhochschul-Abschluss unter Elite-Uni-Absolventen eine Trainee-Stelle bei der Chase Bank in London zu ergattern. Präzision, Tempo, team- und lösungsorientiertes Arbeiten hat sie dort gelernt. Bei der Bank in London bleibt sie sechs Jahre, sammelt später bei der BfG Bank Erfahrung im Vertrieb, arbeitet bei der Bankgesellschaft Berlin, bevor sie 2002 in den Vorstand der Taunus Sparkasse wechselt.

Auf ihrem Posten bei der Stadtsparkasse Düsseldorf macht sich Göbel ab 2009 im Geschäftskundenbereich rasch einen Namen. Sie kämpft für den Mittelstand, entwickelt mit ihrer Kollegin Roos eine Task Force für Großkredite, spezielle Beratungs- und Netzwerkmodelle, nimmt beim Mittelstandspreis und mit speziellen Fonds die frische Start-up-Szene in den Fokus, unterstützt früh die Stadt mit speziellen Kreditangeboten für Investoren beim Wohnungsbau. Roos, Vorstandschef Fröhlich und Göbel sind ein vertrautes, eingespieltes Team. Bis heute halten sie Kontakt. Wie anders wird es 2012 mit Hallmann. Sein risikoscheuer Kurs im Kreditgeschäft macht Göbel allzu oft einen Strich durch die Strategie, Stammkunden erhalten keine Darlehen mehr - oder zu kaum annehmbaren Konditionen. Viele wandern zu anderen Banken ab. Obwohl Studien belegen, dass Stadtsparkassen ohne Firmenkunden nicht existieren können. Bereits unter Elbers beginnen die ersten Konflikte um die Ausschüttungen, die mit Geisel endgültig eskalieren.

Intern wird es immer härter. Dafür wird Göbel außen immer mehr als das Gesicht der Stadtsparkasse wahrgenommen. Ihr Geschäftsbereich erfordert starke Präsenz in der Öffentlichkeit. Hallmanns Ding ist das Repräsentieren nicht. Theaterpremieren, Fortuna-Spiele (wo Göbel nach einer verlorenen Wette auch mal den Stadion-Sprecher unterstützt), Wirtschaftsworkshops, Brauchtumsevents - es gibt kaum einen wichtigen Termin, bei dem sie nicht dabei ist, Kontakte knüpft und Kunden pflegt. Daneben bleibt noch Raum für soziales Engagement: für ein Kinderheim in Indien.

Ihr Mann Paramsothy Thamotharampillai - er meldet sich der Einfachheit halber am Telefon mit "Herr Göbel" - hält ihr den Rücken frei. Er wurde in Malaysia geboren, ist Ingenieur, arbeitet als interkultureller Trainer. Das kinderlose Paar ist seit 34 Jahren liiert, funktioniert als perfektes Team, auch wenn für Zweisamkeit kaum Zeit bleibt. Die würde mit dem Vorstandsvorsitz noch knapper.

Spannend wird auch, wie eine Sparkassen-Chefin Göbel sich gegenüber Geisel verhält. Der hat für das laufende Geschäftsjahr wieder eine hohe Ausschüttungserwartung formuliert: 25 Millionen Euro. In den Grundzügen ist Göbel mit ihm einig: Hallmanns restriktiven Kurs, die Verpflichtungen an die Eigenkapitalbildung mehr als nötig zu erfüllen, Gewinnerwartungen zu niedrig anzusetzen und außerplanmäßige Gewinne nahezu komplett in die Rücklagen zu führen, teilt sie nicht. Kalkulierbare Risiken eingehen, Wachstum nicht um jeden Preis, so beschreibt sie ihre Strategie. Dabei immer das Interesse der Stadtsparkasse, aber auch die der Kunden und Mitarbeiter im Blick. Rosarot ist ihre Brille dabei nicht: die Niedrigzinsphase, ein schwieriger Markt. "Es wird Veränderungen geben", dabei will sie aber alle mitnehmen.

(dr)
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