Kolumne Mein Düsseldorf Die merkwürdige Steak-Schau

Meinung | Düsseldorf · Omma - mit Doppel-M - hat immer gesagt: Mit dem Essen spielt man nicht. Weil ich sie sehr liebte und großen Respekt hatte, gab's keine Widerworte, nicht mal aus Buchstabensuppe. Und Omma - mit Doppel-M - wäre auch nie auf die Idee gekommen, über Essen mehr als nötig zu sprechen, wenn's Möhren durcheinander, freitags Pott-Schlat mit Rotbarsch oder sonntags Schweinebraten mit Soße (nicht Sauce!) gab: Gegessen wurde, was auf den Tisch kam. Basta. Pasta kannte sie nicht, aber Nudeln. Die machte sie stets mit eingemachten Pflaumen.

Heute, in Zeiten von Molekularküche, Fingerfood und Analogkäse, ist das anders. Was das Essen nicht besser gemacht hat. Noch nie gab es so viele Kochsendungen im Fernsehen, und noch nie - Clemens Wilmenrod rotiert im Grab - haben die Deutschen sich dennoch so schlecht und billig ernährt. Dabei ist das Angebot größer als je zuvor. Und das nicht nur in Supermärkten, die glaubhaft versichern, Lebensmittel zu lieben - nein: auch die Gastronomie gibt sich alle Mühe, beim zahlungskräftigen Gast nix anbrennen zu lassen.

Bisweilen werden da aber merkwürdige Sachen angerichtet. Wie kürzlich in einem der neuen Steakhäuser Düsseldorfs. Weil sie sich irgendwie absetzen müssen von den Maredos und Blockhouses dieser Welt, versucht man, mit kommunikativer Erlebnisgastronomie zu rechtfertigen, dass kaum ein Steak für unter 30 Euro vom Grill genommen wird. Also kommt eine nette Bedienung (weiblich!) an den Tisch und hat einen dreistöckigen Servierwagen dabei, auf dem mit Frischhaltefolie abgedeckte Fleischstücke liegen: Ob man denn einen kurzen Vortrag über die Angebote wünsche? Und während ich mich erinnert fühle an die traurig aufgebahrten Tellergerichte seinerzeit in der Athener Plaka, die am Straßenrand auf Regalen vor sich hingammelten und den Touristen Lust auf Moussaka oder Souvlaki machen sollten, beginnt sie voller Hingabe zu referieren.

Wir hören was von Filet und Rumpsteak, von T-Bone und Marmorierung, von Fett und kein Fett, mitten drin, nur am Rand oder - Rib-Eye - rund wie ein Auge. Wir hören erfreut, dass die dafür geschlachteten Jungbullen zuvor auf grünen Weiden nur Gras fraßen und erst kurz vor ihrem abrupten Ende eine Art Henkersmahlzeit über mehrere Wochen bekamen, bestehend aus Mais und was-weiß-ich. Alles naturnah, kein Gen-Futter - satt und glücklich muss er den finalen Bolzenschuss hingenommen haben, der Möchtegern-Stier.

Jung war er wirklich, kaum ein Jahr, mit Delikatessen gefüttert und auf dem besten Weg, selbst eine zu werden. Wir lernen was über Lady Cut (knapp unter 200 Gramm), und das John-Wayne-Stück, das ein halbes Kilo auf den Teller wuchtet und vermutlich nötig ist, den weiten Weg nach Dodge City zu schaffen, eine Horde blutrünstiger Comanchen im Nacken. Gebührend beeindruckt von diesen Infos - unterm Strich gehen sie auf keine Kuhhaut - bestellen wir, was wir immer bestellen: Filet Steak, rare, also englisch. Wirklich?, fragt die junge Dame, nun leicht kuhäugig, Ja, bitte - blutig. Es darf gern noch zucken! Dies tut sie auch, aber mit den Achseln, ihr Stift fliegt über den Block - und tatsächlich: nach angemessener Wartezeit (keine halbe Stunde!), kommt alles wie bestellt.

Weil ich aber von Omma - mit Doppel-M - gelernt habe, Essbares nur im Notfall wegzuwerfen, interessiert mich das Schicksal der Demo-Steaks. Gästen wird man sie nach Erfüllung ihrer Präsentations-Pflichten kaum servieren. Also fragen wir beim Bezahlen der fetten Rechnung. Die Antwort ist eine pragmatische. Nach Blick nach hinten, ob sonst keiner zuhört, werden wir aufgeklärt: "Die essen wir selber!"

(RP)
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