Düsseldorf Die neue Säulenheilige

Düsseldorf · Der Künstler Christoph Pöggeler platziert seine realistischen Skulpturen auf Litfaßsäulen. Sein zehntes Werk steht nun in Flingern.

Die zehn Säulenheiligen von Düsseldorf von Christoph Pöggeler
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Realistische Skulpturen auf Litfaßsäulen in Düsseldorf

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Foto: Bretz, Andreas (abr)

Christoph Pöggeler hat ein Faible für etwas, das noch schöner altmodisch ist als Telefonzellen: die Litfaßsäule. Nicht eine mit Glasscheiben, und auch keine, bei der sich etwas dreht. Guter alter Beton muss es sein, mit daraufgeleimten Plakaten, die wirklich Nützliches ebenso verkünden wie schon länger Gewesenes, die coole Bilder zeigen und Farbkombinationen, die seit Ende der Achtziger als gestalterisches Verbrechen gelten. Solche Litfaßsäulen bilden den Sockel für die besonderen Skulpturen, die Pöggeler an nun zehn Stellen in Düsseldorf platziert hat. Seine Säulenheiligen sind lebensgroße Polyester-Figuren, die extrem echt wirken. Dort oben zeigt Pöggeler die Menschen, die normalerweise unten stehen.

Die jüngste Skulptur ist ab sofort an der Neumannstraße in Flingern zu sehen. Der Künstler hatte sie "Die Wartende" genannt, enthüllt wurde sie als "Die Lesende". Zusammen erklären die Namen, weshalb sich Pöggeler für das Motiv entschieden hat. Es geht um eine Frau, die an einer Haltestelle auf den Bus oder die Bahn wartet und für diese Zeit ein Buch mitgebracht hat. Die Szene ist alltäglich, Pöggeler aber gibt ihr etwas Ikonenhaftes. Ein Smartphone jedenfalls hätte die Frau nicht in der Hand halten dürfen.

Dass der Maler Pöggeler vor allem durch Skulpturen bekanntgeworden ist, verdankt er einem Besucher in seinem Atelier. Der sah 1999 eine kleine Zeichnung des gebürtigen Münsteraners, auf der eine Litfaßsäule abgebildet war, eben mit einer Figur oben drauf. "So etwas müsste man mal machen", sagte der Besucher. Pöggeler teilte diese Meinung und eignete sich alles an, was er können musste, um solche Figuren zu schaffen. Heute schafft er Stahlgerippe ("Strichmännchen aus Moniereisen"), modelliert mit Ton, nimmt davon einen Silikonabdruck, der mit Polyester ausgefüllt wird. In die Beine kommt Stahl, damit die Figuren richtig stehen.

Die ersten beiden Säulenheiligen waren der Geschäftsmann am Rheinufer und Marlis, die Frau mit dem roten Pullover, die die Augen geschlossen und den Kopf nach hinten gelegt hat. Der Kreis der Figuren wuchs schubweise. Immer wieder stieß Pöggeler auf Fotos, die ihn zu einer neuen Skulptur inspirierten, oder auf Menschen, die Sinnbild waren und wurden. Das Paar, das unsicher in die Welt geht, der Urlauber mit dem Handtuch über der Schulter, der Vater, der seinen Sohn trägt. "Die Lesende" ist sicher noch nicht die letzte Säulenheilige. Der Künstler möchte gerne noch einen Obdachlosen darstellen, ohne ihn zu stigmatisieren, und er möchte sich mit den Themen Alter und körperliche Arbeit auseinandersetzen.

Pöggeler wird seinen bisherigen Werken in nächster Zeit wieder begegnen, denn die Arbeiten müssen sukzessive erneuert werden. Die Farbe hält nicht mehr, was sie einst versprach. Die gelegentlichen Düsseldorfer Winter und Sommer und die regelmäßigen Wolkenbrüche haben den Figuren ein wenig ihrer täuschenden Wirkung genommen. Nun werden sie mit einem Baumaschinenlack aufgefrischt.

Es gibt auch zwei Säulenheilige, die nicht in Düsseldorf stehen. Ein Unternehmen in Mannheim hat ein Duo in Auftrag gegeben. Auf der Litfaßsäule dort steht ein Landwirt im karierten Hemd und spricht mit einer Geschäftsfrau im weißen Kostüm. Der andere Export ging nach Köln. Ein Unternehmer hat die zweite Auflage des Geschäftsmanns gekauft. Dieser war zuvor für ein Projekt in der Schweiz und in Korea unterwegs. Er sah nicht nur echt aus, er lief dort auch übers Wasser.

(RP)
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